Gift im Spielzeug:Warum Cheung Shuhung sich umbrachte

Der Fall der US-Firma Mattel zeigt, dass schärfere Gesetze in China nicht reichen werden: Die Ursachen schlechter Qualität bleiben bestehen.

Janis Vougioukas

Jeder mochte Cheung Shu-hung. Er trug fast nie einen Anzug, er war unkompliziert und trotzdem sehr sorgfältig. Und wenn man ihn brauchte, nahm er sich immer die Zeit für ein Gespräch, sogar für seine Arbeiter. Es gab schwere Zeiten, doch sie hatten immer zu ihm gehalten.

Die Arbeiter waren schockiert, als man Cheung Shu-hung fand, an jenem Montag vor zwei Wochen, sein toter Körper hing im Lagerraum im dritten Stock.

Zwanzig Jahre hatte Cheung Spielzeug hergestellt und eine Fabrik aufgebaut, die in seinem Leben immer an erster Stelle gestanden hatte. Bevor er sich erhängte, beauftragte er einen Manager, die Ausrüstung zu verkaufen, um die Arbeiter zum letzten Mal zu bezahlen.

Die Nachricht von Cheungs Tod ging um die Welt: "Nach dem Rückruf von Kinderspielzeug der Firma Mattel hat der Chef eines chinesischen Spielzeugunternehmens Selbstmord begangen", schrieben die Zeitungen. Es war nur eine kurze Randmeldung in der großen Aufregung über fehlerhafte chinesische Exportprodukte, die plötzlich in der ganzen Welt auftauchen.

Qualität oft nur schwer zu garantieren

Doch die tragische Geschichte von Cheung Shu-hungs Tod erklärt den ganzen Zusammenhang: warum Qualität in China oft nur schwer zu garantieren ist und wie in der Globalisierung auch die Verantwortung für Produktsicherheit so oft um die Welt geschickt wurde, bis es am Ende keine klaren Zuständigkeiten mehr gab.

Cheung kam aus Hongkong. Vor 15 Jahren ging er nach China, wo im Perlflussdelta, direkt auf der anderen Seite der Grenze, gerade gewaltige Fabrikstädte entstanden. Cheung wählte Foshan und gründete die Spielwarenfabrik Lee Der Industrial.

Er steckte alles in seine Firma. Auch in schweren Jahren hielt er durch, lange lebte er in einem kleinen Zimmer auf dem Fabrikgelände. Cheung erlebte, wie das Perlflussdelta zur Fabrikhalle der Welt wurde, zum Rückgrat der chinesischen Exportindustrie, die inzwischen fast die Hälfte aller Spielzeuge auf der Welt herstellt und vieles mehr.

Im Perlflussdelta gab es erfahrene Manager aus Hongkong, ein schier unbegrenztes Reservoir chinesischer Wanderarbeiter, und bis zum gewaltigen Hongkonger Containerhafen war es nicht weit. Wenige Weltregionen produzieren so effizient und kostengünstig wie die Fabrikstädte entlang der südchinesischen Küste.

Und immer mehr Firmen aus dem Westen begannen, ihre eigenen Fabriken zu schließen und beauftragten die aufstrebenden chinesischen Exportunternehmen mit der Fertigung ihrer Produkte. Das Perlflussdelta ist das andere Ende der Globalisierung.

Qualitätsprobleme bereits seit Anfang Juli bekannt

Auch Cheungs Fabrik wuchs, vor allem durch den Großkunden Mattel. Am Schluss beschäftigte er 5000 Arbeiter, denen er ein monatliches Grundgehalt von etwa 1000 Yuan zahlte, umgerechnet 100 Euro. Es heißt, Lee Der Industrial habe 2006 einen Umsatz von 200 Millionen Yuan erwirtschaftet.

Chinesische Medien berichteten, dass die Qualitätsprobleme bereits Anfang Juli bekannt wurden, Wochen bevor Mattel die Rückrufaktion startete. Ein Labor des Konzerns hatte die Sesamstraßen-Figuren aus Cheungs Fabrik untersucht und bemerkt, dass der Bleigehalt der Farben weit über den Grenzwerten lag.

Bis dahin galt Cheung auch in der Zentrale des amerikanischen Spielwarenkonzerns als zuverlässiger Lieferant. Die Farbtonnen, die überall auf seinem Fabrikgelände standen, verschwanden.

Cheung hatte die Farbe bei seinem besten Freund bestellt, Liang Jiacheng, der mit seiner Fabrik Dongxing Druck- und Textilfarben produzierte. Die Ereignisse lassen sich heute nicht mehr vollständig rekonstruieren. Doch offenbar gab es Lieferschwierigkeiten für gelbe Farbpigmente. Und Liang suchte im Internet nach einem Lieferanten, den Subunternehmer für das Subunternehmen eines Subunternehmens.

Er fand die Firma Zhongxin in Dongguan. Es heißt, der Lieferant habe auch Zertifikate und Lizenzen präsentiert. In der Stadt Foshan gab es keine Möglichkeit, die Qualität der Farbe zu überprüfen. Und da die Zeit drängte, vertraute Liang Jiacheng dem Unternehmen und Cheung Shu-hung vertraute Liang. Das war der Fehler.

Die Firma Zhongxin hat sich inzwischen aufgelöst, sieben Mitarbeiter sind auf der Flucht. Seit auf der ganzen Welt chinesische Produkte zurückgerufen werden, sitzen Chinas Fabriken auf der Anklagebank der Weltöffentlichkeit.

Winzige Hinterhoffabriken, ungeschulte Arbeiter

Doch die wirklichen Schuldigen sind schwer zu erkennen. Viele westliche Markenkonzerne drängen ihre Lieferanten zu permanenten Kostensenkungen und schieben die Verantwortung für die Qualitätskontrolle nach China ab. Die Risiken dabei sind bekannt und werden bewusst ignoriert. Bis der ewige Handelskonflikt zwischen China und den USA das Thema weltweit auf die Tagesordnung setzte.

Die Debatte über chinesische Mangelware kann den Ruf des ganzen Landes ruinieren, das hat inzwischen auch die Regierung in Peking erkannt. Vizepremier Wu Yi rief vor wenigen Tagen einen "Sonderkrieg gegen schlechte Qualität" aus. Doch auch neue Gesetze und strengere Vorschriften werden nur wenig ändern können. Die Ursachen sind Korruption, fehlende Standards, schlechte Ausbildung der Arbeiter, ständiger Kostendruck, Produktpiraterie, Fälschungen und eine Geschäftsethik, die mit westlichen Moralvorstellungen nur wenig gemein hat.

Viele Exportprodukte stammen auch aus winzigen Hinterhoffabriken, die nichts haben außer ein paar ungeschulten Arbeitern, die im undurchsichtigen Gewirr chinesischer Lieferanten und Sublieferanten vielleicht ganz plötzlich für den Weltmarkt produzieren.

Es wird noch einige Zeit dauern, bis das Entwicklungsland China zu einer modernen Industrienation wird. "Ich habe sehr großes Pech. Der Handelskrieg zwischen China und den USA hat genau mich getroffen", hatte Cheung gesagt, als der Skandal schließlich aufflog. Am nächsten Tag erhängte er sich.

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