Süddeutsche Zeitung

Glücksspiel in den USA:Nichts geht mehr

Lesezeit: 3 min

Amerikas Kasinos stecken in der Krise. Die Umsätze sind in der Finanzkrise eingebrochen und haben sich seither kaum erholt. Unter den sinkenden Einnahmen leidet ausgerechnet eine ohnehin gebeutelte Gruppe: Indianer.

Von Nikolaus Piper, New York

Der französische Regisseur Louis Malle hat dieser Stadt ein Denkmal gesetzt: Es geht um Kokain, Sex und natürlich um Glücksspiel. In dem Film "Atlantic City" von 1980 mimt der alte Burt Lancaster den Ganoven, die junge Susan Sarandon eine Bardame aus einem Spielkasino. "Atlantic City - die Stadt wird für immer deine Vorstellung davon verändern, was es bedeutet zu gewinnen und zu verlieren", verspricht der Trailer.

Gewinnen und Verlieren waren auch schon immer das Thema des echten Atlantic City. Die Stadt am Südende der Küste New Jerseys war Sommerfrische für die Reichen New Yorks, sie wurde in der Prohibitionszeit von der Mafia übernommen, erlebte Niedergang und Wiederaufstieg und wurde im Oktober 2012 vom Hurrikan Sandy schwer getroffen.

Ende Juni machte Atlantic City wieder einmal Schlagzeilen: Das Revel, ein 2,4 Milliarden Dollar teures Hotel mit Spielkasino am berühmten Boardwalk, der Uferpromenade von Atlantic City, meldete Gläubigerschutz nach Kapitel elf des amerikanischen Konkursrechts an. Der Komplex mit 2400 Spielautomaten und mehr als 100 Spieltischen war erst vor zwei Jahren eröffnet worden und hat seither 260 Millionen Dollar verloren. Vor einem Jahr bereits hatten die Eigentümer, eine Gruppe von Hedgefonds, schon einmal Konkurs angemeldet. Jetzt könnte es das Ende sein. Wenn sich kein Käufer findet, wird das Revel am 18. August schließen. Im Februar 2013 hatte Donald Trump, der Immobilienkönig von New York, sein Trump Plaza für den Spottpreis von 20 Millionen Dollar verkaufen müssen.

Seit dem Rekordjahr 2006 sind die Umsätze um mehr als 40 Prozent eingebrochen

Atlantic City ist nur ein Beispiel. Amerikas Glücksspielbranche steckt in der Krise. Die Umsätze brachen in der Finanzkrise ein und erholten sich seither kaum. In dieser Woche senkte die Rating-Agentur Moody's den Kreditausblick für die Kasinobetreiber von "stabil" auf "negativ". Die Analysten schätzen, dass die Einnahmen der Kasinos in den kommenden zwölf bis 18 Monaten um 3,0 bis 5,0 Prozent zurückgehen, die Gewinne um 4,5 bis 7,5 Prozent.

"Die Tatsache, dass die regionalen Glücksspielumsätze - mit Ausnahme Nevadas - nicht mehr steigen, trotz besserer Wirtschaftslage und zusätzlicher Kasinos überall in den USA, ist ein starker Indikator dafür, dass die amerikanischen Verbraucher ihre Ausgaben auf Dinge beschränken, die wichtiger sind als Glücksspiele, auch wenn sich die Wirtschaft weiter erholt", sagte Keith Foley von Moody's. Im Staat New Jersey sind die Umsätze aus den Kasinos seit dem Rekordjahr 2006 um 41 Prozent eingebrochen. Viele Amerikaner haben Besseres zu tun, als ihr knappes Geld an einarmige Banditen, an Roulette- und Baccara-Tischen zu verlieren.

Die Krise der Kasinos betrifft nicht nur die mehr als 330 000 Beschäftigten der Branche, die Investoren und Kreditgeber. Die Entwicklung hat auch eine hochpolitische Dimension. Immer mehr Bundesstaaten haben in den vergangenen Jahren auf Spielkasinos als Mittel der Wirtschaftsentwicklung gesetzt. Kasinos bringen ausgabefreudige Touristen in notleidende Gegenden, die Abgaben verbessern die Staatshaushalte, sodass Gouverneure und Landesparlamente auf unpopuläre Steuererhöhungen verzichten können.

New Jerseys republikanischer Gouverneur Chris Christie investierte mehrere Hundert Millionen Dollar, um die Glücksspielbranche in dem von Strukturproblemen geplagten Staat neu aufzubauen. Im benachbarten New York ließ der demokratische Gouverneur Mario Cuomo am 5. November vorigen Jahres die Bürger darüber abstimmen, ob sie das Verbot des Glücksspiels in dem Bundesstaat abschaffen wollen. Die Bürger sagten "Ja", und jetzt bewerben sich 22 Investoren um vier Kasino-Lizenzen.

Ein Kasino soll zum Beispiel in den Catskill Mountains entstehen, einem berühmten, aber heruntergekommenen Feriengebiet zweieinhalb Autostunden nördlich von Manhattan. Wie auch immer die Lizenzen schließlich vergeben werden, ein Ergebnis der Entscheidung New Yorks ist vorhersehbar: Der Wettbewerb um die schrumpfenden Umsätze der Glücksspielbranche wird zunehmen.

Das hat unmittelbare Konsequenzen für eine besondere Bevölkerungsgruppe: Amerikas Indianer. Für viele Stämme sind Kasinos seit Jahren die wichtigsten Einnahmequellen, der Wohlstand hat sich durch Glücksspiele deutlich verbessert. Die Indianer nutzen den besonderen Status ihrer Reservate - einerseits souveräne Gebiete, andererseits integraler Bestandteil der Vereinigten Staaten -, um Kasinos auch in den Bundesstaaten zu betreiben, in denen Glücksspiel normalerweise verboten ist. In New York gab es vor der Abstimmung im vorigen November bereits fünf Indianer-Kasinos, alle liegen im wirtschaftlich schwachen Westen und Norden des Bundesstaates. Sie müssen sich nun einen auf heftigen Verdrängungswettbewerb einstellen.

Das Geld floss direkt in die Taschen der Stammesmitglieder, die es klug investierten

Im benachbarten Connecticut sind zwei der größten und profitabelsten Indianer-Kasinos Amerikas betroffen: das Foxwood, betrieben vom Stamm der Pequot, und die Mohegan Sun, betrieben von den Mohegan. In beiden gehen bereits jetzt die Umsätze zurück - im April waren es elf und vier Prozent weniger als zur gleichen Zeit des Vorjahres. Auf Long Island steht das Kasino-Projekt der Shinnecock, einem kleinen Stamm mit einem winzigen Reservat, kurz vor dem Scheitern.

Landesweit ist die Bedeutung der Indianer-Kasinos kaum zu überschätzen. Im Jahr 2009 betrieben 237 Stämme in 28 Bundesstaaten Glücksspiel. Die Einnahmen flossen zum Teil direkt in die Taschen der Stammesmitglieder, vor allem aber investierten die Stammesregierungen in Ausbildung, Gesundheitsvorsorge und Infrastruktur. Es steht also viel auf dem Spiel, wenn der Verdrängungswettbewerb härter wird.

Ein Ort blieb unterdessen von der Krise völlig unberührt: Las Vegas. Die Stadt - sie gilt seit der Weltwirtschaftskrise weltweit als Inbegriff des Glücksspiels - steigerte ihre Kasino-Umsätze im April laut Moody's um 3,2 Prozent auf 469 Millionen Dollar. Das Original ist offenbar auch in der Krise nicht zu schlagen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2031025
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.07.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.