Süddeutsche Zeitung

Glücksspiel:Rüge aus Brüssel

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Die Bundesländer haben eine Reform der Glücksspielgesetze beschlossen. Die EU-Kommission ist nicht begeistert. Der Vorschlag für Online-Kasinos sei "nicht tragfähig".

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Wenn sich die deutschen Ministerpräsidenten in knapp zwei Wochen in Berlin treffen, wollen sie ein lästiges Thema zumindest vorübergehend vom Tisch bekommen: Seit gut zwei Jahren sind die Glücksspielgesetze wieder auf den Agenden der Konferenzen der Länderchefs. Die Bundesländer sind weitgehend zuständig, wenn es darum geht, Lotterien, Sportwetten oder Kasinospiele zu regulieren - eine innenpolitische Dauerbaustelle, die mit jedem neuen Gerichtsurteil komplexer wird. Jetzt sieht es so aus, als müssten sich die Landesregierungen wieder einmal länger mit dem unliebsamen Thema auseinandersetzen, als sie es sich gewünscht hatten.

Die EU-Kommission bezeichnet die geplante Reform für Online-Kasinos als nicht tragfähig

Denn auch die geplante Reform der Regulierung fällt bei der EU-Kommission durch. Im Oktober hatten die Bundesländer eine Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags beschlossen und der Brüsseler Behörde zur Prüfung vorgelegt. Sie soll ab 2018 gelten. In einem vertraulichen Antwortschreiben lässt die Kommission keinen Zweifel daran, dass sie die Gesetzesnovelle für unzureichend hält. In Bezug auf die Sportwetten schreibt die Kommission in dem Brief von "eventuellen Widersprüchen", mit Blick auf illegale Online-Kasinos gar von "keiner tragfähigen Lösung".

Damit erneuern die Beamten ihre Kritik an den deutschen Glücksspielregeln. Weil diese aus Brüsseler Sicht gegen Europäisches Recht verstoßen, hat sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik vorbereitet. Bislang ist allerdings offen, ob und wann es eröffnet wird.

Für die meisten Glücksspiele gilt in Deutschland nach wie vor ein staatliches Monopol. Lediglich für Sportwettenanbieter sieht das Gesetz in seiner Fassung von 2012 Ausnahmen vor: Ursprünglich sollten 20 von ihnen auf sieben Jahre begrenzte Konzessionen erhalten und damit legal Wetten auf Fußballspiele oder Formel-Eins-Rennen anbieten dürfen. Gegen die willkürlich festgelegte Obergrenze klagten zahlreiche im Vergabeverfahren abgelehnte Anbieter erfolgreich. Im vergangenen Jahr entschied der Europäische Gerichtshof, die Vermittlung von Sportwetten in Deutschland dürfe nicht mehr sanktioniert werden. Wettanbieter wie Tipico, Bet-at-Home oder Bwin bewegen sich trotzdem in einer rechtlichen Grauzone: Von den ursprünglich von 2012 an vorgesehenen Erlaubnissen ist noch keine einzige erteilt - obwohl deutsche Spieler etwa sechs Milliarden Euro pro Jahr auf Sportereignisse verwetten und etwa 80 Anbieter in Deutschland Wettsteuern zahlen.

Mit der derzeit geplanten Reform sollen sämtliche Anbieter eine Erlaubnis beantragen können, wobei die 35 Wettfirmen aus dem ersten Vergabeverfahren eine vorläufige Konzession bekämen. Damit wollten die Länder das Sportwetten-Problem aus der Welt schaffen. Die EU-Kommission findet aber auch die neuen Regeln unfair, teilt sie mit: Neue Anbieter müssten bis zu einem Jahr warten, bis sie eine Konzession bekämen, und hätten dadurch Wettbewerbsnachteile zu befürchten, heißt es in dem Schreiben an die Bundesländer.

Noch deutlicher formuliert die Kommission ihre Kritik daran, wie die Länder mit dem Schwarzmarkt für Online-Kasinos umgehen, den vor allem ausländische Firmen mit Sitz in Steueroasen wie Malta oder der Isle of Man bedienen. Auch die meisten Wettfirmen bieten zugleich Kasinospiele auf ihren Webseiten an. Um dem Schwarzmarkt Herr zu werden, prüfen die Bundesländer die Einrichtung einer neuen länderübergreifenden Behörde, die illegales Glücksspiel im Internet überwachen soll. Versuche, Ein- und Auszahlungen bei Online-Kasinos zu unterbinden, sind bislang gescheitert. Eine andere Möglichkeit sieht auch das neue Gesetz nicht vor.

"Somit scheint es, dass die deutschen Behörden insbesondere für den beträchtlich wachsenden Online-Kasinomarkt (...) keine tragfähige Lösung bieten", schreiben die EU-Beamten - trotz der weit verbreiteten Bedenken "im Hinblick auf den unzureichenden Schutz von Spielern und Minderjährigen". Im Übrigen, halte die Kommission an ihren bisherigen Bemerkungen fest; sie bemängelt seit Jahren, der Staatsvertrag sei in Teilen EU-rechtswidrig. Auf die Ministerpräsidenten kommt also nicht nur mehr unliebsame Arbeit zu, sondern auch neue Klagen.

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Quelle:
SZ vom 06.03.2017
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