Der Kurs der Digitalwährung Bitcoin raste rasant nach oben, 5000 Dollar pro Bitcoin, 10 000 Dollar, immer höher. Und Neel Popat bekam die immer gleiche Frage von seiner Familie und seinen Freunden gestellt: Wie viel soll ich investieren? Popat wusste es nicht - aber er hatte jahrelang als Investmentbanker gearbeitet, kannte sich im Bereich Kapitalbeteiligung aus und machte aus der Frage schlussendlich eine Firma: Donut.
Das Berliner Start-up will Privatanlegern Kryptowährungen schmackhaft machen, teils über spielerische Ansätze, teils über Mikroinvestment. Die Idee: Wer etwas einkauft, gibt selten einen runden Betrag aus, sondern 49,99 Euro oder 4,50 Euro. Donut will das Geld bis zum nächsten vollen Euro aufrunden und automatisch in Kryptogeld anlegen. Später sollen weitere Funktionen hinzukommen, etwa monatliche Einzahlungen oder Investments, nachdem man Sport gemacht hat. Weil viele Digitalwährungen stark schwanken, legt Popat ausschließlich in Bitcoin an, zumindest in der Anfangszeit. Zunächst wird es das Angebot zudem nur in den USA geben, erst später auch in Deutschland.
Dass es Donut heute so gibt, ist purer Zufall und beruht ebenfalls auf einem Geschäftsmodell. Getroffen haben sich die Gründer um Ideengeber Neel Popat nämlich nicht beim Ex-Arbeitgeber oder beim Bierchen danach, sondern beim Co-Gründer-Dating von Entrepreneur First (EF).
EF-Gründerin Alice Bentinck und ihr Kompagnon Matthew Clifford arbeiteten früher bei der Beratungsgesellschaft McKinsey in London und stellten fest: Was besonders ehrgeizige Menschen mit ihrem Leben anstellen, hat viel damit zu tun, wo sie leben. "Wenn du in Kalifornien lebst, wirst du ein Gründer. Wenn du in London lebst, steigst du bei einer großen Firma ein", so Bentinck. Es gebe viele talentierte Menschen in der Welt, wie kann man sie ermutigen, selbst zu gründen? Daraus machten Bentinck und Clifford ihr Start-up Entrepreneur First, was übersetzt heißt: "Zuerst Unternehmer".
Acht Jahre nach der Gründung ist EF an sechs Standorten vertreten - Berlin, London, Paris, Hongkong, Singapur und Bangalore -, betreut 800 Gründungswillige pro Jahr und investiert 200 Millionen US-Dollar in die Firmen, die im Rahmen der Programme entstehen. EF suche nach intelligenten Menschen, die schnell lernen, einen besonderen Hintergrund haben (die Mehrheit komme aus Technologiebereichen) und den Status quo herausfordern, sagt Bentinck. Letztlich gehe es darum, zuerst in Talente zu investieren und nicht in eine brillante Idee.
Im Programm arbeiten je zwei Kandidaten miteinander, entwickeln Ideen, sprechen über ihre Stärken, stecken einen Rahmen ab. Neben Donut ist auch Magic Pony ein Beispiel für eine Gründung à la EF. "Innerhalb von 18 Monaten wurden zwei Individuen zu einem Start-up, das von Twitter gekauft wurde", sagt Bentinck. Magic Pony verarbeitet Daten aus Fotos und Videos mithilfe von neuronalen Netzen, ein Service, der dem Kurznachrichtendienst Twitter 2016 rund 150 Millionen Dollar wert war. Der Unterschied zu anderen Start-up-Schmieden sei, dass die beiden Gründer sich dort nie begegnet wären, erklärt Bentinck. Denn wer sich für ein Förderprogramm bei einem Inkubator bewirbt, bringt Produktidee und Gründungsteam schon mit. EF kehrt diesen Prozess um.
Wer es ins Programm schafft, hat in der ersten Phase 14 Wochen Zeit, Partner und Geschäftsidee zu finden. Am Ende dieser Phase haben sich in der Regel 80 Prozent der Teilnehmer zu Teams zusammengeschlossen. Sie müssen ihre Idee nun vor einem Gremium bewerben und auf ein Investment für die zweite Phase hoffen. Diese dauert sechs Monate, in denen die Neu-Gründer ihre Start-ups weiterentwickeln und eine Finanzierungsrunde vorbereiten. Dafür bekommen sie von EF Anschubkapital von 80 000 Pfund (etwa 87 000 Euro), im Gegenzug erhält EF 10 Prozent der Geschäftsanteile. Zudem zahlt EF jedem Kandidaten ein monatliches Stipendium, das nicht zurückgezahlt werden muss.
