Süddeutsche Zeitung

Glücksspiel:Isle of Man, das Kasino Europas

Glücksspiel im Netz ist hierzulande verboten - boomt aber trotzdem. Wie eine winzige Insel in der Irischen See deutsche Ministerpräsidenten ärgert.

Von Björn Finke und Jan Willmroth

Das Internet riecht nach Gummi und Plastik, etwas modrig: Gary Hill öffnet im Rechenzentrum die schwere Eisentür zu einem Kellerraum. Drinnen kommen aus der Betonwand vier faustdicke schwarze Glasfaserkabel. Würde man ihrem Weg folgen, müsste man auf den Meeresgrund abtauchen, man käme irgendwann in England an, in Liverpool oder Manchester, oder in Belfast, Nordirland. "Wir stehen hier direkt auf dem Hauptstrang des Internets", sagt Hill, Technikchef von Pokerstars, dem weltweit größten Anbieter von Online-Poker. Das Rechenzentrum befindet sich auf der Isle of Man, einem Eiland in der Irischen See. Und diese Kabel sind der größte Schatz der grasig-grünen Insel.

Denn durch die Insel verlaufen die Seekabel zwischen Amerika und Europa. Schnellere Internetverbindungen als hier gibt es nicht. Niedrigere Steuern auch nicht. Die Isle of Man, ein britischer Kronbesitz mit autonomer Regierung, ist eine Steueroase: Die Steuern auf Unternehmensgewinne und Kapitalerträge betragen einfach zu merkende null Prozent. Für Konzerne wie Pokerstars sind das traumhafte Bedingungen.

Und es ist ein Traum für die Regierung. Die wirbt offensiv um Internet-Kasinos; 50 Online-Glücksspielfirmen haben sich schon auf dem Felsen in der See zwischen England und Nordirland angesiedelt. Sie steuern mehr als 17 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. In Deutschland steht das verarbeitende Gewerbe für 22 Prozent der Wirtschaftsleistung, also für nicht viel mehr. Wenn die Bundesrepublik die Fabrik Europas ist, dann ist die Isle of Man das Kasino des Kontinents.

Der Traum der Inselregierung ist zugleich der Albtraum deutscher Ministerpräsidenten. Der Boom auf See zeigt ihnen ihre Hilflosigkeit, und er kostet sie Geld. Denn in Deutschland haben offiziell die Bundesländer das Monopol auf die meisten Glücksspiele. Lotterien sind fest in staatlicher Hand und eine wichtige Einnahmequelle der Länder, die meisten Spielbanken - die deutsche Version klassischer Kasinos - gehören noch immer den Landesverwaltungen. Im Grunde fehlt jeder Euro, den Anbieter auf der Isle of Man von deutschen Spielern kassieren, in den Landeshaushalten.

Technisch ist es nahezu unmöglich zu unterbinden, dass Deutsche auf ausländischen Internetseiten um echtes Geld Poker und Roulette spielen, virtuelle einarmige Banditen füttern oder auf Fußballspiele wetten. Schlecht für Deutschland, angenehm für Unternehmen wie Pokerstars - und die Regierung der Isle of Man. Die will nach dem Erfolg mit den Online-Kasinos nun weitere Internet-Firmen auf die Insel locken. Etwa Anbieter von virtuellen Währungen wie Bitcoin. Im vergangenen Jahr erließ die Isle of Man als einer der ersten Staaten weltweit eine Regulierung für Bitcoin-Unternehmen. Auf dem Eiland, das ein Drittel kleiner als Rügen ist, kann man nun sein Bier im Pub oder seinen Espresso im Cafe mit der virtuellen Währung bezahlen.

Bleibt das Problem, wo die ganzen Online-Kasinos und hippen Internet-Start-ups Programmierer und andere Experten finden sollen auf einer Insel mit gerade mal 85000 Einwohnern. Aber auch da hat die Regierung eine Lösung parat. Kein Zweifel: Der Bedrohung aus der Irischen See werden deutsche Ministerpräsidenten nicht so bald Herr.

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