Glyphosat:Die Industrie als Ratgeber

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Mit Glyphosat können Bauern auch den Erntetermin steuern.

(Foto: Getty Images)

Mit ihrem Urteil wollte die Chemikalien-Agentur Echa die Vorbehalte gegen Glyphosat entkräften. Nun steht sie selbst in der Kritik. Die Industrie hatte offenbar Einblick in eine erste Bewertung und durfte diese auch kommentieren.

Von Silvia Liebrich, Andreas Rummel

Bei der Einschätzung von Risiken von Glyphosat geraten die zuständigen Behörden zunehmend in die Kritik. Dabei geht es um die heikle Frage, welchen Einfluss die Industrie auf die Entscheidungen von Kontrollbehörden nehmen. Die Aufgabe staatlicher Stellen ist es, Pestizide wie Glyphosat unabhängig und streng wissenschaftlich zu prüfen. Gleichzeitig sind die Prüfer aber auf Daten angewiesen, die die Hersteller bereitstellen.

Beide Seiten müssen also Informationen austauschen, doch das kann zur Gratwanderung werden. Ein Beispiel dafür ist die jüngste Entscheidung der europäischen Chemikalien-Agentur Echa zu Glyphosat. Auf dieses Urteil hat die Industrie nach Informationen des ARD-Magazins Fakt und der SZ offenbar mehr Einfluss genommen, als bisher bekannt ist. Demnach lieferte die Glyphosat-Task-Force, eine Lobbyorganisation der Industrie, nicht nur Daten. Sie konnte die vorläufige Bewertung der Risikoprüfer offenbar auch einsehen und kommentieren, und zwar kurz bevor darüber entschieden wurde. Das Echa-Urteil lautete später: Glyphosat ist weder krebserregend, noch schädigt es Erbgut.

Bei der Behörde mit Sitz in Helsinki hieß es zunächst, man habe einen solchen Kommentar von Industrieseite nicht angefordert und auch nicht erhalten. Zwei Tage später korrigierte sich die Behörde in einem wesentlichen Punkt. Ende Januar sei tatsächlich ein Kommentar der Glyphosat-Task-Force eingegangen, hieß es nun. Dieser sei an die Mitglieder des Echa-Gremiums weitergeleitet worden. Hinter der Glyphosat-Task-Force steht vor allem der US-Agrarkonzern Monsanto, der Glyphosat einst auf den Markt brachte.

Welchen Einfluss der Industrie-Kommentar auf das Echa-Urteil letztendlich hatte, lässt sich von außen kaum beurteilen. Trotzdem wirft das Vorgehen der Behörde Fragen auf. Laut ihren Regeln hätte die Behörde auf ihrer Homepage zur Glyphosat-Risikoanalyse auf die Existenz des Papiers hinweisen müssen. Der Toxikologe Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk kritisiert das Vorgehen der Echa. Andere Interessengruppen seien nicht rechtzeitig informiert worden. Er war als Beobachter bei der Echa zugelassen. Alle Nicht-Regierungsorganisationen hätten ihre Kommentare bis 18. Juli 2016 vorlegen müssen. Die Unterlagen seien auf der Website der Echa veröffentlicht worden. Dies treffe aber nicht auf den viel später eingegangenen Kommentar der Industrie zu. Die Behörde begründet dies indirekt damit, dass der Bericht erst nach Ablauf dieser Frist eingegangen sei.

"Die Industrie hat versucht, auf die Bewertung der Behörde Einfluss zu nehmen", glaubt Clausing. Die Echa weist das zurück. Bei der Glyphosat-Task-Force heißt es dazu, der Bewertungsprozess der Echa biete verschiedene Möglichkeiten Arbeitsdokumente einzuspeisen, und zwar "in voller Transparenz". Dass Pestizid-Hersteller ihre Produkte gegenüber Zulassungs- und Prüfbehörden verteidigen, ist legitim. Sie haben viel Geld in deren Entwicklung gesteckt. Ein Verbot, etwa von Glyphosat, würde nicht nur für Monsanto, sondern auch für andere Produzenten herbe Umsatzeinbußen bedeuten.

Wie der US-Agrarkonzern versucht hat, Einfluss auf Behörden zu nehmen, darum geht es derzeit auch in einem Prozess vor einem Gericht in Kalifornien. In dem Verfahren klagen Krebspatienten, die Glyphosat für ihre Krankheit verantwortlich machen. Sie stützen sich dabei auf die Risikoeinschätzung von Krebsforschern (IARC) der Weltgesundheitsorganisation, die den Wirkstoff als möglicherweise krebserregend und erbgutverändernd einstufen. Ein Urteil, das im Gegensatz zu dem von Behörden in Europa, den USA oder Japan steht.

Kritisch hinterfragt wird in dem Verfahren unter anderem die Unabhängigkeit der US-Umweltbehörde EPA, die 2016 eine neue Bewertung von Glyphosat herausgab. Interner Email-Verkehr von Monsanto-Mitarbeitern zeigt, dass die im Vorfeld engen Kontakt zu dem hochrangigen EPA-Mitarbeiter hatten, der für die Analyse verantwortlich war. Dieser soll Monsanto auch Hilfe zugesagt haben, um eine Studie des US-Gesundheitsministeriums zu verhindern. In einer E-Mail wird er mit den Worten zitiert: "Wenn ich es schaffe, das zu killen, sollte ich eine Medaille bekommen." Die Untersuchung fand nie statt. Der EPA-Mitarbeiter ging wenige Monate später in den Ruhestand. Aus den Emails geht auch hervor, dass man sich diesen Umstand bei Monsanto zu Nutzen machen wollte.

Der Konzern weist den Vorwurf der Einflussnahme zurück. Die EPA äußerte sich zunächst nicht. Öffentlich geworden sind die Emails durch eine Anordnung des Richters in Kalifornien. Die Papiere geben erstmals Einblick in den Umgang von Monsanto mit Behörden und Wissenschaftlern.

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