Glasfaser-Internet:Zusammen buddeln

Breitbandgipfel Niedersachsen-Bremen

Weil es an Kapaziäten im Tiefbau fehlt, ist der Glasfaser-Ausbau teuer und kommt nicht schnell genug voran.

(Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Glasfaseranschlüsse bis ins Haus? In Deutschland bisher selten zu finden. Die Telekom verlegt die schnellen Leitungen nun erstmals gemeinsam mit einem Versorger.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Was Glasfaseranschlüsse bis in die Häuser betrifft, steht Deutschland nicht gut da. Knapp 4,4 Millionen dieser schnellen Internetleitungen gibt es bundesweit, schätzte die Beratungsfirma Dialog Consult zuletzt. Und nur ein Drittel dieser Anschlüsse nutzen die Kunden demnach auch tatsächlich. Andere Staaten sind da weiter. Stattdessen setzt Deutschland bisher vor allem auf aufgerüstete Telefonleitungen und TV-Kabel, um schneller surfen zu können. Ein Grund: Es kostet viel Geld, Glasfaserleitungen durch jede Straße und jeden Vorgarten zu legen.

Im Nordwesten der Republik teilen sich nun zwei große Anbieter diese Kosten: Die Deutsche Telekom und der regionale Versorger EWE aus Oldenburg haben ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Es soll in Teilen von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen Glasfaser bis in die Keller, gar bis in viele Wohnungen legen. Aus Sicht der Telekom soll diese Kooperation erst der Anfang sein.

Kommt damit bald schnelles Festnetz bis in den letzten Winkel?

Das zwar nicht, Telekom und EWE mussten dem Bundeskartellamt aber einen "weitreichenden Ausbau" versprechen; sonst hätte die Behörde das Vorhaben nicht genehmigt. Zu den Zusagen gehört etwa, dass die neue Firma Glasfaser Nordwest nicht nur in Großstädten wie Bremen oder Oldenburg ausbaut. Stattdessen will sie nach eigenem Bekunden in den niedersächsischen Gemeinden Belm und Cloppenburg beginnen. Im Herbst wolle man dort die ersten Anschlüsse schalten.

Die Partner haben sich verpflichtet, in den nächsten vier Jahren mindestens 300 000 Glasfaseranschlüsse bis zu den Kunden zu legen, ohne staatliche Förderung. "Trotzdem wird es immer noch Flecken geben, wo wir nicht eigenwirtschaftlich ausbauen können", sagt EWE-Chef Stefan Dohler. Dort kann der Staat Förderungen ausloben, die nach Ansicht des Kartellamts allen Firmen offenstehen sollten.

Auch mussten Telekom und EWE zusagen, dass sie ihre Glasfaser nicht bevorzugt in Häuser legen werden, die schon heute einen Kabelanschluss mit schnellem Internet haben. Die Wettbewerbshüter bestehen vielmehr darauf, dass die neue Technik dort ankommt, wo das Netz bislang lahmt. Das Kartellamt hat die Zusammenarbeit Ende 2019 genehmigt.

Wie viel müssen Kunden zahlen und was bekommen sie dafür?

Das neue Unternehmen will Anschlüsse legen, mit denen Kunden bis zu einen Gigabit Daten pro Sekunde laden können. Damit kann die Glasfaser auch mit dem TV-Kabel mehr als mithalten. Freilich habe Glasfaser Nordwest "keine eigenen Endkunden", wie Geschäftsführer Oliver Prostak betont. Stattdessen müssen auch Telekom und EWE Anschlüsse ihres neuen Gemeinschaftsunternehmens anmieten. Wie teuer die neuen Leitungen für interessierte Privatkunden werden, wollen Telekom und EWE derzeit noch nicht sagen.

Die Firmen verweisen aber auf Glasfasertarife, die sie andernorts schon anbieten. Diese beginnen bei der Telekom in regulären Tarifen bei knapp 40 Euro monatlich, für besonders schnelle Anschlüsse bei knapp 70 Euro pro Monat. EWE verlangt für die ersten regulären Glasfasertarife derzeit knapp 50 Euro monatlich.

Sind andere Telefonanbieter außen vor?

Nein. Telekom und EWE mussten dem Kartellamt zusichern, dass ihr Gemeinschaftsunternehmen auch anderen Anbietern Zugang zum neuen Netz gewähren wird - und zwar ohne Diskriminierung. Zum Beispiel dem Konkurrenten 1&1, der kein eigenes Festnetz betreibt, sondern vor allem Leitungen der Telekom anmietet und weitervertreibt. Dies war den Wettbewerbshütern wichtig. Schließlich zählen Telekom und EWE schon heute zu den größten Internetanbietern im Nordwesten Deutschlands.

Wie teuer ist der Ausbau im Nordwesten?

Insgesamt wollen Telekom und EWE zusammen bis zu 1,5 Millionen Haushalte und Firmen anschließen und dafür bis zu zwei Milliarden Euro investieren. Der Ausbau ist auch deshalb so teuer, weil die Baubranche derzeit stark ausgelastet ist. "Die Tiefbaupreise in Deutschland sind unter Druck", sagt Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner, "sie steigen im Moment."

Plant die Telekom solche Vorhaben auch anderswo?

Für die Telekom ist das Projekt die erste große Glasfaserkooperation mit einem Versorger - und auch deshalb eine Wende. Jahrelang hat der Konzern Glasfaserleitungen zunächst nur bis zu den Verteilerkästen in den Straßen verlegt. Mit dem sogenannten Vectoring bekamen zwar viele Millionen Haushalte schnelleres Internet, aber eben nicht in der Bandbreite und Zuverlässigkeit eines Glasfaser-Hausanschlusses.

Es deutet freilich alles darauf hin, dass Firmen und Privatleute auch in Zukunft immer mehr Daten empfangen und versenden werden. In Städten wie München oder Köln gewinnen regionale Glasfaseranbieter wie M-Net oder Netcologne viele Kunden hinzu, die schnell surfen wollen. Und auch Kabelkonzerne rüsten ihre Leitungen auf. Daher verlegt nun auch die Telekom immer mehr Glasfaser bis in die Häuser, jüngst etwa auch in und um Stuttgart.

"Wir sind der festen Überzeugung, dass am Ende des Tages Glasfaser bis ins Haus eine überlegene Infrastruktur sein wird", sagt Telekom-Vorstand Wössner. Doch seien die Investitionen und Risiken derart groß, dass ein Unternehmen alleine den Ausbau nicht für ganz Deutschland schaffen werde. "Wir als Telekom sind auf der Suche nach Partnern, mit denen wir das stemmen können", so der Manager.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: