Mit Zahlen lässt es sich ganz prima spielen. Je nachdem, wie man sie auslegt, sieht es mal gut, mal mittelmäßig und auch mal richtig schlecht aus. Wenn es um den Ausbau der zukunftsfähigen Glasfaserleitungen in Deutschland geht, wird dieses Spiel gerne betrieben. Wie es darum steht, dafür gibt es verschiedene Messmethoden, ein Haus wird zum Beispiel bereits in der Statistik erfasst, wenn eine Glasfaserleitung daran vorbeiführt. Wenn es also theoretisch möglich wäre, das Haus anzuschließen. „Homes passed“, nennt man das im Fachjargon, bringen tut es allerdings: nichts.
Es gibt noch mehrere Zwischenstufen, interessant aber ist vor allem eine Zahl, sozusagen die harte Währung. Es ist die Zahl derer, die tatsächlich einen Glasfaseranschluss in der Wohnung haben und diesen auch aktiv nutzen. Und das sind eben nicht knapp 25 Millionen Haushalte (Homes passed), sondern nur 6,1 Millionen.
Es sind Zahlen wie diese, die dem neuen Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, Karsten Wildberger, Schweißtropfen auf die Stirn treiben dürften. Vorgelegt hat sie der Verband VATM, in dem sich die Konkurrenten der Deutschen Telekom bei Festnetz und Mobilfunk zusammengeschlossen haben, in seiner alljährlichen Analyse zum Telekommunikationsmarkt. Seit Jahren läuft Deutschland Ländern wie etwa Spanien oder Frankreich beim Glasfaserausbau weit hinterher.
Für den VATM ist klar, woran das liegt. Da ist zum einen die Deutsche Telekom, hervorgegangen aus dem ehemaligen Staatsmonopolisten Bundespost und immer noch zu knapp einem Drittel in Staatsbesitz. Ihr Netz aus zweiadrigen Kupferleitungen liegt quasi überall. Wenn ihre Konkurrenten Leistungen auf Kupferleitungen anbieten wollen, müssen sie diese daher meist bei der Telekom anmieten. Die Telekom profitiert also von den eigenen Kunden und auch von Kunden alternativer Anbieter, die der Telekom Gebühren bezahlen müssen. Knapp 70 Prozent aller Anschlüsse laufen über Leitungen der Deutschen Telekom.
„Blockadepolitik“ der Telekom
Inzwischen baut zwar auch die Telekom Glasfaserleitungen. Aber, so klagt der VATM, sie lege dabei keinen übermäßigen Eifer an den Tag, die Kunden zum Wechsel auf Glasfaseranschlüsse zu motivieren, da sie ja bereits den Löwenanteil der Kupferleitungen beherrscht, die bereits verlegt und angeschlossen sind. Und wenn die Telekom in einem Gebiet Glasfaser verlegt, ist es für Wettbewerber in aller Regel unattraktiv, hier ebenfalls Glasfaserleitungen zu legen, weil sie nur dann wirtschaftlich arbeiten können – und auch das nur auf viele Jahre gerechnet – wenn sich genügend Nutzer dafür entscheiden, auf Glasfaser zu wechseln.
Der VATM spricht daher von „Blockadepolitik“ der Telekom. Die Zahlen belegen das: Bei den Wettbewerbern buchen 33,6 Prozent der Haushalte einen Glasfaseranschluss, wenn sie einen Anschluss bekommen können. Bei der Telekom sind es nur die Hälfte, 15,9 Prozent. Ein Telekom-Sprecher gibt allerdings zu bedenken, dass die Wettbewerber in aller Regel nur dann Glasfaser ausbauen würden, wenn mindestens 30 Prozent der möglichen Teilnehmer auch einen Anschluss buchen würden. Die Telekom dagegen baue auch bei einer geringeren Take-up-Rate aus. Zudem gebe es einen Unterschied zwischen ländlichen Gebieten, die die Wettbewerber bevorzugt ausbauten, und den Städten. Dort sei es unter anderem schwieriger, in große Wohnanlagen zu kommen.
Was aber bleibt: „Wir sind weit davon entfernt, bis 2030 Glasfaseranschlüsse für alle Haushalte in Deutschland anbieten zu können“, sagt Andreas Walter, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Dialog Consult, das die Studie für den VATM angefertigt hat. Sogar das optimistischste Szenario, das seine Leute durchgerechnet haben, kommt auf nur auf knapp 15 der gut 41 Millionen Haushalte in Deutschland. Und auch dann gebe es noch viele Haushalte, die nur wenig leistungsfähige DSL-Anschlüsse mit 16 Mbit/s oder weniger bekommen könnten.
Dazu kommt, dass die Telekom sogar noch zulegt bei den DSL-Anschlüssen, auch weil sich viele ihrer Konkurrenten inzwischen aus dieser Technologie zurückziehen, die auch erheblich mehr Energie verbraucht als Glasfasertechnik. Der Markt, sagt Berater Walter, sei hier nicht genügend reguliert. Würde die Telekom erneut zum Monopolisten aufsteigen, würde das dem Land einen Bärendienst erweisen, sagt er, und ist sich mit dem Mannheimer Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) einig. „Homes passed“ jedenfalls, sagt Walter, sei „nicht der Weg in die digitale Gesellschaft“.