Süddeutsche Zeitung

Gnadenhof-Imperium Aiderbichl:Promis, Tiere - und nun ermittelt die Justiz

  • Gut Aiderbichl ist der Stammsitz eines Gnadenhof-Imperiums mit mittlerweile 26 Gnadenhöfen.
  • Viele Prominente sorgen für gute PR.
  • Nun ermittelt die Justiz im Umfeld von Aiderbichl.

Von Georg Etscheit, Klaus Ott und Katja Riedel

Rehpinscher Mücke sei nunmehr "im Überglück", könne dank einer Augenoperation wieder sehen. Mit der blinden Hündin Patty, dem traumatisierten Chico und der tauben Katze Micky lebe er nun auf Gut Aiderbichl in Henndorf bei Salzburg ein glückliches Pinscherleben, ein Leben jenseits der ewigen Dunkelheit. So ist es auf der Internetseite des berühmten Gnadenhofes zu lesen, in einer jener rührseligen Geschichten, die eine Welt zeigen wie aus dem Groschenroman.

Eine Welt, in der Kälbchen "Kinder der Liebe" sind zwischen Stier und Kuh und in der jedes Tier seine ganz eigene Geschichte erzählt. Viele dieser Geschichten sind auf den Tafeln vor ihren Weiden und Gehegen zu lesen; auch, weil Aiderbichl mit diesen Geschichten das Mitleid der Menschen erregen will, erst ihre Herzen erreichen und dann ihre Brieftaschen.

Liebling der Society

Aiderbichl, das ist vor allem dessen Gründer, der gebürtige Augsburger Michael Aufhauser, 63, ein ehemaliger und nur mäßig erfolgreicher Schauspieler, späterer Touristikmanager und heute hauptberuflicher Promi-Tierschützer. An der Seite des verstorbenen Fürsten Johannes von Thurn und Taxis stieg er zu einem Liebling der Society auf. Er holt diese feine Gesellschaft nach Henndorf bei Salzburg, dort hat er 2001 den Stammsitz seines Gnadenhof-Imperiums eröffnet. Ein Imperium, das mittlerweile 26 Gnadenhöfe in Österreich, Deutschland, der Schweiz und in Frankreich umfasst, wo 6000 Tiere gefüttert und gepflegt werden. Dort lassen sich die Promis von einer gut organisierten PR-Maschinerie umgarnen, sie liefern Motive für die bunten Blättchen: Aufhauser mit Larry Hagmann, dem Dallas-Fiesling; Aufhauser Arm in Arm mit den Schauspielern Franco Nero und Roger Moore und Hugh Grant, der Lämmchen Mango streichelt.

Besondere Menschen, besondere Tiere.

Auch Mücke ist so ein besonderes Tier, der Rehpinscher steht unter Aufhausers ganz persönlichem Schutz - seit dessen Herrchen Gerd V., ein früherer Daimler-Manager und mehrfacher Millionär, im Jahr 2011 gestorben ist und große Teile seines Vermögens in den Dienst des Tierschutzes gestellt hat, was konkret heißt: in den Dienst von Aiderbichl. Doch dies ist nun keine typische Aiderbichl-Geschichte mehr. Keine Geschichte, die die vielen menschlichen Prominenten zu einer Tierpatenschaft animieren würde, wenn sie wieder zum Aiderbichler Weihnachtsmarkt oder der Eröffnung eines neuen Tierhauses an das vegetarische Büfett von Aufhauser gebeten werden. Im Gegenteil: Sollten die Vorwürfe stimmen, die mehrere mit Aiderbichl verbundene Personen erheben, dann wäre es eine Geschichte, die so gar nicht passt zur angeblichen Mission eines vorbildlichen Umgangs mit den Schwachen, seien es Tiere oder Menschen.

Denn Aufhauser & Co. werden verdächtigt, den Millionär Gerd V. und dessen ebenfalls vermögende Schwester Ursula V., auch sie lebt nicht mehr, hinters Licht geführt zu haben. Und die Ermittler prüfen nicht nur diesen Erbfall, sie interessieren sich auch für die persönlichen finanziellen Verhältnisse der Aiderbichl-Chefs, so geht es aus den Akten hervor.

Perfekte PR-Maschine

Aiderbichl - der Name soll keltischen Ursprungs sein und so viel wie "Feuerberg" heißen. Im Feuer stehen Aufhauser und sein Geschäftsführer und engster Vertrauter Dieter Ehrengruber - und zwar, seitdem der Bruder des verstorbenen Gerd V. im vergangenen Herbst Anzeige erstattet hat. Nun ermittelt die Justiz im Umfeld von Aiderbichl, im April hat sogar die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Wien den Fall übernommen. Sie befasst sich nur mit den großen Fischen: wenn der Schaden fünf Millionen Euro übersteigen könnte. Es geht um schweren gewerbsmäßigen Betrug.

Die Ermittlungen richteten sich zunächst gegen zwei Aiderbichl-Helfer: eine damalige Betreuerin des mittlerweile verstorbenen Geschwisterpaars V. sowie deren Bruder, einen Gutsverwalter. Inzwischen allerdings geht es nicht nur gegen diese beiden als Mittäter, sondern nach Informationen der Süddeutschen Zeitung und des österreichischen Magazins News werden seit 17. Juni auch Michael Aufhauser und Dieter Ehrengruber persönlich beschuldigt.

Sie sollen sich durch Täuschung einen Millionenbetrag erschlichen haben. Es geht um das Vermögen des Gerd V., der mit seinen Tieren auf einem heruntergekommenen Gnadenhof in Maria Schmolln in Oberösterreich lebte und Nachfolger suchte.

Aiderbichl hatte den Hof als Schenkung übernommen, samt einer Million Euro für die Renovierung und mehr als 300 000 Euro jährlich für den Unterhalt. Gegenstand des Verfahrens sind zudem zweckgebundene Spenden in Höhe von 800 000 Euro, die Aiderbichl anders verwendet haben soll, als von Gerd V. vorgesehen. Und es geht um überaus dubiose Umstände, unter denen die Geschwister V. ihre Unterschriften unter all diese Schriftstücke gesetzt haben sollen. Fraglich ist, wie sehr die beiden alten Herrschaften überhaupt noch bei Sinnen waren, als sie dem Transfer ihres Vermögens in die Kassen von Aiderbichl zustimmten.

Einen beachtlichen Aktenberg haben die Ermittler bereits zusammengetragen: Sie haben Zeugen und andere Beschuldigte verhört, medizinische Gutachten und Vermögensübersichten angefordert, sie haben den Hof in Maria Schmolln durchsucht. Und sie haben sogar die Telefone von Aufhauser, Ehrengruber und den beiden früheren Betreuern von Gerd und Ursula V. abgehört. Maßnahmen, die Richter nur bei dringendem Tatverdacht genehmigen, nicht bei einer Kleinigkeit, die sich einfach so vom Tisch fegen ließe.

Drohendes Desaster

Für Aiderbichl steht viel auf dem Spiel. Es geht um die Glaubwürdigkeit ihrer Idee, und es geht um die Existenz. Sollte ein Gericht befinden, dass die Aiderbichl-Bosse ein ungültiges Testament vorgelegt oder bei den Schenkungen getrickst haben, könnte der Stiftung die Rückzahlung der Millionen drohen. Für Aiderbichl wäre das ein Desaster. Die Stiftung hat sich deshalb selbst im April dem Verfahren gegen die beiden mutmaßlichen Mittäter angeschlossen, als mögliches Opfer. Damals wussten die Aiderbichl-Chefs noch nicht, dass die Ermittler längst auch sie selbst in den Fokus genommen hatten.

Gut Aiderbichl, ein Hort des Verbrechens? Tierschutz nur als Vorwand, um sich auf Kosten von gutgläubigen Spendern, vor allem reichen Senioren, die eigenen Taschen füllen zu können? Nein, das sei vollkommen falsch, die Vorwürfe seien haltlos, beteuert Dieter Ehrengruber, der nicht nur für sich selbst spricht, sondern auch für Michael Aufhauser und die Tierschutz-Organisation. Denn Aufhauser hatte Ende Mai einen schweren Herzanfall, musste operiert werden, in den Boulevardblättern, in denen er sonst seine wöchentlichen Kolumnen schreibt, berichtet seitdem seine rechte Hand Ehrengruber über den "langen Weg zurück".

Vorwürfe seien haltlos

Der Geschäftsführer sitzt im Büro der Stiftung in Salzburg, in einem Bauernhaus am Rande der Altstadt. Er nimmt sich viel Zeit für ein Gespräch mit der SZ und News. Schoßhündchen springen umher, kläffen. Ehrengruber streichelt die Hunde; und seine Assistentin verlässt immer wieder das Zimmer, um Akten zu holen. Papiere zu den Erbfällen und Schenkungen der V.s, aus denen der Geschäftsführer vorliest. Er will belegen, dass alles seine Ordnung hat. Die Schriftstücke könne er aber wegen der laufenden Ermittlungen nicht aus der Hand geben, so gern er das wolle, bittet Ehrengruber um Verständnis.

Auch Michael Aufhauser selbst hat kürzlich einmal gesprochen. In der Münchner tz bedankte er sich Ende Juli bei allen "Aiderbichlern", so heißen die zahlenden Tierpaten, für die vielen Genesungswünsche. "Die lieben Worte . . . geben uns viel Kraft - meinen Mitarbeitern für ihre tägliche Arbeit und mir beim Gesundwerden." Natürlich höre er es gerne, dass er vermisst werde. Aber das Projekt Aiderbichl sei keine Ein- oder Zwei-Mann-Show.

Nein, eine Show ist das nicht, sondern vielmehr ein Tierschutz-Konzern. Drei der Güter stehen Besuchern offen, sie sollen sich selbst tragen und sind darum als GmbHs organisiert. In Henndorf bei Salzburg, in Iffeldorf nahe dem Starnberger See und im niederbayerischen Deggendorf zahlen die Besucher Eintritt, fahren Bimmelbahn oder kaufen Lose. 6,5 Millionen Euro Umsatz habe man so zuletzt in Österreich, 2,3 Millionen in Deutschland erzielt, sagt Geschäftsführer Ehrengruber. Die übrigen 23 Höfe finanzieren sich aus Spenden an eine Privatstiftung: aus den Patenschaften der 56 000 Aiderbichler, aus Schenkungen und aus Erbschaften: Allein 2014 fielen Aiderbichl 27 Nachlässe zu, in Höhe von 2,2 Millionen Euro. "Im Regelfall wickeln wir Testamente ab von Leuten, die wir nicht kennen", sagt Ehrengruber.

Gutsverwalter verhaftet

Dass man vermögenden, hochbetagten Herrschaften gezielt die Hand führe, wenn es um ihren Nachlass geht, das weist Ehrengruber weit von sich. Nur "allgemeine Richtlinien" gebe man solchen Leuten wie den Geschwistern V. an die Hand, die ihr Vermögen Aiderbichl vermachen wollten, keinesfalls vorgefertigte Texte, beteuert er. Den Text des Testamentes von Ursula V. hat Ehrengruber allerdings per Mail an die Betreuerin der Dame geschickt. Das handschriftliche Testament, das die Betreuerin ihr noch am selben Tag diktiert haben will, ist tatsächlich wortgleich.

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Auch die Ermittler haben inzwischen viele Unterlagen gesammelt. Und vor allem haben sie einen der insgesamt vier Beschuldigten verhaftet, den Gutsverwalter. Noch auf der Fahrt in die Justizvollzugsanstalt Wien-Josefstadt legte er ein Teilgeständnis ab. Der Gutsverwalter räumte ein, sich selbst an dem alten Herrn bereichert zu haben, um 125 000 Euro, die hatte er einfach von dessen Konto abgehoben. V. selbst hatte den Überblick über sein stattliches Vermögen von sieben Millionen Euro nämlich längst verloren, glaubte zunächst, nur mehr 300 000 Euro zu besitzen.

Mit dem Chauffeur zur Nachlass-Sichtung

Gerd V. habe es zwar grundsätzlich für richtig befunden, sein Vermögen für "arme Tiere" zu verwenden, sagte der Gutsverwalter aus. Die Aiderbichler hätten aber all das, was sie dem alten Herrn versprochen hätten, zu zögerlich umgesetzt, V. habe das immerzu moniert. Man habe ihn schlicht hingehalten. Auch seine Schwester Ursula V. sei widerspenstig gewesen. Doch auf Gut Aiderbichl habe man offenbar eine "Chance auf Vermögens-Akquise gewittert", habe Ursula V. ein paar Mal von ihrem Wohnort Stuttgart nach Salzburg gebracht und dort "umgarnt", sagt der Mann. Schließlich sei Ursula V. in eine Seniorenresidenz in Salzburg gezogen und in "Griffweite" gewesen. Es gibt Fotos, auf denen die Aiderbichler Ursula V. groß zum Essen ausführen, Aufhauser machte das Wohl der Ursula V. zur Chefsache. Seine rechte Hand Ehrengruber sagt, er habe niemals Zweifel am Geisteszustand der Frau gehegt - anders als Ärzte, die ihr erstmals 2008 eine beginnende Demenz und zahlreiche andere Gebrechen attestierten.

Nach ihrem Tod reiste der Aufhauser-Vertraute mit Chauffeur nach Stuttgart, um den Nachlass zu sichten, der dem Gut Aiderbichl zufiel. In der Wohnung habe er Goldbesteck gefunden, "3 Löffel und 1 Kuchenheber", protokolliert er penibel. Sie kommen in ein Lager in Salzburg. Dort lagern schon seit dem Umzug in die Seniorenresidenz allerlei Besitztümer der älteren Dame. Persianermäntel, Nerze und andere Pelze. Ein schwieriges Erbe für eine Tierschutz-Organisation. Wenigstens die Vögelchen, die auch dazugehörten, waren kein Problem. Sie waren aus Porzellan.

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Quelle:
SZ vom 08.08.2015
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