Auch Neel Popat nahm an einem der Programme in Berlin teil. Er traf dort Jordan Abderrachid, ehemals Backend-Entwickler bei der Berliner Smartphone-Bank N26. Als Gründerteam von Donut konnten sie einen sechsstelligen Betrag einsammeln. Im Februar dann folgte die nächste Investorenrunde. Unter den Geldgebern war auch Redalpine, ein bekannter Investor für junge Start-ups.
Das nächste Google wird in Europa gegründet, so die Überzeugung der Förderer
Popat ist überzeugt, dass seine Firma eine bestimmte Klientel ansprechen könnte, die Banken und Investmentfonds nur schwer erreichen: junge Menschen. "Millennials vertrauen den Banken nicht mehr, sie wollen lieber in Kryptowährungen investieren als in Aktien", sagt Popat. "Allerdings wissen sie nicht, wie. Der ganze Markt ist total chaotisch für Neulinge." Deswegen will man bei Donut nicht nur Investments vermitteln, sondern auch Wissen über Möglichkeiten und Risiken. Am Ende soll das Investment in Bitcoin, wenn es nach Popat geht, so normal werden wie das Geldanlegen in Aktien.
Doch warum sollten die Nutzer das angesparte Geld nicht in Aktien oder Anleihen stecken? Popat sagt: "Die potenzielle Vermögensbildung bei Bitcoins und anderen digitalen Assets ist höher." Selbst wenn man verliere, wäre das nicht viel Geld, da man immer nur Cent-Beträge investiere. Was daraus folgt, sagt er nicht: Die Gewinne dürften auch kein Eigenheim im Alter finanzieren.
Geld verdienen wollen Popat und seine Mitstreiter über ausreichend Gebühren. Zurzeit nehmen sie 1,5 Prozent aller Investments als "Handelsgebühr" und ein weiteres Prozent als Provision. Genug Geld, um die Firma zu finanzieren, bringt das nicht. Wie viele andere Fintechs setzt Donut auf Wachstum, will erst einmal mehr Umsatz machen und erst dann schauen, wie man profitabel werden könnte.
Bei EF ist man überzeugt davon, dass das nächste Google in Europa gegründet wird. Aber ist das positiv, wenn man an die Kritik denkt, die dem Suchmaschinenbetreiber derzeit in den USA und in der EU entgegenschlägt? "Neue Unternehmen schaffen neue Arbeitsplätze", sagt Bentinck, gerade bei Automatisierung und künstlicher Intelligenz sei es wichtig, den Standort zu stärken. Im Programm werde sowohl über den Einfluss von Technik auf Mensch und Gesellschaft gesprochen als auch über den Wechsel in der automatisierten Welt. Viele der 110 Mitarbeiter im EF-Team stammen selbst aus Start-ups und beraten die zukünftigen Gründer. Potenzielle Bewerber werden auch über das Netzwerk der aktuellen und ehemaligen Teilnehmer gefunden.
Das EF-Programm eigne sich für Erstgründer, sagt Popat. Trotzdem: "Mit meiner Erfahrung würde ich es nicht noch einmal machen." Dass er den richtigen Partner gefunden habe, sei Glück gewesen. Würde er noch mal gründen, würde er bei Menschen, mit denen er mal zusammengearbeitet hat, nach einem Partner suchen. "Da hat man gute Chancen, jemanden zu finden, der auf derselben Wellenlänge ist", sagt er. Wer diese Möglichkeit nicht habe, sei bei EF richtig aufgehoben. Aber ein Sechsmonatsprogramm könne das gemeinsame Arbeiten nicht ersetzen.
Zum vierten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung mit dem Start-up-Wettbewerb "Gipfelstürmer" die besten Gründer aus Deutschland aus. Die Ausschreibung läuft bis zum 31. August. Eine Jury aus Mitgliedern der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt aus allen Bewerbern die sechs Finalisten aus. Diese dürfen im November am SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnehmen und dort ihre Firma vorstellen. Die Teilnehmer des Gipfels küren den Sieger. Einzelheiten und Bewerbungen: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer