Globale Krisen und deutsche Wirtschaft:Von wegen Rezession

GfK zu Konsumklima

Die Lage ist besser als die Stimmung in Deutschland - von Rezession keine Spur.

(Foto: dpa)

Trommelfeuer schlechter Nachrichten: Nach dem Rückgang des BIP prognostizieren Mahner schon die nächste Krise in Deutschland. Dabei ist von einer Rezession weit und breit nichts zu sehen.

Von Claus Hulverscheidt

Rein technisch gesehen ist die Sache einfach: Produziert eine Volkswirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Vierteljahren weniger als im jeweiligen Vorquartal, dann ist sie da, die Rezession. Und mit ihr kommt die Schar der Oppositionspolitiker, Ökonomen und Medienschaffenden, die es schon immer gewusst haben und sich mit wohligem Schauer in Weltuntergangsszenarien ergehen. Nach dem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal dieses Jahres ist Deutschland nur noch ein einziges kleines Minuszeichen von einem solchen Weltuntergang entfernt. Um nicht zu spät zu kommen, haben sich die ersten Mahner deshalb schon gemeldet.

Das Dumme ist nur: Von einer Rezession ist weit und breit nichts zu sehen. Deutschland geht es gut, die Wirtschaft floriert, die Rahmendaten stimmen: sprudelnde Unternehmensgewinne, eine niedrige Inflation, unverändert hohe Auftragseingänge, historisch geringe Finanzierungskosten. Vor allem aber: ein stabiler Arbeitsmarkt, der die Konsumlaune der Bürger stetig befeuert und dem Land damit etwas beschert, was viele Fachleute im In- und Ausland lange Zeit gar nicht mehr für möglich gehalten hatten - einen von der Binnennachfrage und nicht allein vom Export getragenen Aufschwung.

Angesichts so stabiler Pfeiler spricht wenig dafür, dass die insgesamt gute Entwicklung im Herbst plötzlich abreißt. Daran ändert auch der BIP-Rückgang im zweiten Quartal nichts, der bei näherer Betrachtung eher als Ausrutscher und Reaktion auf das bärenstarke erste Vierteljahr denn als Vorbote einer grundlegenden konjunkturellen Trendwende erscheint.

Und doch bedeutet das nicht, dass alles in Butter wäre, denn in weiten Teilen der Welt läuft die Wirtschaft längst nicht so rund wie hierzulande. Viele Staaten der Euro-Zone, allen voran die Schwergewichte Frankreich und Italien, erholen sich nur schleppend von der Euro-Krise. In wichtigen Schwellenländern wie Brasilien und Russland ist die Wirtschaft eingebrochen, selbst der chinesische Brummkreisel schlingert ein wenig. Sollte sich im nächsten Jahr auch die Lage in den USA zyklisch bedingt eintrüben, könnte sich irgendwann auch Deutschland trotz seiner Binnennachfrage nicht mehr von diesem Trend abkoppeln.

Trommelfeuer aus schlechten Nachrichten

Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Entwicklung außer von Bestellungen und Zinssätzen bekanntlich auch von Stimmungen und Befindlichkeiten geprägt wird. Hier spielen die Krisen, Kriege und Konflikte, die seit Monaten die Nachrichten dominieren, eine unselige Rolle - von Syrien über den Irak und Gaza bis zur Ukraine. Selbst wenn das eigene Geschäft de facto kaum tangiert ist: Ein solches Trommelfeuer an schlechten Nachrichten lässt auch hartgesottene Manager an Investitionsplänen zweifeln.

Abzulesen ist das am Ifo-Geschäftsklimaindex, der schon viermal in Folge gesunken ist. Allerdings: Im langjährigen Vergleich liegt das Stimmungsbarometer immer noch auf hohem Niveau. Außerdem vergessen viele Konjunkturmathematiker gerne, dass ein Wachstumseinbruch keine Naturkatastrophe ist, der die Politik ohnmächtig zuschauen muss. Sollte es nicht nur zu einer technischen, sondern zu einer echten Rezession kommen, könnte die Bundesregierung etwa ein - ohnehin notwendiges - großes Programm zur Sanierung von Straßen, Brücken und Schulen auflegen. Oder eine neue Abwrackprämie, diesmal zum Beispiel für Kühl- und Gefrierschränke.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat ungeachtet des Rekordtiefs bei den Leitzinsen noch Pfeile im Köcher, derer sie sich im Zweifelsfall bedienen sollte. Zwar birgt die ultralockere Geldpolitik der EZB Risiken, und nicht jeder Beschluss der Notenbanker in den letzten Jahren war richtig. Dennoch sollten die vielen Kritiker ihr Gekeife einmal für einen kurzen Moment unterbrechen und sich vergegenwärtigen, was passiert wäre, wenn Mario Draghi und seine Mitstreiter nicht so gehandelt hätten, wie sie gehandelt haben. Es wäre ein gruseliger Blick in den dunklen Abgrund der Rezession, ja der Depression, der sich den Herren Lucke, Gauweiler, Schäffler und Co. böte.

Dem gemeinen Bundesbürger wird ein solcher Blick wohl erspart bleiben, denn die Lage in Deutschland ist besser als die Stimmung. Ein echter wirtschaftlicher Absturz ist nicht in Sicht, allerdings auch kein schnurgerader Aufschwung. Wahrscheinlicher ist ein Szenario, das Ökonomen als "Wellblechkonjunktur" bezeichnen - ein Auf und Ab von Quartal zu Quartal. Die Frage ist, ob ein solches Auf und Ab hierzulande ausreicht, um ganz Europa aus dem Sumpf zu ziehen. Die Antwort hängt davon ab, wie hoch über dem Boden das Wellblechdach thronen wird.

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