Süddeutsche Zeitung

Goldman Sachs:Der Banker ist ein DJ

  • Wohl keine Bank der Welt steht so sehr für Glanz und Elend der Branche wie Goldman Sachs.
  • Entsprechend ist auch der Chef des Hauses eine Art informeller Sprecher der Wall Street - und damit zugleich der Buhmann für all jene, die Finanzmanager, angelehnt an die "Star Wars"-Saga, für die "Sith Lords" dieser Zeit halten.
  • Es mehren sich die Anzeichen, dass David Solomon den amtierenden Konzernchef Lloyd Blankfein spätestens 2019 beerben wird.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Es war nie ganz leicht für die Mädels, wenn sie bei den Solomons zu Besuch waren und plötzlich der Herr des Hauses um die Ecke bog. Wie sollten sie den Vater ihrer Freundinnen nennen? "David"? Das erschien irgendwie unpassend für einen Top-Manager, von dem es hieß, er verdiene eine Menge Geld. "Mister Solomon"? Klang genauso komisch in einem Land, in dem sich die Menschen praktisch nur mit Vornamen ansprechen. Schließlich hatte eins der Mädchen eine Idee: D-Sol. Das klang unverfänglich und cool zugleich.

So cool, dass Papa Solomon den Namen noch heute stolz trägt, wenn er einmal im Monat im New Yorker "Up & Down" oder einem anderen Club der Welt Musik auflegt. Eines der Videos auf seiner Instagram-Seite zeigt ihn, wie er in Nipper's Beach Bar auf den Bahamas Dutzende junge Leute mit Elektrobeats in Schwung hält. Vermutlich war keinem der Tänzerinnen und Tänzer in Bikinis und Badehosen bewusst, dass DJ D-Sol mit der weißen Basecap und dem blau-grauen T-Shirt bald zum mächtigsten Banker des Planeten aufsteigen könnte: zum Chef von Goldman Sachs.

Noch ist es nicht so weit, doch es mehren sich die Anzeichen, dass Solomon den amtierenden Konzernchef Lloyd Blankfein spätestens 2019, wenn die Bank 150. Geburtstag feiert, beerben wird. Anfang der Woche ernannte Goldman den 56-Jährigen zum alleinigen Präsidenten der Bank, sein bisheriger Mitstreiter und Rivale Harvey Schwartz wird das Haus hingegen Mitte April verlassen. Als klare Nummer zwei des Instituts ist Solomon nunmehr erster Anwärter auf die Blankfein-Nachfolge.

Seine Mitarbeiter sollten auch Interessen jenseits der Bank haben, sagt Solomon

Wohl keine Bank der Welt steht so sehr für Glanz und Elend der Branche wie Goldman Sachs. "Es gibt andere, größere Unternehmen, aber Goldman ist eine Ikone", so Charles Elson, Managementexperte an der Universität von Delaware, in der New York Times. Entsprechend ist auch der Chef des Hauses keine beliebige US-Führungskraft.

Als eine Art informeller Sprecher der Wall Street ist er vielmehr der Inbegriff von Erfolg und Reichtum - und damit zugleich der Buhmann für all jene, die Finanzmanager, angelehnt an die "Star Wars"-Saga, für die "Sith Lords" dieser Zeit halten. Dass Goldman, gegründet von deutschen Auswanderern, so kritisch beäugt wird, hat auch damit zu tun, dass die Firma nicht nur eine Bank, sondern zugleich eine Art Rekrutierungsstelle für Spitzenpersonal jeglicher Art ist.

Die Ex-Goldmänner Henry Paulson und Steven Mnuchin wurden US-Finanzminister, Solomons Vorgänger Gary Cohn arbeitet - noch - als Chef-Wirtschaftsberater im Weißen Haus. Mario Draghi leitet die Europäische Zentralbank, Malcolm Turnbull brachte es in Australien gar zum Premierminister. Die Bereitschaft, ein öffentliches Amt zu übernehmen, gehört für Führungskräfte der Bank gewissermaßen zur DNA. Auch Solomon, so ist zu hören, könnte sich einen solchen Wechsel irgendwann einmal vorstellen.

Zunächst aber wird er wohl zeigen müssen, dass er eine Bank führen kann, deren Haupterlösquelle, das Wertpapierhandelsgeschäft, zuletzt schwächelte, die sich zunehmender Konkurrenz durch junge Tech-Firmen ausgesetzt sieht und die Kundengruppen zu erschließen versucht, die man früher nicht einmal gegrüßt hätte - Kleinsparer etwa.

"Wir legen großen Wert darauf, dass die Mitarbeiter, die wir einstellen, die Vielfalt der Welt, in der wir leben, widerspiegeln"

Anders als der Handelsfachmann Blankfein ist Solomon im Investmentbanking groß geworden, jenem Geschäftszweig, der sein Geld unter anderem mit der Begleitung von Börsengängen und Fusionen verdient. Ob sich seine Sozialisierung im Falle der Beförderung in einem Strategiewechsel niederschlagen würde, ist offen. Angeblich soll er den Vorstand vor allem mit seiner Fähigkeit beeindruckt haben, Geschäftsfelder auszubauen, den Beratungsbereich zu stärken und kluge Mitarbeiter um sich zu scharen.

Solomon selbst erklärt, er wolle die guten Beziehungen, die man im Investmentbanking zu Unternehmen aufgebaut hat, nutzen, um mit denselben Firmen auch im Kredit- und Wertpapierbereich besser ins Geschäft zu kommen. Doch es gibt auch Dinge jenseits des finanziellen Erfolgs, die ihm wichtig sind: "Wir legen großen Wert darauf, dass die Mitarbeiter, die wir einstellen, die Vielfalt der Welt, in der wir leben, widerspiegeln", sagte er jüngst.

Und - hier sprach wohl auch der Hobby-DJ: Angesichts der hohen Arbeitsbelastung bräuchten Beschäftigte Interessen auch jenseits des Jobs, "die man leidenschaftlich verfolgt und die einem neue Energie geben". Mit seiner Statur, dem kahlen Schädel und der tiefen Stimme, gehört Solomon zu den Menschen, deren Präsenz einen Raum füllen kann.

Dabei ist er freundlich und auskunftswillig, verabschiedet sich aber auch entschlossen, wenn er glaubt, alle Fragen seien gefragt. Dass er Vergangenes mit Neuem kombinieren kann, hat er schon bewiesen - zumindest als DJ: Seine Neuabmischung des Fleetwood-Mac-Klassikers "Don't Stop" kam beim modernen Club-Publikum glänzend an. "Was für ein Stück - als Remix sogar noch besser", schrieb Hope aus Kalifornien bei Instagram, und Carl aus Schweden bat gar um eine D-Sol-Session in Stockholm. Unwahrscheinlich, dass Solomon dafür bald Zeit haben wird.

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SZ vom 15.03.2018/hgn
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