GfK:Echter Reparaturbedarf

Deutschlands größter Marktforscher präsentiert miserable Halbjahreszahlen - und steht vor einem Umbau. Das hat auch etwas mit dem neuen Finanzinvestor aus den USA zu tun.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

"Omnibus" heißt die noch relativ junge Sparte der GfK, die ihren Kunden "schnelle, günstige und präzise Antworten, die Ihr Unternehmen voranbringen", verspricht. Es ist wie so oft im Leben: Für die Probleme der anderen glaubt man die Lösungen zu kennen, mit den eigenen aber kommt man nicht zurecht und tut sich schwer. Denn ausgerechnet für sich selbst hat Deutschlands größter Marktforscher noch keine Antworten darauf gefunden, wie er wieder auf die Beine kommen will. Und daran, dass es schnell wieder vorwärts gehen wird, glauben allenfalls noch die größten Optimisten in dem Zahlenorakel, in dem weltweit 13 000 Menschen arbeiten.

Die Geschäfte im ersten Halbjahr liefen so schlecht, dass die GfK ihre Prognose für das laufende Jahr jetzt nach unten korrigierte. "Umsatz- und Ergebnisentwicklung werden deutlich unter der des Vorjahres liegen", warnte der Marktforscher am Montag, nachdem zwischen Januar und Juni der Umsatz um 1,3 Prozent auf 721,7 Millionen Euro zurückgegangen war und ein Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) von knapp 120 Millionen Euro verbucht wurde. Das waren 62 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

People walk through Mall of Berlin shopping centre during its opening night in Berlin

Einkaufscenter in Berlin: Je mehr Leute shoppen, desto besser das Konsumklima, das GfK-Forscher messen.

(Foto: Thomas Peter/Reuters)

Bekanntlich schwächelt die GfK schon einige Jahre, was mehrere Ursachen hat. Eine davon ist, dass das Unternehmen, das hierzulande seit Jahrzehnten zuverlässig die TV-Einschaltquoten misst, damit in anderen Ländern nicht landen konnte. Versuche, auch die Fernsehgewohnheiten der Brasilianer und die in Saudi-Arabien zu erfassen, entwickelten sich zum teuren Desaster. Daneben fehlt es aber auch an Strategien, um sich gegen die wachsende Konkurrenz kleiner, wendiger und vergleichsweise günstiger Online-Marktforscher zu behaupten, die auf den Markt drängen. Zum Leidwesen nicht nur der GfK, sondern fast aller großen Anbieter auf dem hart umkämpften Markt.

Der neue Chef schart neues Personal um sich, aus unterschiedlichen Branchen

Wie verhalten sich die Konsumenten vor allem in Zukunft? Darauf will die Kundschaft vor allem aus der Konsumgüterindustrie schnelle Antworten. Bei der Suche nach den richtigen Konzepten für das digitale Zeitalter geriet die vor mehr als 80 Jahren vom Wirtschaftswunder-Minister Ludwig Erhard mitbegründete GfK in den vergangenen Jahren zunehmend aus dem Tritt; Managementfehler und eine starke Konzentration auf den eigenen Umbau anstatt auf die Kundschaft taten dabei nach Ansicht von Experten ein Übriges.

Weshalb der GfK-Verein, der die Mehrheit an dem Unternehmen hält, sich in seiner Not den US-Finanzinvestor KKR ins Boot holte. Beide zusammen halten inzwischen gut 96 Prozent der Aktien. Und eine Hauptversammlung am 21. Juli beschloss, dass die GfK spätestens im Herbst von der Börse genommen wird. In Ruhe und fernab der ständigen öffentlichen Beobachtung soll die GfK restrukturiert werden.

Dabei regiert im Unternehmen KKR inzwischen durch. Peter Feld, der im Frühjahr vom Geschirrhersteller WMF als Vorstandschef am Nürnberger Nordring anheuerte, gilt als KKR-Gesandter. Seither ist er mit dem Umbau des Managements beschäftigt; es herrscht ein munteres Stühlerücken. Der neue Chef schart neues Personal um sich, wobei nur noch einer der vier Vorstände, der Amerikaner David Krajicek eine lupenreine Marktforschungs-Expertise hat. Die anderen hat es aus unterschiedlichen Branchen nach Nürnberg verschlagen.

Aber auch in der Bilanz kehrt Feld aus. Im ersten Halbjahr wurden 111,7 Millionen Euro auf Firmenwerte abgeschrieben. Vor allem frühere Firmeneinkäufe und deren Potenzial wurden in den Büchern nach unten korrigiert, hauptsächlich in der Sparte Consumer Experiences, die das Einkaufsverhalten der Menschen erforscht.

Insgesamt wachsen die Geschäfte der GfK zwar in Süd- und Osteuropa sowie in Teilen Westeuropas, dazu im asiatisch-pazifischen Raum. In Nordeuropa, Latein- und Nordamerika allerdings schrumpfen sie. Eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Die GfK geht nach eigenem Bekunden auch für die zweite Jahreshälfte von einer "herausfordernden Wettbewerbssituation" aus. Schlimmstenfalls müsse man damit rechnen, die Ergebnisse des Vorjahres deutlich zu verfehlen. 2016 hatte die GfK knapp unter 1,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet und mit 136,5 Millionen Euro den größten Verlust ihrer Firmengeschichte eingefahren. So mehren sich Hinweise darauf, dass es mit ein paar kleineren Reparaturmaßnahmen nicht getan sein wird. Der GfK stünden vielmehr ein größerer Umbau und auch gravierende Einschnitte bevor, sind sich Beobachter und Experten einig. Nur der Umfang ist noch nicht klar. Allgemein wird in Nürnberg erwartet, dass die Sanierung mit Vehemenz beginnt, sobald die Firma nicht mehr an der Börse notiert ist. Das Tempo gibt dabei KKR vor und längst nicht mehr der GfK-Verein als Mehrheitseigner.

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