Global Summit of Women:Die weibliche Perspektive

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Irene Natividad, Präsidentin des Global Summit of Women, macht sich für die Frauen stark. (Foto: Leszek Szymanski/dpa)

Drei Tage, 1000 Managerinnen und Politikerinnen: In Basel traf sich das "Davos der Frauen".

Von Isabel Pfaff, Basel

Im Konferenzraum "Sydney" geht es ans Eingemachte. "Als einzige Frau im Aufsichtsrat geht ihr den anderen tierisch auf die Nerven!", sagt Mai Chen. Und die Aufsichtsrätin der Bank of New Zealand sagt nicht höflich "you annoy people". Nein, sie sagt: "You piss them off". Anderthalb Stunden lang reden Mai Chen und vier weitere Frauen, die in Aufsichtsräten und Geschäftsleitungen sitzen, schönsten Klartext darüber, wie es sich anfühlt, an der Unternehmensspitze zu stehen, oft als die einzige Frau. Wie sie entmutigt und wie schlecht sie behandelt wurden. Und was dagegen hilft: "Als ich Leute für unsere Geschäftsleitung suchte", erzählt Ann Sherry, die schon mehrere australische Firmen geleitet hat, "präsentierten mir die Headhunter immer wieder Listen voller Männer. Da habe ich ihnen gesagt: Verpisst euch, ich bezahle euch nicht." Andernfalls werde sich nie etwas ändern, meint Sherry.

Basel, Ende vergangener Woche. Um die 1000 Frauen aus rund 70 Ländern haben sich im Kongresszentrum der Stadt zum "Global Summit of Women" versammelt, einem Wirtschaftsgipfel, der dieses Jahr zum ersten Mal in der Schweiz stattfindet. Bankerinnen, Börsen-Chefinnen, Unternehmerinnen, Politikerinnen und Aktivistinnen sind der Einladung von Irene Natividad gefolgt, einer US-Amerikanerin mit philippinischen Wurzeln, die den Gipfel nun zum 26. Mal ausrichtet. "Davos der Frauen" ist der inoffizielle Name des Treffens. Und während die Frauenquote beim echten Weltwirtschaftsforum gerade mal 22 Prozent beträgt (den Veranstaltern zufolge nahmen 2019 mehr Frauen als je zuvor teil), kann man die männlichen Teilnehmer beim Gipfel in Basel ungefähr an vier Händen abzählen. Frauen sollen hier netzwerken und Geschäftsbeziehungen knüpfen können, so der Plan von Gründerin Natividad, ohne wie üblich am Rand solcher Veranstaltungen zu stehen. Und: "Global" soll nicht nur ein Etikett sein, Irene Natividad will ein echt internationales Forum.

Tatsächlich ist der Gipfel in Basel doppelt divers: Große Delegationen aus Vietnam, Thailand, Kasachstan und Mexiko sind angereist; unter den Teilnehmerinnen sind vier Ministerinnen und eine Regierungschefin aus Afrika, drei Ministerinnen aus asiatischen Ländern - und nur ein Regierungsmitglied aus der EU. Die Konferenzsprache ist Englisch, aber die Teilnehmerinnen können sich die Debatten live auf Französisch, Deutsch, Chinesisch, Vietnamesisch, Russisch und Koreanisch übersetzen lassen.

Es geht in Basel zwar auch um allgemeine Wirtschaftstrends wie künstliche Intelligenz, Blockchain oder die Umwälzungen durch soziale Medien. Im Vordergrund stehen aber eindeutig frauenspezifische Fragen: ihre Rolle in Spitzenunternehmen, Frauen als Investorinnen, faire Bezahlung, Familienfreundlichkeit oder Quoten. Die Gipfelorganisatorinnen legen dabei auffallend viel Wert auf die praktische Anwendung: In einer Session werden effektive Präsentationstechniken vorgestellt, in einer anderen erfolgreiche Strategien bei der Gehaltsverhandlung. Wer will, erhält Tipps für die Finanzplanung oder bekommt neue Marketingtools erklärt.

Ein Ansatz, den viele Teilnehmerinnen schätzen und aufnehmen. Aus dem Publikum kommen häufig praktische Fragen oder Anregungen. Man solle eher von Zielgrößen als von Quoten reden, rät eine Headhunterin aus den USA, das klinge mehr nach Belohnung und weniger nach Zwang. Eine Namibierin, die für ein Staatsunternehmen arbeitet, erzählt Schritt für Schritt, wie sie eine 50-Prozent-Quote in der Geschäftsleitung durchgesetzt hat. "Es ist möglich", ermuntert sie die anderen Frauen im Publikum. Und als Mai Chen und die anderen Aufsichtsrätinnen von ihren Erfahrungen berichten, meldet sich irgendwann eine US-Unternehmerin und fragt, wie sie sich eigentlich ins Gespräch bringen könne für einen Aufsichtsratsposten. Die Chefinnen geben Tipps.

Doch es gibt in den drei Tagen in Basel auch Momente, in denen der Gipfel über sich hinauswächst und plötzlich mehr ist als ein Netzwerktreffen für Wirtschaftsfrauen, für das sich in aller Regel nur Wirtschaftsfrauen interessieren. Etwa wenn es um die Fehler geht, die künstlich intelligente Systeme produzieren, weil sie weibliche Perspektiven vernachlässigen. Oder um die Schieflage, die in der medizinischen Forschung durch den alleinigen Fokus auf Männer entstanden ist. Wenn Studien zitiert werden, die belegen, dass diverse Teams wirtschaftlich erfolgreicher sind. Oder wenn Untersuchungen zeigen, dass es vor allem Frauen sind, die Kaufentscheidungen treffen - sie aber seltener als Zielgruppe wahrgenommen werden. Dann nämlich wird deutlich, dass Frauendiskriminierung nicht nur ein moralisches Problem ist, sondern auch fatale wirtschaftliche und soziale Konsequenzen haben kann.

Trotz der beeindruckend diversen Herkunft seiner Teilnehmerinnen tappt der "Global Summit of Women" aber doch in eine ähnliche Falle wie das Vorbild in Davos: Auch in Basel sitzen auf den Podien und Panels vor allem Frauen und Männer aus westlichen Ländern. Perspektiven aus Entwicklungsländern und ihre oft prekäre wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage, sie sind am Ende auch auf dem weiblichen Davos unterrepräsentiert.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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