GM sagt Opel-Verkauf ab:"Ein unglaublicher Vorgang"

Der Zorn der Düpierten: Mit Wut reagiert die Politik auf die Absage des Opel-Verkaufs. Unterdessen wird GM offenbar demnächst den staatlichen Überbrückungskredit zurückzahlen.

Die Bundesregierung hat mit Betroffenheit auf die Entscheidung des Verwaltungsrats von General Motors (GM) reagiert, Opel nach etlichen Verhandlungsrunden und einer milliardenschweren staatlichen Zwischenfinanzierung jetzt doch in Eigenregie zu restrukturieren.

Opel, Foto: Reuters

Düster, dunkel, Opel: Über die Geschicke des deutschen Autoherstellers wird nach wie vor in Detroit entschieden.

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"Das Verhalten von General Motors ist völlig inakzeptabel" sowohl den Arbeitnehmern als auch Deutschland gegenüber, sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Das Magna-Konzept habe eine überzeugende industrielle Logik gehabt, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Nun erwarte Berlin, dass GM die gewährte Brückenfinanzierung von 1,5 Milliarden Euro entsprechend der vertraglich vereinbarten Konditionen fristgerecht zurückzahle.

Genau das haben die Amerikaner offenbar auch vor. "GM hat signalisiert, das Geld wie vereinbart bis 30. November zurückzuzahlen", sagte Thüringens Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz. Nach Angaben des Opel-Treuhandmitglieds Dirk Pfeil (FDP) hat General Motors bereits einen Teil der Schuld beglichen. "In der Spitze hat sich Opel 1,1 Milliarden Euro ausgeliehen, von denen 200 Millionen Euro bereits zurückgezahlt wurden", sagte Pfeil. Somit müsse das Unternehmen noch 900 Millionen Euro an Staatshilfen zurückzahlen.

"Das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus"

Gelassen reagierte der Automobilzulieferer Magna, der bis zuletzt als der kommende Haupteigner Opels angesehen worden war, und der nun überraschend mit leeren Händen dasteht. Man verstehe, dass der GM-Verwaltungsrat zu dem Schluss gekommen sei, "dass es im besten Interesse von GM ist, Opel zu behalten, da es eine wichtige Rolle in der globalen GM-Organisation spielt", hieß es in einer Erklärung des Konzerns.

Der Zulieferer will dennoch weiter mit General Motors zusammenarbeiten. "Wir werden Opel und GM auch bei den künftigen Herausforderungen unterstützen", teilte Magna mit.

In der deutschen Politik hat der Rückzug der Amerikaner dagegen große Wut hervorgerufen. "Dieses Verhalten von General Motors zeigt das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus", schimpfte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Die Spitze von GM lasse die Arbeitnehmer im Regen stehen. "Wir werden weiter für Opel und den Standort Bochum kämpfen."

"Die Entscheidung ist eine Zumutung für die Beschäftigten von Opel, die unvorstellbaren Belastungen ausgesetzt sind", rügte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Kritik äußerte der SPD-Politiker auch an EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Sie habe eine Lösung für Opel behindert.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zeigte sich "sehr betroffen und zugleich verärgert" über die Entscheidung des US-Autobauers. "Angesichts der negativen Erfahrungen der letzten Jahre mit der Unternehmenspolitik von GM mache ich mir große Sorgen um die Zukunft des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze", sagte Koch.

"Am Nasenring durch die Manege"

Der designierte Thüringer Vize-Ministerpräsident Christoph Matschie forderte von GM eine Standortgarantie für das Opel-Werk in Eisenach. GM habe mit der Absage an einen Opel-Verkauf "eine Entscheidung gegen die erklärten wirtschaftspolitischen Interessen der Bundesrepublik" getroffen, kritisierte er. Zugleich forderte Matschie ein gemeinsames Vorgehen des Bundes und der Länder.

