Musikinstrumente:E-Gitarren-Kulthersteller Gibson bangt um seine Existenz

Gibson Les Paul aus dem Jahr 1959 von Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards.

Diese Gibson Les Paul aus dem Jahr 1959 gehörte Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards, ehe sie 2004 vom Auktionshaus Christie's versteigert wurde.

(Foto: dpa)

Der Gitarrenbauer, Schöpfer legendärer E-Gitarren wie der Les Paul, steht vor einer halben Milliarde Dollar Schulden. Für die Rettung bleibt nicht mehr viel Zeit.

Von Thomas Fromm

Als diese Firma vor 116 Jahren gegründet wurde, war der Rock'n'Roll noch nicht geboren. Lange also bevor Chuck Berry auf seiner roten ES-355 seinen "Johnny B. Goode"-Riff spielte, dabei alles zusammenschrubbte, was Blues-Tonleiter und dorische Skala hergaben, damit ganz nebenbei das Rock'n'Roll-Intro begründete und schließlich sogar den alten Beethoven überrollte, produzierte Gibson, nun ja, Zupfinstrumente für die ganze Familie. Banjos, Mandolinen und Ukulelen zum Beispiel. Was man um die Jahrhundertwende herum halt so spielte.

Als die Banjos und die Ukulelen aus der Mode fielen, kamen die Gitarren. Zuerst die Holzklampfen, dann jene mit elektromagnetischen Tonabnehmern. 1936 brachte Gibson die ES-150 auf den Markt, die erste Gitarre, die serienmäßig mit solchen Pick-ups ausgerüstet war.

Ohne E-Gitarren von Gibson wäre die Musikgeschichte anders verlaufen

Ohne die ES-150, man kann das ruhig mal durchspielen, wäre so manches anders gelaufen in der Geschichte der Musik. Denn nur, indem sie verstärkt und laut wurde, konnte sich die Gitarre emanzipieren und ihren Weg machen von der reinen, Akkorde liefernden Hintergrundklampfe zum Soloinstrument. Aus all diesen Keith Richards, Jeff Becks, Jimmy Pages und Slashs wäre wahrscheinlich nichts geworden, wenn man ihnen mit 18 eine Ukulele in die Hand gedrückt hätte. Und natürlich kann man "Highway to hell" auch auf einer klassischen Gitarre spielen. Nur es wäre dann definitiv ein anderer Highway.

Jahrzehnte lang hatte das Unternehmen aus Nashville/Tennessee einen Kultstatus, jetzt kämpft es ums Überleben. Ein neuer Finanzchef soll Gibson vor dem endgültigen Bankrott retten, der letzte war nach nur einem Jahr zurückgetreten. Eine Investmentbank wurde damit beauftragt, Lösungen für die finanzielle Schieflage zu erarbeiten, und das allein ist schon ein schlechtes Zeichen. Wo Investmentbanker auftauchen, geht es meist ums Zerlegen von Schulden und Unternehmen. Irgendwie passt das schlecht zu einem Unternehmen, das höchstens dafür stand, Gitarren zu bauen, auf denen dann später Akkorde zerlegt wurden.

Zuletzt soll der Gitarrenbauer Schulden von insgesamt 500 Millionen Dollar angehäuft haben, die in einem halben Jahr fällig werden. Dabei hatte man noch vor vier Jahren für 135 Millionen Dollar die Unterhaltungssparte des niederländischen Konzerns Philips gekauft. "Dieses Jahr ist kritisch und ihnen läuft die Zeit weg", zitiert die Nashville Post einen Finanzanalysten.

Dabei war die Gibson-Geschichte lange einer dieser unendlichen Erfolgsgeschichten. Mit der ES-150 kamen die großen Jazz-Big-Bands, es kamen der Blues und der Rock'n'Roll. Und es kamen Jahre, in denen es pro Schulklasse mindestens zwei Bands gab mit jeweils zwei Gitarristen (machte mindestens vier E-Gitarren pro Klasse). Alle spielten sie natürlich irgendwie Gibson - als billige Kopie.

Das Geschäftsmodell E-Gitarre ist eine Nischenangelegenheit geworden

Nach einer ganzen Reihe von Gibson-Kultgitarren (SG, Les Paul, Flying V) und einigen glorreichen Dekaden kam die Jahrtausendwende und damit der Siegeszug der DJ's, der R'n'B-Clubs und der Hip-Hop-Konzerte. Gitarrenriffs werden nicht mehr gespielt, sondern gesampelt und in die Songs gemischt. Oft sind sie alt, sehr alt sogar. Für alte Aufnahmen von alten Riffs braucht man aber keine neue Gitarren. Das ist das Problem.

Als der ewige Mod und Brit-Popper Paul Weller zuletzt mit einer roten 1968er Gibson SG durch die (kleinen) Hallen zog, ging es der Firma bereits nicht mehr gut. In einer Zeit, in der Gitarren im Museum landen oder als schicke Deko in Start-up-Lofts zwischen Espressomaschine und Designer-Couch ausgestellt werden, ist das Geschäftsmodell E-Gitarre eine Nischenangelegenheit geworden; Gitarrenbauer wie Gibson und der ewige Rivale Fender (Jimi Hendrix, Eric Clapton, Mark Knopfler) landeten in den roten Zahlen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die E-Gitarre eines Tages zurückkommt. Dafür bräuchte man allerdings keine Investmentbanker, sondern ein Riff wie bei "Roll over Beethoven". Tell Tchaikovsky the news!

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: