GM gibt Opel frei:Nicht mehr als ein Pyrrhus-Sieg

Der Fall Opel zeigt, dass die Dinge nicht so einfach sind, wie es die Regierenden gern hätten, wenn sie Industriepolitik betreiben. Denn große Unternehmen sind oft noch komplizierter als große Parteien, und die Entscheidungsprozesse sind bisweilen noch verworrener.

Ulrich Schäfer

Als es im November 1999 darum ging, den Baukonzern Philipp Holzmann vor der Pleite zu bewahren, benötigte Kanzler Gerhard Schröder keine 48 Stunden, um ein Hilfspaket zu schnüren.

Opel, GM, Getty

Regentropfen an der Fensterscheibe: Die Zukunft von Opel ist erst einmal gesichert, Magna hat den Zuschlag bekommen.

(Foto: Foto: Getty)

Schröder bestellte die Banker nach Frankfurt ein, übte ordentlich Druck aus und brachte sie dazu, dem Unternehmen eine Milliarde Mark zu leihen, für die der Bund zu einem Viertel bürgte. Des Nachts ließ er sich dann von Bauarbeitern bejubeln. Letztlich hat Schröder den Tod von Philipp Holzmann, gegründet im Jahr 1849, aber nur hinausgezögert. Im März 2002 kündigten die Banken ihre Kredite, der Baukonzern war am Ende.

Fast zehn Jahre später hat die Regierung Merkel/Steinmeier ebenfalls den Eindruck erweckt, als lasse sich ein Unternehmen über Nacht retten. Auch die Kanzlerin und ihr Stellvertreter haben sich im Mai dafür feiern lassen, dass sie den Autohersteller Opel, der 25.000 Mitarbeiter beschäftigt und damit fast so viele wie Holzmann, gerettet haben.

Merkel hatte zuvor alle Beteiligten ins Kanzleramt einbestellt, die Herren von GM und Opel, die Bieter von Fiat, dem Finanzinvestor RHJ und den österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna, und dann entschieden, wem Opel gehören soll.

Doch auch im Fall Opel zeigt sich, dass die Dinge nicht so einfach sind, wie es die Regierenden gern hätten, wenn sie Industriepolitik betreiben. Denn große Unternehmen sind oft noch komplizierter als große Parteien, und die Entscheidungsprozesse sind bisweilen noch verworrener.

Das hat sich im Kampf Porsche gegen Volkswagen ebenso gezeigt wie im Gezerre zwischen Schaeffler und Continental. Ganz besonders kompliziert wird es dann, wenn sich auch noch mehrere Regierungen in die Angelegenheit einmischen, im Falle von Opel und GM die amerikanische, deutsche, kanadische, russische, britische und belgische.

Merkel und Steinmeier jedenfalls mussten in den vergangenen Wochen erleben, dass ihre Vorliebe für Magna in den USA nicht auf sehr viel Gegenliebe stieß. Denn Magna war nicht Magna. Der Autozulieferer bot gemeinsam mit zwei russischen Unternehmen für Opel: der Sberbank, Russlands größtem Kreditinstitut, und dem rückständigen Autobauer Gaz. Magna verstand es geschickt, die beiden Partner im Hintergrund zu halten und sich in den Vordergrund zu schieben.

In Berlin nahmen die Handelnden dies beinahe beiläufig hin. Barack Obamas Regierung und den Autobossen in Detroit allerdings stieß die russische Verbindung übel auf. Auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Kriegs ist man in den USA bemüht, den einstigen Klassenfeind klein zu halten - politisch, aber auch ökonomisch. Dass die Russen längst zu Anhängern des Kapitalismus geworden sind, wenn auch in seiner archaischen Form, zählt da wenig.

Die Bundesregierung hat dies lange unterschätzt. Auch deshalb wurden Merkel und Steinmeier von den Amerikanern in an der Nase herum geführt, ja, sie wurden in Washington und Detroit geradezu rüde behandelt. Noch Anfang der Woche sah es so aus, als würden die Amerikaner sich keinen Deut darum scheren, was die Regierung in Berlin will: Hochrangige Konzernmanager versicherten, General Motors werde Opel behalten.

Dass der GM-Verwaltungsrat sich nun doch für einen Verkauf entschieden hat, kann man daher durchaus als einen Triumph der Bundesregierung sehen. Merkel spricht von einem schönen Erfolg und davon, dass Geduld sich auszahle. Andererseits könnte sich schon bald zeigen, dass es sich nur um einen Scheinerfolg handelt - und dass in Berlin, aber auch an den Opel-Standorten Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach noch mehr Geduld von Nöten ist.

Denn GM will Opel nur verkaufen, wenn weitere Bedingungen erfüllt werden. Die seien beherrschbar, behauptet Merkel. Doch wer sich vor Augen führt, wie kompliziert die Verhandlungen seit Ende Mai waren und wie groß das Zaudern in Detroit war, der kann erahnen, dass noch neue Schwierigkeiten drohen - wenn auch erst nach der Bundestagswahl. Die Verträge mit Magna und den Russen jedenfalls, die ursprünglich mal im Juli abgezeichnet werden sollten, sind noch immer unterschrieben.

Politisch also haben die Kanzlerin und ihr Herausforderer aus der SPD einen Sieg errungen. Der Verkauf an Magna und die Russen war zunächst eine Idee von Steinmeier und seinen Genossen, erst später machte Merkel sich diese zueigen. Ökonomisch allerdings kann die Causa Opel immer noch schief gehen - in den nächsten Monaten, aber auch noch später, in zwei, drei Jahren. Was ist, wenn die neuen Eigentümer tatsächlich Know-how aus Rüsselsheim absaugen und dieses nach Russland fließt? Und was ist, wenn die Autokrise sich in den nächsten Monaten weiter verschärft? Braucht Opel dann noch mehr staatliche Hilfe, über die bereits zugesagten 4,5 Milliarden hinaus? Jede dritte Autofabrik auf der Welt, sagen Experten, werde eigentlich nicht mehr gebraucht.

Teuer für den Steuerzahler wird die Opel-Rettung in jedem Fall. Teurer übrigens auch als die Pleite von Philipp Holzmann. Damals trat der Bund nur als Bürge auf. Den Schaden trugen am Ende die Banken, die Regierung selber zahlte keinen Pfennig. Das wäre diesmal anders.

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