Familienunternehmen:Gefährlich männlich

Familienunternehmen: Immer noch sehr selten: Simone Bagel-Trah ist als Aufsichtsratschefin von Henkel ganz oben in einem Familienunternehmen.

Immer noch sehr selten: Simone Bagel-Trah ist als Aufsichtsratschefin von Henkel ganz oben in einem Familienunternehmen.

(Foto: Malte Ossowski/imago images/Sven Simon)

In den Chefetagen deutscher Familienunternehmen sind Frauen die große Ausnahme, wie eine neue Studie belegt. Dabei könnten sich die Firmen mit der Gleichförmigkeit selbst schaden: Sie lassen sich Talente entgehen.

Von Elisabeth Dostert

Deutsche Familienunternehmen stellen sich gerne als Orte der Vielfalt dar. Viele haben die Charta der Vielfalt unterzeichnet. In Vorständen, Geschäftsführungen und Kontrollgremium geht es allerdings, zumindest wenn es um Frauen geht, ziemlich einförmig zu. Zu diesem Ergebnis kommt die Allbright-Stiftung in einer Studie. "Stillstand", so lautet deren Ergebnis in einem Wort: "Familienunternehmen holen keine Frauen in die Führung." Vor zwei Jahren führte Allbright die Analyse zum ersten Mal durch. "Wir waren richtig erschrocken, dass sich gar nichts gebessert hat", sagt Wiebke Ankersen, Mitautorin der Studie und Geschäftsführerin der Stiftung: "Wir hatten nicht erwartet, dass sich gar nichts bewegt."

Sie will das nicht allein Corona zuschreiben. Gleichwohl hatte die Stiftung im ersten Pandemie-Jahr beobachtet, dass in den Dax-Vorständen der Frauenanteil sogar sank. "Frauen werden wohl immer noch als die riskantere Besetzung" erlebt, sagt Ankersen.

In den Dax-Konzernen sei die "Krisendelle" allerdings schnell ausgebügelt worden. In den Familienunternehmen scheine sich diese Haltung dagegen länger zu halten. Das öffentliche Bewusstsein für Diversität und Chancengleichheit für Frauen wachse, die deutsche Gesellschaft sei längst vielfältig - nur komme im Management der Familienunternehmen nichts davon an, heißt es in der Studie.

"Die Firmen lassen sich Talente entgehen"

Die Gesellschafter unterschätzten, wie wichtig es sei, Frauen zu fördern. Gleichberechtigung und Diversität tun sie allzu oft als Zeitgeist-Erscheinung ab. "Das ist gefährlich", sagt Ankersen am Telefon: "Die Firmen lassen sich Talente entgehen. Die wirklich guten Frauen gehen dahin, wo sie Aufstiegschancen sehen." Wo in der Führung keine Frau vorhanden sei, werde es schwierig, Frauen für das Unternehmen zu begeistern. "Es ist höchste Zeit, Frauen intern zu fördern, um auch nach außen zu signalisieren, dass man ein attraktiver Arbeitgeber für Frauen ist," so Ankersen. Frauen in der Führung seien ein guter Indikator für die Veränderungsfähigkeit einer Firma. "Das ist heute überlebensnotwendig."

Für ihre Studie hat sich die Stiftung die Führungsgremien der 100 größten deutschen Familienunternehmen angesehen. Basis für die Auswahl ist ein im Juli 2021 von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichtes Ranking. Anfang März 2022 arbeiteten demnach in den Vorständen und Geschäftsführungen der 100 größten Familienunternehmen 408 Männer und 37 Frauen, das entspreche einem Anteil von 8,3 Prozent. Gut zwei Drittel dieser Unternehmen haben überhaupt keine Frau in der Geschäftsführung. Darunter finden sich Marken wie Deichmann, Haribo oder Vorwerk.

Familienunternehmen: Als Käuferinnen sind Frauen bei Lidl willkommen. In der Führung der Konzernmutter Schwarz-Gruppe sind sie aber nicht vertreten.

Als Käuferinnen sind Frauen bei Lidl willkommen. In der Führung der Konzernmutter Schwarz-Gruppe sind sie aber nicht vertreten.

(Foto: Catharina Hess)

Je höher die Transparenz und der Einfluss externer Akteure, so die Studie, desto höher sei auch der Frauenanteil. 19 der 100 größten Familienunternehmen sind in Dax, M-Dax oder S-Dax gelistet, es sind Konzerne wie BMW oder Henkel. Dort sei der Frauenanteil mit im Schnitt 16,4 Prozent deutlich höher. Er liegt der Studie zufolge damit auch über dem Durchschnitt aller 160 in diesen Indizes notierten Konzerne mit einem Frauenanteil von im Schnitt 14,3 Prozent.

Am schlechtesten schneiden in der Untersuchung mit 4,8 Prozent die 70 Unternehmen ab, die sich komplett in Familienhand befinden. Während die Börsennotierten in den vergangenen zwei Jahren begonnen hätten, für den Vorstand "systematisch Frauen zu rekrutieren", habe sich in den Geschäftsführungen der reinen Familienunternehmen "so gut wie nichts geändert", heißt es. Sie wählten fast ausschließlich Männer.

Selbst in Familienunternehmen mit sechs oder mehr Geschäftsführern gibt es immer noch solche, ohne Frau im obersten Management. Auch dem obersten Führungsteam der Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören, sitzt keine Frau - oder besser gesagt keine Frau mehr. Der Konzern trennte sich im Sommer 2021 von Melanie Köhler und Annabel Ehm. Dabei rühmt sich die Gruppe auf ihrer Internetseite für ihr "Engagement für Gleichberechtigung".

Familienunternehmen: Nicola Leibinger-Kammüller ist Chefin der Trumpf-Gruppe. Auch sie ist damit eine Ausnahme.

Nicola Leibinger-Kammüller ist Chefin der Trumpf-Gruppe. Auch sie ist damit eine Ausnahme.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Bei der Besetzung von Führungspositionen in Familienunternehmen spielten "persönliche, teils sehr exklusive Netzwerke, in denen kaum Frauen vorkommen, eine wichtige Rolle, ebenso wie eine tradierte immer gleiche Rekrutierungsschablone". Führungspersonen rekrutieren Menschen, die ihnen "sehr ähnlich sind", sagt Ankersen: "Westdeutsche männliche Wirtschaftswissenschaftler Mitte 50 stellen eher westdeutsche männliche Wirtschaftswissenschaftler ein, die nur vielleicht etwas jünger sind."

Wo Frauen aus den Familien mitbestimmen, gebe es auch häufiger Frauen in der Geschäftsführung. In 40 von 100 Kontrollgremien der Familienunternehmen, Stand Anfang März, seien Frauen aus der Familie vertreten. Allerdings sind nur drei Frauen auch Vorsitzende des Aufsichtsrats oder Beirats: Simone Bagel-Trah bei Henkel, Bettina Würth bei Würth und Cathrina Claas-Mühlhäuser bei Claas. 21 Kontrollgremien werden von Männern aus der Familie geführt. Operativ stehen an der Spitze der Geschäftsführung der größten Familienunternehmen 27 Männer und zwei Frauen aus der Familie: Anna Maria Braun bei B. Braun Melsungen und Nicola Leibinger-Kammüller bei Trumpf.

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