Süddeutsche Zeitung

Gleichberechtigung:Es geht voran

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Die Zahl der weiblichen Konzernvorstände wächst, wenn auch langsam. Für den Standort Deutschland könnte das zum Problem werden. Zwischen den verschiedenen Branchen gibt es allerdings erhebliche Unterschiede.

Von Larissa Holzki, München

Vorständin, die. Es klingt noch immer komisch, aber man wird sich daran gewöhnen. Es gibt nämlich immer mehr Vorständinnen. Eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) bestätigt das für die 160 deutschen Aktienkonzerne, die im Dax, M-Dax und S-Dax notiert sind (Stichtag 1. Januar 2019). In jedem dritten dieser Unternehmen ist mittlerweile mindestens eine Frau im Vorstand. Allerdings haben nur fünf Prozent der untersuchten Unternehmen mindestens zwei Frauen in ihren Vorstand bestellt. Der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder ist insgesamt also noch immer gering. Er liegt jetzt bei 8,6 Prozent, vor fünf Jahren waren es 5,1 Prozent. Für den Standort Deutschland könnte das zum Problem werden, sagt die EY-Partnerin Ulrike Hasbargen. "Es mag zunächst etwas anstrengender sein, in gemischten Teams zu arbeiten - aber die Reibung, die hier entsteht, die Diskussionen und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Sichtweisen führen eben auch oft zu neuen Lösungen und zu mehr Innovationskraft."

Auffällig ist, dass der Frauenanteil in Vorständen vor allem in den größten deutschen Aktienkonzernen wächst. Mehr als drei Viertel der Dax-Konzerne haben mindestens eine Vorständin. Insgesamt sind fast 15 Prozent der Vorstandsmitglieder bei diesen Unternehmen weiblich - dreimal so viele wie in den kleineren S-Dax-Unternehmen.

Unterschiede gibt es auch zwischen den Branchen. In der Telekombranche liegt der Frauenanteil in den Vorständen bei insgesamt 16 Prozent, in der Finanzbranche bei 13 Prozent. In den Sektoren Energie, IT und Rohstoffe sind es dagegen nur sechs, im Handel sogar nur drei Prozent.

Unverändert gering bleibt in den Unternehmen die Anzahl der weiblichen Vorstandsvorsitzenden. Nur vier der 160 untersuchten Konzerne werden von einer Vorstandschefin geleitet.

Anders als für Aufsichtsräte gelten für die Vorstände von börsennotierten Unternehmen keine gesetzlichen Geschlechterquoten. Solche Regelungen stehen immer wieder in der Diskussion. Kritiker behaupten, diese würden dazu führen, dass einzelne Frauen nur aufgrund ihres Geschlechts in Führungsgremien berufen und dort mit Scheinfunktionen betraut werden. Das Ergebnis der EY-Studie zeigt: Ein Drittel der Vorständinnen sind für operative Bereiche zuständig - etwa für die Produktion oder Logistik, ein Viertel verantwortet das Personal, gut ein Fünftel die Finanzen. Von Alibi-Vorständinnen, die die Unternehmen vor weiteren Frauendebatten schützen sollen, kann wohl keine Rede sein.

Einen nur sehr langsamen Trend in Richtung Gleichstellung beobachtet das Statistische Bundesamt mit Blick auf die Familien. Bei einem Viertel der Paare verdient die Frau mindestens so viel wie ihr Ehe- oder Lebenspartner, ergab die Repräsentativbefragung Mikrozensus 2017. Nur in jeder zehnten Ehe oder Lebenspartnerschaft verdienen beide Partner etwa gleich viel. Das ist auch deshalb problematisch, weil Paare mit ungleichen Einkommen häufig daran scheitern, das Familienbudget gerecht aufzuteilen. Sehr viel weiter bei der Einkommensgleichheit sind Paare im Osten. Dort bezieht mehr als ein Fünftel der Frauen das Haupteinkommen, in fast 17 Prozent der Beziehungen tragen beide Partner einen ähnlichen Betrag zum gemeinsamen Einkommen bei.

Grund für die Ungleichverteilung der Einkommen zwischen Partnerinnen und Partnern ist nicht nur eine häufig konservative Aufgabenverteilung von Familien- und Erwerbsarbeit, sondern auch die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Das Entgelttransparenzgesetz sollte hier Abhilfe schaffen. Aber nur wenige Frauen nutzen den Anspruch, das Gehalt ihrer männlichen Kollegen zu erfragen und ihren Arbeitgeber gegebenenfalls auf Gleichbezahlung verklagen zu können, zeigt eine Umfrage des ifo Instituts unter deutschen Personalleitern. Der Auskunftsanspruch gilt seit Februar 2018. Seitdem haben Beschäftigte nicht einmal in jedem zehnten Unternehmen Erkundigungen eingeholt. Dabei kann es sich lohnen: Immerhin in jedem siebten Fall wurde mit der Auskunft eine Gehaltserhöhung erreicht. Das Gesetz gilt allerdings nur in Firmen ab 200 Beschäftigten.

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SZ vom 09.01.2019
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