Glyphosat-Verfahren:In der Sache hart

Glyphosat

Bayer ist bereits in drei Klagen wegen des Herbizids Glyphosat zu Schadenersatz verurteilt worden.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Erneut kürzt ein Gericht die Strafe für Bayer und seine Tochter Monsanto - aber aus formalen Gründen. Richterin Smith findet deutliche Worte für das US-Unternehmen.

Von Elisabeth Dostert

Es liest sich fast schon wie Routine: Erneut hat ein US-Gericht das Strafmaß in einem Verfahren um den Unkrautvernichter Glyphosat gekürzt. Aber es ist keine Routine, es geht um sehr viel. Es geht um die Existenz von Menschen - Kranken und Beschäftigten. Es geht um viel Geld für die Kläger, die Unkrautvernichtern mit dem von Monsanto entwickelten Wirkstoff Glyphosat ihr Krebsleiden zuschreiben. Es geht um die Zukunft des Dax-Konzerns Bayer, der sich mit der Übernahme von Monsanto für 63 Milliarden Dollar hohe Rechtsrisiken und Unsicherheiten aufgebürdet hat. In den USA wurden bis Mitte April mehr als 13 000 Klagen eingereicht. Die Verfahren können sich über Jahre durch die Instanzen ziehen, Bayer hält die Urteile für falsch.

Ein Gericht in Kalifornien setzte am Donnerstag das Strafmaß im Fall des Ehepaars Pilliod von insgesamt gut zwei Milliarden Dollar auf 86,7 Millionen Dollar herab. Aber Richterin Winifred Smith aus Oakland kürzte das Strafmaß aus formalen Gründen, nicht in der Sache. Sie lehnte es auch ab, wie von Bayer gewünscht, das Verfahren neu aufzurollen. Die vorgelegten Beweise stützen die Einschätzung der Geschworenen, dass das glyphosathaltige Mittel Roundup den Krebs von Alva und Alberta Pilliods ausgelöst und Monsanto es versäumt habe, vor den potenziellen Gefahren zu warnen. Es gebe Beweise dafür, dass Monsanto Wissenschaftlern und Medizinern Informationen vorenthalten und versucht habe, wissenschaftliche Untersuchungen und daraus resultierende Ergebnisse zu behindern, zu entkräften oder zu verzerren, zitiert das Wall Street Journal aus der Begründung der Richterin.

Eine Richterin sieht Beweise dafür, dass Monsanto Informationen vorenthielt

Im Mai hatten die Geschworenen den Pilliods gut zwei Milliarden Dollar zugesprochen. Dass das Strafmaß gekürzt werden würde, hatte sich abgezeichnet. Der Oberste Gerichtshof der USA schreibt vor, dass der Strafschadenersatz, der das Fehlverhalten eines Konzerns ahndet und Nachahmer abschrecken soll, höchstens bis zum Neunfachen des Schadenersatzes für Schmerzen, gesundheitliche und finanzielle Schäden betragen darf.

Seit Mitte der 70er bis vor wenigen Jahren bekämpften die Pilliods auf ihren Grundstücken Unkraut mit Roundup. Bei Alva Pilliod wurde 2011 Krebs diagnostiziert. In seinem Fall kürzte die Richterin den Strafschadenersatz von einer Milliarde auf 24,5 Millionen Dollar und den Schadenersatz von 18 auf 6,1 Millionen Dollar. Alberta Pilliod erkrankte 2015. In ihrem Fall kürzte Smith den Strafschadenersatz von einer Milliarde auf 44,8 Millionen Dollar, den Schadenersatz von knapp 37 auf gut elf Millionen Dollar. Damit beträgt der Strafschadenersatz etwa das Vierfache des Schadenersatzes. Es ist das erste Mal, dass in einem Glyphosat-Verfahren nicht nur der Strafschadenersatz, sondern auch der Schadenersatz gekürzt wurde.

Bayer bezeichnete die Entscheidung als "Schritt in die richtige Richtung". Das Urteil entspreche aber nicht der Beweislage in dem Verfahren und stehe im Widerspruch zu "wissenschaftlich zuverlässigen Erkenntnissen". Wie nach jedem Urteil verweist Bayer auf Einschätzungen von Regulierungsbehörden, "dass glyphosatbasierte Herbizide bei sachgemäßer Verwendung sicher sind und Glyphosat nicht krebserregend ist". Bayer will auch gegen dieses Urteil Berufung einlegen.

In allen drei, bisher erstinstanzlichen Fällen wurde das Strafmaß gekürzt. Im Fall des Hausmeisters Dewayne Johnson kappte Richterin Suzanne Ramos Bolanos die Summe von knapp 290 auf rund 79 Millionen Dollar. Zu Wochenbeginn setzte Vince Chhabria, bei dem einige Hundert Verfahren gebündelt sind, das Strafmaß im Fall Edwin Hardeman von insgesamt gut 80 auf 25 Millionen Dollar herab. Der Bundesrichter tadelte Monsanto heftig. Er bezeichnete das Verhalten des Konzerns als "verwerflich". Monsanto müsse bestraft werden. Dem Fall Hardeman gilt besondere Aufmerksamkeit. Es ist eine Art Musterfall, in dem für alle bei Chhabria anhängigen Verfahren relevante Fragen geklärt, Zeugen vernommen und Beweise erhoben werden. Der Richter dringt auf einen Vergleich der Streitparteien. Vermitteln soll der New Yorker Schlichter Ken Feinberg.

Wie die Agentur Reuters berichtet, wird voraussichtlich vom 19. August an in St. Louis, wo Monsanto seinen Sitz hat, die nächste Klage verhandelt, die erste außerhalb Kaliforniens. Monsanto gehört zu den wichtigsten Arbeitgebern in der Region. Allerdings sind die Geschworenen in dem Bundesstaat auch dafür bekannt, hohe Schadenersatzzahlungen zu verhängen. Laut Reuters wurden drei Viertel der Glyphosat-Klagen bei Gerichten in St. Louis eingereicht.

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