Glücksspielgesetz:Falsch getippt

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Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben zwei blaue Briefe aus Brüssel bekommen. Die EU ist mit den deutschen Plänen für ein staatliches Lotto- und Totomonopol und für ein Glücksspielverbot im Internet gar nicht einverstanden.

Klaus Ott

Einmal angenommen, der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff spielt ab und zu Lotto, und er hat dabei genauso viel Glück oder Pech wie in der Politik, und dort speziell mit einem neuen Lotteriegesetz. Dann bekäme er in diesen Tagen in seiner Annahmestelle die zuletzt abgegebenen Tippscheine mit den Worten zurück, "Sie haben die falschen Zahlen getippt." Wulff müsse deshalb aber nicht gleich aufgeben. "Versuchen Sie es doch in ein oder zwei Monaten wieder, vielleicht haben Sie dann mehr Erfolg."

Bedenken gegen Glücksspielgesetz: Falsch getippt (Foto: Foto: dpa)

Bislang nichts gewonnen - so ergeht es den Bundesländern derzeit mit ihrem geplanten Glücksspielmonopol bei der Europäischen Union (EU). Ein neues Gesetz soll her, das ausschließlich den staatlichen Lotteriegesellschaften erlaubt, den Bürgern mit Sportwetten, Toto, Zahlenlotto oder Bingo große Hoffnungen auf das große Los zu machen. Private Wettveranstalter wie Bwin wären dann vom nächsten Jahr an verboten. Wulff glaubt, der Gesetzentwurf der Länder werde nicht an der EU-Kommission in Brüssel scheitern, die das Vorhaben prüft. "Wir rechnen mit einem Gesprächsangebot der Kommission", sagte Wulff bei einem Treffen der Ministerpräsidenten in Berlin. Das Glücksspiel ist in Deutschland fast durchweg Sache der Länder, und dass soll nach deren Willen auch so bleiben.

Was jetzt aus Brüssel kam, waren freilich kein Angebote, sondern erhebliche Bedenken sowohl gegen das geplante Monopol wie auch gegen die Absicht der Länder, Zocken per Mausklick zu verbieten. Lotto, Toto, Sportwetten sowie Roulette, Black und andere Casinospiele sollen von Deutschland aus nicht mehr im Internet angeboten werden dürfen. Dort sei die Gefahr der Spielsucht besonders groß, sagen die Länder, die das Glücksspiel in Deutschland regeln und über ihre eigenen Lotteriegesellschaften und Casinos meist auch selbst veranstalten.

Ein Internetverbot sei übertrieben, glaubt hingegen die EU-Kommission. Deren Vizepräsident Günter Verheugen schrieb den Ländern, diese hätten in Brüssel keine Belege für die Gefahr der Spielsucht im Internet vorgelegt. Dass dort anonym gezockt werde, wie von den Ländern behauptet, stimme nicht. Die staatlichen Lottogesellschaften hätten bei ihren bisherigen Online-Angeboten von den Teilnehmern deren Namen, Adresse und Alter verlangt und mit Hilfe der Deutschen Post und der Schufa (die Finanzdaten von Verbrauchern sammelt) die Angaben und die Bonität geprüft. Die Länder haben nun einen Monat Zeit, auf die Einwände aus Brüssel zu reagieren. Verheugens Brief könnte dazu führen, dass die staatlichen Lottogesellschaften, die ihren Internetvertrieb bereits fast vollständig eingestellt haben, demnächst online wieder erreichbar wären.

Auch Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat einen blauen Brief geschickt. Er bremst die Länder bei ihrem Drang zum lukrativen Monopol, das den Finanzministern weiterhin vier bis fünf Milliarden Euro im Jahr an Steuern und Abgaben beim Glücksspiel bringen soll. "Wir rechnen mit keinerlei nennenswerten Schwierigkeiten in Brüssel mehr", hatte der rheinland-pfälzische Staatskanzleichef Martin Stadelmaier Mitte März frohgemut verkündet, um nun eines Besseren belehrt zu werden.

Die Kommission setzt ein Verfahren gegen die Bundesrepublik wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit in der EU fort. Binnen zwei Monaten müssen die Länder nun überzeugende Argumente für den Ausschluss privater Wettanbieter vorliegen, sonst gibt es kein Staatsmonopol. Auf 23 Seiten listet Binnenkommissar Charlie McCreevy auf, was ihm an der deutschen Glücksspielpolitik nicht passt. Sie sei widersprüchlich und inkonsequent. McGreevy stammt aus Irland, dort gehört Zocken zum Alltag. Er nimmt den Ministerpräsidenten nicht ab, dass es den Ländern nur darum gehe, die Spielsucht zu bekämpfen.

McCreevy rechnet im Detail vor, wie sehr die staatlichen Lottogesellschaften ihre Angebote in den vergangenen Jahren ausgeweitet haben. Hier neue Glücksspiele, dort neue Annahmestellen. Obwohl Casinos weit mehr zum Zocken verlockten als etwa Sportwetten, hätten die Länder ständig neue Spielbanken entweder selbst eröffnet oder zugelassen. Und der Bund habe zugelassen, dass in den privaten Spielhallen und den Gaststätten mehr Spielautomaten aufgestellt werden dürften. Auch das erhöhe das Suchtrisiko. McCreevy will nicht einsehen, dass weitaus ungefährlichere Sportwetten privater Anbieter verboten werden sollen.

Den Bundesländer gehe es gar nicht um den Schutz ihrer Bürger vor der Spielsucht, sondern vielmehr darum, Kasse zu machen, argwöhnt der EU-Kommissar. Dem Zocken seien in der Bundesrepublik nur 90.000 Leute verfallen, und das bei 20 Millionen regelmäßigen Lotto- und Totospielern.

Es gebe aber 13,8 Millionen Menschen mit Alkoholproblemen, zitiert McCreevy die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren. Nun müssen sich Wulff und seine Kollegen einiges einfallen lassen, um das geplante Monopol zu rechtfertigen. Derweil wollen einige Lottogesellschaften weiter expandieren. Der niedersächsische Lottochef Rolf Stypmann träumt gar von einem gemeinsam mit Kollegen aus anderen Staaten veranstalteten Eurolotto, das Jackpots von mehr als 100 Millionen Euro möglich machen soll. Da könnte dann auch Wulff per Tippschein sein Glück versuchen. Ein Staatsmonopol ließe sich aber so nicht begründen.

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