Süddeutsche Zeitung

Global Wealth Report:Reicher, immer reicher

  • Der Global Wealth Report der Allianz-Versicherung zeigt, wie sich die Vermögen weltweit im vergangenen Jahr entwickelt haben.
  • Die Globalisierung hilft vor allem der Mittelschicht in Schwellenländern, besonders stark wachsen die Vermögen in China.
  • Die Deutschen dagegen profitierten im internationalen Vergleich weniger vom aktuellen Boom.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Der erfolgreichste wirtschaftliche Aufstieg in der Geschichte der Menschheit hält nun schon 40 Jahre an, und sein Ende ist nicht in Sicht. Vor vier Jahrzehnten begann die Führung der Kommunistischen Partei Chinas damit, das Land für ausländische Investitionen zu öffnen, und schuf so das Fundament für eine Entwicklung, die Hunderte Millionen Chinesen aus der Armut katapultierte und ungezählte Mittellose zu Dollar-Millionären machte. In wenigen Ländern der Erde werden Erfolg, Reichtum und Luxus heute so zelebriert wie in der Volksrepublik. Kein Land hat so viel zur Entstehung einer globalen Mittelschicht beigetragen wie China, nirgendwo haben die Menschen so sehr von der Globalisierung profitiert.

Die Geschichte dieses Aufstiegs lässt sich ablesen an der Verteilung der privaten Vermögen in der Welt, die sich immer weiter zugunsten Asiens und insbesondere Chinas verschiebt. Jedes Jahr wachsen die Vermögen der Chinesen mit zweistelligen Raten; der Trend, wenngleich sich das Wachstum abgeschwächt hat, ist ungebrochen. Im vergangenen Jahr stiegen die Vermögen in China um 14 Prozent, nach 18,3 Prozent im Vorjahr noch immer der globale Spitzenwert.

Weltweit waren die Menschen noch nie so reich wie Ende des vergangenen Jahres: Das synchrone Wirtschaftswachstum in den Industrie- und Schwellenländern und der nicht enden wollende Boom an den Weltbörsen ließen die Vermögen um mehr als sieben Prozent auf 168 Billionen Euro steigen. Das geht aus dem "Global Wealth Report" hervor, den die Volkswirte der Allianz-Versicherung am Mittwoch veröffentlicht haben.

Solche Erhebungen sind nie in letzter Konsequenz präzise, geben aber einen guten Überblick über die Entwicklung des Reichtums und vor allem über dessen Verteilung in der Welt. Die Allianz berechnet für 53 Länder Bargeld, Bankeinlagen und Wertpapiere sowie Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionsfonds, nicht jedoch Immobilien, weil Daten dazu international zu schlecht vergleichbar sind.

Daraus ergibt sich seit Jahren das Bild einer Welt, in der vor allem die Mittelschicht in den Schwellenländern von der Globalisierung profitiert hat. Dem sozialen Aufstieg von mehr als 500 Millionen Chinesen stehen dagegen stagnierende Einkommen und Vermögen in vielen Industrieländern gegenüber. Die Diskrepanz zwischen einer abnehmenden globalen Ungleichheit und weiter auseinanderdriftenden Vermögen innerhalb einzelner Staaten, wie Ökonomen sie seit Jahren dokumentieren, wird damit erneut bestätigt.

In den USA ist die Vermögensverteilung aus dem Gleichgewicht geraten

In vielen Fällen entspreche also die Wahrnehmung, dass in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die etablierten Industrieländer unter einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich leiden, durchaus der Realität, schreiben die Allianz-Analysten. Es sei kein Wunder, dass die Globalisierung in diesen Ländern weitaus kritischer gesehen werde als in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Diese Spaltung ist auch ein wichtiger Grund für den Aufstieg nationalistischer Kräfte dies- und jenseits des Atlantiks.

"In vielen Ländern hat sich die Vermögensverteilung seit der Jahrtausendwende verschlechtert", befinden die Allianz-Autoren. Dazu gehörten nicht zuletzt zahlreiche Industrieländer, darunter Japan, Deutschland und die Euro-Krisen-Länder. Das beste Anschauungsmaterial aber liefern die USA, wo die Vermögensverteilung so drastisch aus dem Gleichgewicht geraten ist wie in keinem anderen Industrieland. Zwar ist das durchschnittliche Vermögen dort zuletzt auf einen neuen Höchststand gestiegen: Mit umgerechnet fast 170 000 Euro pro Kopf sind die USA nach der Schweiz das zweitreichste Land der Erde. Das mittleren Vermögen aber, jener Wert, bei dem die eine Hälfte der Bevölkerung mehr, die andere weniger hat, lag nur bei knapp 25 000 Euro. Voriges Jahr entfielen 44 Prozent des globalen Vermögenswachstums auf die USA - aber nur ein Bruchteil der Bevölkerung hat davon profitiert.

Auch Deutschland gehört zu den Ländern mit einer stark verzerrten Vermögensverteilung, was sich zwar nach Allianz-Daten seit der Finanzkrise nicht wesentlich verschlimmert, aber auch nicht verbessert hat. Das Brutto-Geldvermögen - also das Vermögen ohne Abzug der privaten Schulden - sei 2017 mit 5,1 Prozent gewachsen und damit so stark wie seit der Krise nicht mehr, heißt es. Dabei wagten die deutschen Sparer erstmals seit Jahren wieder mehr: Statt ihr Geld zur Bank zu bringen, kauften sie vermehrt Wertpapiere.

Im internationalen Vergleich haben die Deutschen dagegen recht wenig vom Vermögenszuwachs der vergangenen Jahre profitiert. Der kam vor allem Anlegern zugute, die auf Wertpapiere setzen - also jenen, die meist schon vermögend waren - und weniger den risikoscheuen Sparern hierzulande.

Unter Verweis auf Daten für 2018 deutet die Allianz nun das Ende der profitablen Post-Krisen-Ära an. Steigende Zinsen, eskalierende Handelskonflikte und neue Probleme in den Schwellenländern würden absehbar das Wachstum der Geldvermögen bremsen. Unabhängig davon bleibt eines gewiss: Der Anteil Ostasiens und insbesondere Chinas an den Vermögen der Welt wird weiter steigen.

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SZ vom 27.09.2018/vd
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