Süddeutsche Zeitung

Gipfelstürmer:Sie haben Großes vor

Es gibt in Deutschland viele mutige Gründer. Mit ihren Ideen erleichtern manche das Leben oder machen es freundlicher. Andere haben das Zeug, einen Markt zu revolutionieren. Für viele spielt nachhaltiges Wirtschaften eine große Rolle.

Von Elisabeth Dostert

Gernot Overbeck traut sich was. Gemeinsam mit Thomas Becher hat er im April 2014 die Firma Fintura gegründet. Das Fintech vermittelt Kredite an kleine Unternehmen. Ein paar Fragen zur Firma und binnen 15 Minuten liefere Fintura einen Zinsvergleich zwischen Banken, Leasinggesellschaften und Fintechs, sagt Overbeck. Die Zusage für Kredite unter einer viertel Million Euro erfolge - nach Auswahl des Anbieters und Hochladen der notwendigen Dokumente - binnen drei Tagen. Größere Kredite brauchen etwas länger. Auch bei Fintura bekommt nicht jeder Geld. Die Akzeptanzquote liege derzeit bei zehn bis 15 Prozent, erläutert Overbeck: "Die meisten Firmen, die zu uns kommen, sind anderswo abgelehnt worden."

Der Mann hat Großes vor, er will die Machtverhältnisse zwischen Geldgeber und Kunden verändern. "Bislang müssen kleinere und mittlere Firmen mit gebücktem Rücken zur Bank gehen und um einen Kredit bitten. Künftig können sie aus einer Reihe von Alternativen vom Sofa aus die mit dem besten Preis wählen. Das ist eine richtige Revolution."

Fintura ist eines der Fintechs, die sich am Start-up-Wettbewerb der Süddeutschen Zeitung beteiligt haben. Zum ersten Mal zeichnet der SZ-Wirtschaftsgipfel in diesem Jahr den "Gipfelstürmer" aus, den besten Gründer aus Deutschland. Acht Teams haben sich für das Finale qualifiziert: Sie präsentieren sich an diesem Freitagnachmittag im Hotel Adlon in Berlin. Der Sieger gewinnt eine außergewöhnliche Trophäe und eine Reise mit einer Wirtschaftsdelegation der Stadt Berlin nach Shanghai.

Viele Gründer machen sich Gedanken darüber, wie sich nachhaltiger wirtschaften lässt

Fast hundert Unternehmer hatten sich beworben. Die Entscheidung fiel der Jury nicht leicht. Fintura übrigens hat es nicht in das Finale geschafft. Aber es gibt in diesem Wettbewerb um die Zukunft der deutschen Wirtschaft keinen Verlierer. Jede gute Idee zählt, egal ob sie nur ein kleines, aber nerviges Problem beseitigt, das Leben ein wenig leichter und freundlicher macht oder das Zeug hat, einen Markt zu revolutionieren, die Alten verdrängt oder zumindest aus der Sattheit früherer Erfolge aufrüttelt.

Viele Gründer machen sich Gedanken darüber, wie sich nachhaltiger wirtschaften lässt. Turtlebox aus Pullach, etwa, vermietet Umzugsboxen aus recycelbarem Kunststoff. Ihr Einsatz verringert die CO₂-Emissionen. Günstiger als die Pappkisten sind die Boxen auch, behaupten die Gründer. Der Umwelt dient auch die Erfindung von Nikolaos Baltsios und Moritz Pfeifer. Ihre Firma Binando aus Stuttgart hat Sensoren entwickelt, welche die Füllstände von Abfallbehältern messen. So können Entsorgungsunternehmen ihre Routen optimieren, in dem sie nur noch Container anfahren, die wirklich voll sind.

Die jungen Unternehmen lassen keine Branche aus. Sie tummeln sich in Handel, Gesundheit, Industrie 4.0 oder Mobilität - überall. Manche Gründer nähern sich Traditionellem auf neue Weise, so wie es Kunden erwarten, die digital unterwegs sind, so wie Makerist. In Onlinekursen lernen die Nutzer auf der Plattform wie man einen Bikini näht oder einen Rucksack, wie man stickt, strickt oder andere Handarbeiten erledigt. Wer mag, darf das Ergebnis dann hochladen. Mehr als 6500 Werke sind auf der Plattform zu sehen.

Es gibt erfahrene Gründer, wie Inklang-Chef Thomas Carstensen, er hat für Banken, Versicherungen und einen Asset Manager gearbeitet. Seit 2014 stellt er Lautsprecher her. Er wollte endlich etwas Greifbares schaffen. Es gibt Gründer wie Martin Trenkle und seine Kumpels, die kaum an der Uni, schon ihre erste Firma gründen, die Jobvermittlung Campusjäger.

Markus Madlener hat mit seiner Bewerbung eine Kiste geschickt: edler schwarzer Karton, feine Briefumschläge aus Büttenpapier, auf deren Vorderseite zwei Tauben geprägt sind. Im Vergleich dazu wirken die Kugelschreiber schäbig. Madlener ist Vorstand von Zeitbote. Die junge Firma aus Gräfelfing bei München verschickt Briefe in die Zukunft. Hochzeitsgäste können ihre Wünsche für das Brautpaar oder Großeltern Fotos an ihre Enkel schicken. Die Zustellung erfolgt erst viel später, in drei, zehn oder 30 Jahren, zur silbernen Hochzeit oder zum 18. Geburtstag, welchen Termin der Kunde auch immer nennt. Der Zeitbote bewahrt die Briefe so lange auf und liefert sie erst zum Wunschtermin aus. Sie sind mit einem RFID-Chip ausgerüstet, um sie eindeutig identifizieren und sicher lagern zu können. Für sein Geschäft hat Madlener eine Postlizenz der Bundesnetzagentur.

Wie wohl ein Brief an den Sieger des ersten Wettbewerbs aussehen könnte?

Zustelltermin: 16. November 2036.

Lieber Gipfelstürmer,

20 Jahre gehen wirklich schnell vorbei! Schön, dass es Ihre Firma noch gibt. Ich hab's immer gewusst, dass aus Ihnen mal ein veritabler Mittelständler wird. Seien Sie nicht traurig, dass aus dem Börsengang nichts geworden ist, Familienunternehmen sind auch eine feine Sache. Einhörner mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar sind wirklich selten. Elon Musk baut sich gerade eine Villa auf dem Mars. Mir wäre es da viel zu kalt. Die Rente verbringe ich lieber auf der Erde. Gottlob ist Wolfgang Schäuble, der ewige Finanzminister, damals nicht mit seiner neuen Rentenformel durchgekommen. Angela Merkel ist jetzt schon 15 Jahre nicht mehr Bundeskanzlerin. War ja klar, dass sie irgendwann diesen Job in Brüssel annimmt.

Die Zeitung lesen die meisten Menschen mittlerweile digital. In ein paar Jahren wird sie vielleicht nur noch am Wochenende auf Papier gedruckt. Wie lange es wohl noch dauert, bis ein Blogger den Nobelpreis für Literatur bekommt?

Alles Gute!

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Quelle:
SZ vom 15.11.2016
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