Glücksspiele:Das Ende der Dreistigkeit

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Geil, zwei Bagger: Sendungen wie „Goldrausch am Yukon“ auf dem TV-Kanal Dmax richten sich vor allem an Männer. Auf dem Sender liefen viele Werbespots für Casinospiele im Internet.

(Foto: Dmax)

Warum Werbung für illegale Glücksspiele aus Fernsehen und Radio verschwindet.

Von Philipp Eckstein, Jan Strozyk und Jan Willmroth, Frankfurt

Es ist dunkel im neuesten TV-Spot von onlinecasino.de, ein Mann ist zu sehen, wie er im Bus stehend Automatenspiele auf dem Handy spielt, der Schweiß tropft auf den Bildschirm. "Wer wirst du heute sein?", fragt eine weibliche Stimme: ein Glücksritter etwa? Oder eine Siegesgöttin? Man solle es herausfinden, auf der Webseite des Casinos, und gleich einen dreifachen Bonus für seine erste Einzahlung kassieren. Millionen Fernsehzuschauer hörten solche Aufforderungen zuletzt im Programm von Privatsendern. Die Werbepausen, etwa bei Dmax, waren voll mit Werbung für Casinospiele im Internet. Je später am Tag, desto mehr Glücksspielwerbung - größtenteils für illegale Angebote.

Seit einigen Tagen sind diese Spots verschwunden, nicht nur aus dem Programm von Dmax, auch bei ProSieben und bei privaten Radiosendern sieht und hört man keine Werbung mehr für Casino- und Automatenspiele im Netz. Grund dafür ist ein knapp gehaltener Hinweis in einem gemeinsamen Brief der Landesmedienanstalten, den für Privatsender zuständigen Aufsichtsbehörden. Man müsse den Adressaten darauf hinweisen, "dass Werbung für diese (...) nicht mehr erlaubten Glücksspielangebote im Fernsehen oder Hörfunk nach geltender Rechtslage nicht zulässig ist", heißt es in dem Schreiben, das SZ und NDR vorliegt und bundesweit an etwa 300 Fernsehsender und mehr als 200 private Radiosender versandt wurde. Die wenigen Zeilen haben anscheinend gewirkt.

Bis vor wenigen Wochen nutzten die Casinoanbieter eine Sonderregelung aus - und sie profitierten von der Trägheit der Behörden. Im Jahr 2011 hatte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung in Schleswig-Holstein einen Sonderweg eingeschlagen: Sie schrieb ein eigenes Glücksspielgesetz und erteilte mehreren Anbietern Lizenzen für Casinos und Sportwetten, die nur für das Bundesland galten. Nach einem Regierungswechsel trat das Land Anfang 2013 dem aktuellen Glücksspielstaatsvertrag bei. Je sechs Jahre lang galten die bereits erteilen Lizenzen weiter. Die letzte endete vor vier Wochen.

Bis zuletzt konnten sich einige wenige digitale Spielbuden damit auf eine deutsche Lizenz berufen, warben bundesweit in Radio und Fernsehen mit dem Landeswappen Schleswig-Holsteins für ihr Angebot, das eigentlich nur Nutzern im Norden hätte offenstehen dürfen. Online-Casinospiele sind in den vergangenen Jahren hierzulande zu einem Milliardenmarkt herangewachsen, kein Teilbereich des Glücksspielsektors wächst derzeit schneller. Das gesetzliche Verbot, inzwischen vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, existiert nur auf dem Papier. Nachdem SZ und NDR Anfang Februar darüber berichtet hatten, wie dreist Casinoanbieter auch ohne Lizenz weiter Werbung schalten und wie problemlos sich weiterhin online Geld verzocken lässt, schritten jetzt zumindest die Landesmedienanstalten ein. "Wir wollen im Fernsehen und im Hörfunk keine illegale Glücksspielwerbung mehr haben", sagt Wolfgang Bauchrowitz, Chefjustiziar der Medienanstalt Hamburg und Schleswig-Holstein.

Auch die Kieler Landesregierung hat offenbar reagiert. Denn ohne Lizenzen warben einige Anbieter noch mit dem Landeswappen und dem Hinweis, man sei offiziell lizenziert. Das galt auch für onlinecasino.de. Auf Nachfrage teilt die Staatskanzlei von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit, man habe die Genehmigungsinhaber aufgefordert, "in Schleswig-Holstein den Betrieb ihres Angebotes und die diesbezügliche Werbung einzustellen".

Die Bundesländer wollen am 21. März eine Reform der Glücksspielgesetze beschließen

Diese Aufforderung soll nach dem Wunsch der Kabinettsmitglieder in Kiel aber nicht lange gelten. In den derzeitigen Verhandlungen der Länder über eine Reform der Glücksspielregeln dringen sie darauf, die Ausnahmen verlängern und das Internetverbot weitere zwei Jahre ignorieren zu dürfen. So steht es in einem Beschluss der Staatskanzleichefs vom 21. Februar. Allerdings heißt es zu diesem Punkt nur: "Die Länder nehmen zur Kenntnis." Ob das Vorhaben überhaupt rechtlich machbar ist, daran gibt es erhebliche Zweifel. Aus Kiel heißt es, die Umsetzung dieses Beschlusses werde derzeit "geprüft".

Unstrittig sind bislang nur die künftigen Regeln für Sportwetten. Die Bundesländer haben sich auf einen Minimalkonsens geeinigt, mit dem künftig private Wettanbieter bundesweit reguliert werden sollen. Er sieht vor, dass alle Anbieter, die sich an die Mindeststandards für den Spielerschutz halten, von 1. Januar 2020 an eine Lizenz bekommen. Tipico, Bwin, Xtip und zahlreiche weitere Wettbewerber, die den bislang unregulierten Markt unter sich aufgeteilt haben, hätten dann erstmals ein legales Angebot. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag sollen die Ministerpräsidenten auf ihrer nächsten Konferenz am 21. März beschließen. Das reformierte Regelwerk soll von Juli an gelten.

Ob damit auch die illegalen Online-Casinos von den Webseiten der Sportwettanbieter verschwinden, ist noch offen. Zu diesem Punkt äußern sich die Anbieter in der Regel zurückhaltend. In der Werbung und als große Fußballsponsoren trommeln etwa Tipico und Bwin, die beiden Marktführer, zwar stets für ihre Wettangebote, die Casinos aber gehören zum Geschäftsmodell. Der Auftritt von onlinecasino.de ist da zumindest eindeutig - nur eben nicht mehr im Fernsehen.

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