Süddeutsche Zeitung

Glyphosat:Darum geht es im Streit um Glyphosat

  • Eigentlich sollte am Donnerstag über eine mögliche weitere Zulassung des umstrittenen Pestizids Glyphosat entschieden werden. Doch die Entscheidung ist vorest geplatzt.
  • Nun bleibt für eine Einigung nicht mehr viel Zeit. Denn im Juni läuft die Genehmigung für Glyphosat aus. Worum es in dem Streit geht: Fragen und Antworten.

Fragen und Antworten

Wird das umstrittene Pestizid Glyphosat erneut zugelassen oder nicht? Eigentlich sollte ein EU-Ausschuss am Donnerstag eine Entscheidung darüber treffen. Doch die ist nun vorerst verschoben worden. Die Neuzulassung ist damit erstmal geplatzt. Eine Mehrheit für ein positives Votum sei nicht in Sicht, hieß es aus Kreisen. Mehrere Länder hätten bei einer inoffiziellen Befragung eine Ablehnung oder Enthaltung signalisiert. Deshalb verzichtete die EU-Kommission auf eine offizielle Abstimmung.

Aber warum sind die Verhandlungen über eine Neuzulassung von Glyphosat so kompliziert? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was ist eigentlich Glyphosat?

Glyphosat ist das am häufigsten angewandte Pflanzenschutzmittel auf deutschen Äckern. Es wird bereits seit den Siebzigerjahren in der Landwirtschaft eingesetzt. Vertrieben wird es in erster Linie von dem amerikanischen Saatgut-Konzern Monsanto, der damit unter dem Namen Roundup im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,8 Milliarden Dollar erzielt hat, aber auch von anderen kleineren Herstellern. Rückstände von Glyphosat lassen sich in Tierfutter, Brot, Bier, Wein, Saft und auch im Urin von Menschen nachweisen.

Warum steht Glyphosat in der Kritik?

Unter Experten ist höchst umstritten, ob das Mittel gesundheitsschädlich ist. Die internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Mittel im März 2015 erstmals als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Andere Institutionen wie die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung kommen hingegen zu der Einschätzung, dass es bei bestimmungsgemäßer Anwendung nicht gesundheitsschädlich sei.

Erst am Pfingstmontag stufte nun ein Sondergremium der WHO und der Welternährungsorganisation FAO ein Krebsrisiko durch das Pestizid als "unwahrscheinlich" ein. Auch eine kürzlich erschienene Studie der Vereinten Nationen ergab, dass es unwahrscheinlich sei, dass es bei der Nahrungsaufnahme für Menschen ein Krebsrisiko gäbe.

Auch wenn es umstritten ist, ob Glyphosat ein konkretes Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellt: Die Gefahren für den weltweiten Artenschutz, der von dem breiten Einsatz des Pestizids ausgeht, ist unbestritten.

Warum streitet die Koalition über das Pestizid?

Die Stimme Deutschlands wird bei der Abstimmung über eine weitere Zulassung von Glyphosat als Zünglein an der Waage betrachtet. Um sich an der Abstimmung zu beteiligen, braucht es eine einheitliche Position der Regierung. Diese galt lange als sicher: Eigentlich war in der großen Koalition ein Kompromiss für eine gemeinsame Regierungslinie ausgehandelt worden: Deutschland hätte der Verlängerung mit Auflagen zugestimmt. Nun haben die Sozialdemokraten um Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel diesen Kompromiss jedoch in letzter Minute aufgekündigt - zum Ärger der Union, allen voran dem CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Die unklare Position Deutschlands hätte bei einer Abstimmung zu einer Enthaltung geführt. Und gerade wegen drohender Enthaltungen wurde die Entscheidung nun vertagt.

Woraus besteht Glyphosat?

Glyphosat setzt sich zusammen aus Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, ein bisschen Phosphor und Wasserstoff. Im richtigen Verhältnis zusammengemischt wird daraus die Chemikalie N-Phosphonomethylglycin, sprich: Glyphosat.

Wie wichtig ist Glyphosat für die Landwirtschaft?

Das Pflanzengift hat sich zu einem der wichtigsten Hilfsmittel der konventionellen Agrarindustrie entwickelt. Die Entscheidung Brüssels über die Zukunft von Glyphosat bedeutet deshalb auch eine Entscheidung über künftige Methoden der Landwirtschaft.

Falls die Zulassung des Pflanzenschutzmittels nicht verlängert würde, hätte das für viele Landwirte unmittelbare Folgen. Sie müssten einen höheren Aufwand für die Bodenbearbeitung betreiben. Auch der Energieverbrauch würde wohl steigen, weil Landwirte mehr Maschinen einsetzen müssten. Zudem wird befürchtet, dass bei einem Glyphosat-Verbot in Zukunft andere Pestizide in deutlich höheren Mengen auf die Äcker gesprüht würden, weil diese Mittel weniger effektiv sind als Glyphosat.

Wie geht es nun weiter?

Gelingt in den kommenden Wochen nicht noch eine Einigung, läuft die Genehmigung von Glyphosat im Juni aus. Für eine Übergangsfrist von einem halben Jahr darf der Stoff dann noch gekauft und weitere zwölf Monate genutzt werden. Dann müsste Glyphosat aus dem Verkehr gezogen werden. Die EU riskiert dann auch eine mögliche Klage von Monsanto, denen bei einer Nicht-Zulassung künftig Milliarden entgehen würden.

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