Goldpreis:Nichts für schwache Nerven

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Der Goldpreis ist volatil und sorgt immer wieder für Spekulationen. Von Verschwörungstheorien halten Experten jedoch wenig. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Die EU-Kommission inspiziert derzeit den Spothandel mit Edelmetallen. Der Goldpreis sinkt seit vier Jahren. Das beunruhigt die Anleger. Doch Experten glauben nicht an künstliche Eingriffe.

Von Katharina Wetzel

Schon mein ganzes Leben lang habe ich seine Farbe geliebt, seinen Glanz, seine göttliche Schwere", erklärt Gert Fröbe alias Goldfinger im gleichnamigen James-Bond-Film. Das gelbe Edelmetall übt seit jeher eine besondere Anziehungskraft aus. Doch Goldanhänger sind zunehmend beunruhigt. Seit vier Jahren ist der Goldpreis nun schon im Sinkflug. Sind da vielleicht geheime oder dunkle Mächte à la Goldfinger im Spiel? Ganz abwegig sind solche Überlegungen nicht. Die EU-Kommission nimmt derzeit den Goldmarkt ins Visier. Ricardo Cardoso, wettbewerbspolitischer Sprecher der Europäischen Kommission, bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass man aktuell mögliches wettbewerbsfeindliches Verhalten im Spothandel mit Edelmetallen untersuche.

Den Verdacht auf Preismanipulation haben Goldanleger schon seit Längerem. 2011, als die Sorge um Griechenland und ein Auseinanderbrechen des Euro entbrannte, kletterte der Goldpreis auf mehr als 1900 US-Dollar je Feinunze. Mittlerweile liegt er bei 1137 US-Dollar. Hinter dem Preissturz vermuten Goldfreunde ein böses Spiel. Die einen glauben, Zentralbanken und Regierungen würden den Goldpreis künstlich niedrig halten. Die anderen haben Finanzinstitute im Verdacht. So musste 2014 die britische Bank Barclays und einer ihrer Händler für die Manipulation des Goldpreises eine Strafe zahlen.

Die Möglichkeiten zur Manipulation seien geringer als beim Libor, sagen Experten

Der Goldpreis wurde jahrzehntelang in einem recht intransparenten Verfahren unter fünf Großbanken ausgemacht - per Telefonkonferenz zwei Mal am Tag. Seit diesem Frühjahr wird das sogenannte Goldfixing elektronisch bestimmt. Die Deutsche Bank hat sich bereits Anfang 2014 freiwillig aus dem Goldfixing zurückgezogen.

Von einer möglichen Manipulation des Goldfixing wären in erster Linie etwa Erträge von Minenbetreibern, Goldhändlern, Juwelieren oder Zentralbanken betroffen. Für Zertifikateanleger spielt das Goldfixing etwa dann eine Rolle, wenn ein Produkt fällig wird. Dann wird als Berechnungsbasis für die Rückzahlung oft das Goldfixing zugrunde gelegt. Für Investoren ist dieser Wert jedoch nicht das Maß aller Dinge. "Die meisten Zertifikate haben die Feinunze Gold zum Basiswert", sagt Dominik Auricht, Anlageexperte der Hypo-Vereinsbank. Die Feinunze wird rund um die Uhr außerbörslich gehandelt. Der Preis für eine sofortige Lieferung, auch Spotpreis genannt, kann sich sekündlich ändern.

Experten halten den Spotmarkt für relativ transparent, da viele Marktteilnehmer die Preisentwicklung verfolgen könnten. Gezielte Absprachen würden eher auffliegen. "Die Manipulationsmöglichkeiten sind geringer als beim Libor und die Auswirkungen für Privatanleger relativ begrenzt", meint Peter Posch, Professor von der Technischen Universität Dortmund. Dass Notenbanken ihre Finger im Spiel haben, glaubt Posch nicht. Denn diese hätten kein Interesse, den Goldpreis zu drücken, da sie selbst auf großen Goldbeständen säßen. Von der Theorie hält er nichts.

Die Bankenaufsicht Bafin führe derzeit keine eigenen Analysen oder Untersuchungen durch. Zuletzt hat sie keine Anzeichen für Goldpreismanipulationen feststellen können. Doch Anleger sind besorgt. Warum fällt der Goldpreis, nachdem er zehn Jahre lang eher nur gestiegen ist?

Für Christoph Eibl, Vorstandsvorsitzender der Tiberius Gruppe, hat das ziemlich simple Gründe. Ob börsengehandelte Indexfonds, Zertifikate oder Münzen - mittlerweile könne man an jeder Ecke Gold kaufen. "Wir haben eine gewisse Sättigung der Nachfrage. Wer sich mit Gold eingedeckt hat, kauft nicht mehr in demselben Volumen. Das ist das ganze Geheimnis des Goldmarktes", meint der Rohstoffspezialist.

Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank, hält ebenfalls nichts von Verschwörungstheorien oder Gerüchten über Marktmanipulationen. Die sinkende Wertentwicklung habe viele Ursachen. Weinberg spricht etwa vom "Rückgang der Angstprämie". So hätten Marktteilnehmer weniger Angst vor einem Ausscheiden Griechenlands oder geopolitischen Risiken. Der Krieg in Syrien und die Flüchtlingswelle lasse sie kalt. "Offensichtlich gehen davon keine Turbulenzen für die Finanzmärkte aus." Zudem, so Weinberg, sind Großinvestoren in großem Stil ausgestiegen. Sie hatten Gold-Indexfonds (sogenannte Exchange Traded Funds, ETF) für sich entdeckt, die physisch besichert sind und an der Börse gehandelt werden können. Nun ziehen sie ihr Geld wieder ab. Seit 2012 ist das Volumen der Papiere um etwa 100 Milliarden US-Dollar gesunken - eine Menge. 2014 betrug die Gesamtnachfrage nach Gold-ETF, Münzen und Barren 4000 Tonnen, was einem Wert von aktuell 150 Milliarden US-Dollar entspricht.

Michael Blumenroth, Rohstoffexperte der Deutschen Bank, sieht weitere Faktoren in der allgemeinen Rohstoffschwäche und dem starken US-Dollar. "Am meisten leidet der Goldpreis aber unter dem früher oder später erwarteten Zinsanstieg in den USA." Steigen die Zinsen, wird Gold weniger attraktiv. Analysten rechnen daher eher mit einem weiter fallenden Goldpreis. Dies spiegelt sich auch im Handel mit Goldzertifikaten und Hebelprodukten wider.

"Die Mehrheit setzt auf sinkende Kurse", sagt Norbert Paul, Handelsexperte der Börse Stuttgart. Mit Zertifikaten können Anleger an der Goldpreisentwicklung eins zu eins partizipieren, sie können aber auch auf steigende oder fallende Kurse oder eine Seitwärtsbewegung setzen. Mit Hebelpapieren lassen sich mögliche Gewinne, aber auch Verluste vervielfachen. Ihre Referenzgröße ist der Gold-Future. "Dieser wird von vielen Marktteilnehmern an elektronischen Börsen wie der New Yorker Comex gehandelt", sagt Paul, was mögliche Manipulationen unwahrscheinlicher mache. Anleger können Hebelpapiere börsentäglich handeln, dabei liege die durchschnittliche Haltedauer bei maximal zwei Wochen, schätzt Paul. Für Privatanleger sind solche Produkte wegen der hohen Risiken weniger empfehlenswert. "Das ist nur etwas für Kunden, die Verluste tragen können", meint Experte Blumenroth. Da der Goldpreis in Dollar notiert, sollten Anleger auch das Währungsrisiko bedenken. Bei Privatanlegern seien daher Quanto-Zertifikate beliebt, die eine eingebaute Währungsabsicherung bieten, sagt Handelsexperte Paul. Ob sich die dafür anfallende Gebühr von etwa zwei bis fünf Prozent der Handelssumme lohnt, hängt jedoch auch vom Dollar-Euro-Kurs ab. "Steigt der Dollar, entgehen dem Anleger zusätzliche Gewinne." Generell lassen sich Verluste auch begrenzen, indem Anleger eine Stop-Loss-Oder erteilen. Fällt das Zertifikat unter eine bestimmte Grenze, wird es dann automatisch verkauft. Größere Verluste können so vermieden werden.

Der Goldpreis ist sehr volatil. "Gold ist daher nichts für schwache Nerven", warnt HVB-Experte Auricht. Vor einem Einstieg sollten sich Anleger in jedem Fall gut informieren. Grundsätzlich können Goldpapiere im Vergleich zu einem physischen Investment Vorteile bieten. Die An- und Verkaufsspanne (im Fachjargon Geld-/Briefspanne) ist vergleichsweise niedrig. "Bei Barren und Münzen liegt die Spanne bei drei bis fünf Prozent. Bei Goldzertifikaten häufig bei 0,1 Prozent", sagt Experte Blumenroth. Zudem entfallen Transport- und Lagerkosten. Doch der Nachteil: Zertifikate sind Schuldverschreibungen der Bank. Geht die Bank pleite, ist das Zertifikat wertlos. Daneben können Anleger in Schuldverschreibungen namens Exchange Traded Commodities (ETC) investieren.

Kauft ein Anleger ein Gold-ETC, werden von der ausgebenden Bank dementsprechend viele Barren in einen Tresor hinterlegt, welche sich der Anleger jederzeit ausliefern lassen kann, so das Versprechen der Anbieter. Bei einem Ausfall des Emittenten habe der Anleger so immer noch den Gegenwert in physischem Gold. Eine charmante Idee - "theoretisch", meint Professor Posch. Dass bei einer Bankenpleite oder einer größeren Krise der Goldtransporter auf Anfrage rasch vorbeifährt, stellt Posch zumindest infrage. "Rechtlich den Anspruch durchzusetzen, halte ich in einer Krise für schwierig." In jedem Fall würden die Banken die anfallenden Lager- und Versicherungskosten in Form von Gebühren an die Kunden weitergeben. Wer Gold als Krisenabsicherung kaufen wolle, solle daher eher auf physisches Gold setzen.

"Gold wird immer noch als ein Versicherungsinstrument gegen Kurseinbrüche an Anleihen- und Aktienmärkten betrachtet, da diese Märkte sich häufig gegensätzlich bewegen", ist Deutsche-Bank-Experte Blumenroth überzeugt. Insbesondere in Deutschland sei die Nachfrage noch da. Viele nutzten jetzt die niedrigeren Kurse als Kaufgelegenheit. Commerzbank-Experte Weinberg hält generell eine kleine Beimischung von fünf bis zehn Prozent im Portfolio als Diversifizierungselement für sinnvoll. Zu einem Ausstieg rät er Goldinvestoren daher auch bei Buchverlusten nicht.

"Gold mag für manche schön sein, weil es glänzt", sagt Wissenschaftler Posch. Als Krisenwährung habe es jedoch von seinem Reiz eingebüßt. Von einem Investment rät er Privatanlegern eher ab. "Wer sich gegen eine echte realwirtschaftliche Krise absichern möchte, der sollte besser Linsen in den Keller legen."

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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