Gillette:"Krieg gegen die Männlichkeit in Amerika"

  • Gillette geißelt neuerdings in seiner Werbung die sogenannte toxische Männlichkeit.
  • Der Ansatz erweist sich für das Unternehmen als Glücksgriff - erbittert diskutieren die Amerikaner nun über einen Werbespot.

Von Kathrin Werner, New York

Werbung für Gillette sah über Jahrzehnte hinweg so aus: Männer reiben sich zufrieden über markante Kinns, Frauen werfen sich in starke Arme unter frisch rasierten Gesichtern, glattrasierte Männer brillieren bei der Arbeit an der Wall Street. Ein gilletterasierter Mann ist erfolgreich, ein Chaammpioooonnnn, sang die Jingle-Stimme dazu. Zum Schluss noch der Ohrwurm: "Gillette - für das Beste im Mann."

Gillette, eine Marke des amerikanischen Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble, hat entschieden, dass der alte Slogan eine Modernisierung verträgt. Das Unternehmen hat einen eine Minute und 48 Sekunden langen Werbefilm veröffentlicht, der umstrittener kaum sein könnte. Statt die alten Muster mit den rasierten Erfolgsmännern zu bedienen, hat sich das Unternehmen für einen neuen Ansatz entschieden. "The best men can be" - "Das Beste, was Männer sein können", heißt der neue Slogan. Statt sich selbst als ein Produkt zu präsentieren, welches "das Beste im Mann" zum Vorschein bringt, hat sich Gillette in dem neuen Werbespot darauf verlegt, den Männern zu erklären, was das Beste ist, das sie sein können. Statt sich dem Mann anzubieten, fordert ihn das Unternehmen auf, etwas zu tun - mehr noch: etwas zu sein.

"Jungs sind eben Jungs"

Ist dieses Verhalten das Beste, fragt Gillette zuerst und zeigt Beispiele toxischer Männlichkeit: Kleine Jungs, die sich gegenseitig tyrannisieren und prügeln. Die Täter von #Metoo. Ein Manager, der eine Mitarbeiterin in einem Meeting altväterlich abwatscht und auf die Schulter tatscht. Ein Mann, der vor johlendem Publikum in einer Fernsehshow einer Frau in den Hintern kneift. Eine endlose Reihe von Vätern vor Grills, die ihren Kindern bei einem Handgemenge zusehen und im Chor rufen: "Jungs sind eben Jungs". Für diese Art Männer, könnte man meinen, will Gillette nicht zur Verfügung stehen.

Die Beschreibung des neuen Gillette-Manns folgt danach in mehreren Bildern: Ein Mann hält einen anderen davon ab, einer Frau auf der Straße nachzusteigen. Ein junger Vater fordert seine Tochter auf zu sagen: "Ich bin stark." Ein weiterer Vater wird dazu bewegt, eine Rauferei zwischen Kindern zu schlichten. Die Werbung ermutigt Männer, "das Richtige zu sagen" und "richtig zu handeln". Am Ende des Filmchens mahnt die Rasiererfirma Männer an, nicht zu vergessen, dass sie ein Vorbild sind: "Die Jungen, die euch heute zuschauen, sind die Männer von morgen." Was man im Werbespot nicht zu sehen bekommt: Rasierer.

Obwohl sich die meisten Menschen einig sind, dass es nicht gut ist, wenn sich Jungen gegenseitig schikanieren und Männer Frauen nachstellen, kam der Werbespot überwiegend nicht gut an. Und zwar sowohl bei vielen Kunden, die eine andere Vorstellung von Männlichkeit haben als Gillette, als auch bei Menschen, die hinter Gillettes Erörterung der neuen Männlichkeit nichts als Profitgier wittern. Schließlich ist Procter & Gamble ein börsennotierter, internationaler Großkonzern, der aus einem Grund existiert: um Produkte zu verkaufen und damit Geld zu verdienen. Gillettes Rasierer haben sich in letzter Zeit nicht besonders gut verkauft. Also versucht der Konzern, ein aktuelles Thema für Werbezwecke auszuschlachten und sich bei jungen Kunden einzuschleimen, so die Kritik. Denn besonders junge Kunden achten mehr darauf, ob ein Unternehmen Gutes tut, haben etliche Umfragen ermittelt. Über "toxische Männlichkeit" nachzudenken, ist derzeit en vogue.

Männerrechtler in Aufruhr

In Deutschland wirbt der Konzern auf seiner Website mit ähnlicher Haltung: Das "alte Männerbild" sei Geschichte - es gebe nicht mehr "den einen Mann", sondern eine Vielzahl von Lebensentwürfen, konstatiert Gillette. "Moderne Männer definieren Männlichkeit neu. Dabei spielen Werte eine große Rolle. Werte wie Familie, Gemeinschaft, Gleichberechtigung." Nur ist es eben so, dass es noch immer Männer gibt, die dem alten Männerbild nachhängen und überzeugt sind, dass es eben doch eine richtige Definition von Männlichkeit gibt. Das sind die Männer, die im Internet am lautesten sind.

In sozialen Medien rufen seit der Veröffentlichung des Werbespots selbst ernannte "Männerrechtler" zum Gillette-Boykott auf und posten Bilder und Videos, wie sie ihre Rasierer zerstören. Auf Youtube hat das Werbevideo schon 720 000 Dislikes und nur 340 000 Likes bekommen. Twitter-Nutzer wie @El_Mariachi051 verkünden, sich nun eine Marke zu suchen, "die Maskulinität zu schätzen weiß". Andere nennen die Werbung "feministische Propaganda". Der konservative Kolumnist Todd Starnes argumentierte auf Fox News, dass die Werbung ein Beleg für "einen Krieg gegen die Männlichkeit in Amerika" sei, der "in Klassenzimmern geführt werde, in denen Professoren versuchen, eine neue Generation von Studenten davon zu überzeugen, dass mit Männern etwas nicht stimmt, die ihre Familien beschützen und versorgen wollen".

Auf der neuen Website TheBestaManCanBe.org erklärt Gillette, warum das Unternehmen sich berufen fühlt, Männer zur Selbstverbesserung zu ermuntern: "Es ist an der Zeit, dass wir anerkennen, dass Marken wie unsere die Kultur beeinflussen", schreibt Gillette. "Und als Unternehmen, das Männer ermutigt, ihr Bestes zu geben, sind wir dafür verantwortlich, positive, erreichbare, integrative und gesunde Versionen davon zu fördern, was es heißt, ein Mann zu sein."

Früher beschäftigte sich Gillette eher damit, gute Rasierer herzustellen und die Kunden davon zu überzeugen, für eine zusätzliche Klinge mehr Geld auszugeben, als die Kunden dazu zu bringen, ihre Männlichkeit zu definieren.

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