Linksfraktionschef Gregor Gysi warf der alten und neuen Bundesregierung wegen des geplatzten Opel-Verkaufs Versagen vor. "Während die Kanzlerin vom US-Kongress beklatscht wird, zieht sie der staatseigene GM-Konzern am Nasenring durch die Manege", kritisierte Gysi. Die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem früheren SPD-Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier verkündete Rettung sei eine Sprechblase gewesen.

Christine Scheel, die Finanzexpertin der Grünen, warf der Regierung auf allen Ebenen Untätigkeit vor. Es sei "schon verwunderlich", dass Kanzlerin Angela Merkel, "vor dem US-Kongress die Verbeugung macht und fast zeitgleich die Amerikaner über Massenentlassungen bei Opel entscheiden", sagte Scheel zu sueddeutsche.de. Offenbar hätten sich seit der Bundestagswahl weder Merkel noch der neue Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für den Verkauf von Opel an Magna stark gemacht.

"Höchstes denkbares Risiko"

Ganz anders als in Deutschland klingen die Reaktionen aus Großbritannien. Als "fantastische" Entscheidung haben britische Gewerkschafter den Beschluss aus Detroit gefeiert. "Es ist die beste Entscheidung für Großbritannien und unsere Fabriken", sagte der Generalsekretär der Gewerkschaft Unite, Tony Woodley, mit Blick auf die beiden englischen Werke der Opel-Schwester Vauxhall. An den Vauxhall-Standorten in Ellesmere Port und Luton arbeiten 5500 Menschen.

GM sagt Opel-Verkauf ab: Die Opel-Standorte in Europa sehen Sie in dieser Grafik.

Die Opel-Standorte in Europa sehen Sie in dieser Grafik.

(Foto: Foto: SZ-Grafik)

"Absolut glücklich"

Die Arbeitnehmervertreter hatten vor allem um die mittelfristige Zukunft des Werks in Luton gefürchtet und kritisiert, dass deutsche Arbeitsplätze durch den ursprünglich geplanten Deal auf unfaire Weise bevorzugt worden wären.

"Ich bin absolut glücklich, dass General Motors nun doch das Richtige für sich und für uns macht", sagte Woodley. Gleichzeitig kündigte er an, dass es nun Verhandlungen mit dem Mutterkonzern über eine Umstrukturierung geben werde.

Auch Opel-Treuhänder Dirk Pfeil begrüßte die Absage des Verkaufts. "Ich halte das für richtig. Die Chancen, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, sind mindestens so groß wie unter Magna." Magna wäre mit der Opel-Übernahme "glatt überfordert" gewesen. Der Zulieferer kämpfe mit eigenen wirtschaftlichen Problemen. "Magna hätte ungeheure Schwierigkeiten gehabt, Opel zu sanieren."

Kritik von Auto-Experte

Beobachter in Europa trauen GM hingegen nicht zu, die Opel-Sanierung finanziell stemmen zu können. Im ZDF-Morgenmagazin sagte der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer, General Motors überschätze sich. "Das ist eine Entscheidung, bei der General Motors mit dem höchst denkbaren Risiko in die Zukunft geht.", sagte er. Der Opel-Mutterkonzern habe keinen Ansatz für das Europa-Geschäft und beginne erst jetzt, den "x-ten Restrukturierungsplan" für Opel auszuarbeiten.

Dies geschehe mit enttäuschten Mitarbeitern, die nicht hinter GM stünden, mit einem geschwächten Management und hohen Verlusten. Es werde sehr schwer sein, für neue Produkte in Europa und USA Kredite zu erhalten. Damit werde das Produktprogramm auf Sparflammme laufen; der weitere Verlust von Marktanteilen in Europa sei vorgezeichnet.

Und Opel selbst? Die deutsche Tochter hat ihrem Mutterkonzern Unterstützung zugesagt. "Wir werden alle Beteiligten tatkräftig unterstützen, diesen Verwaltungsratsbeschluss so schnell wie möglich umzusetzen und damit eine erfolgreiche Zukunft für Opel sicherzustellen", erklärte der Konzern. Die Entscheidung des GM-Verwaltungsrats bringe Klarheit für Opel, hieß es aus Rüsselsheim..

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