GfK:Affäre in Istanbul

Marktforschungsunternehmen Gfk

Nicht alle Mitarbeiter werden vom bisherigen GfK-Hauptsitz in Nürnberg in die neue Zentrale umziehen, die nun gebaut wird.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Eklat beim Marktforscher GfK: Ehemalige Vorstände sollen mehr als 30 Millionen Euro für angebliche Verwerfungen zahlen. Es geht um eine Steueraffäre in der Türkei.

Von Uwe Ritzer

Früher hätten Marktforscher meistens in den Rückspiegel geblickt, sagt Matthias Hartmann gern. "Heute und in Zukunft richtet sich ihr Blick jedoch nach vorn." Anstatt die Konsumgewohnheiten der Menschen zu dokumentieren und zu analysieren, gehe es darum, ihr künftiges Kaufverhalten treffsicher vorherzusagen. Seit Ende 2011 ist Hartmann, 50, Vorstandschef der GfK SE mit Sitz in Nürnberg, dem fünftgrößten Marktforschungsunternehmen weltweit. Ausgerechnet dort ist man nun gezwungen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Noch dazu mit der eigenen. Dabei geht es um viel Geld.

Drei Manager werden beschuldigt, über Jahre hinweg Steuern hinterzogen zu haben

Der Aufsichtsrat der GfK SE hat den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Klaus Wübbenhorst und den früheren Finanzchef Christian Weller von Ahlefeld auf Schadenersatz verklagt. Dem Vernehmen nach geht es, Nebenkosten mit eingerechnet, um weit mehr als 30 Millionen Euro im Zusammenhang mit illegalen Geschäften in der Türkei. Beide Manager hätten ihre gesetzlichen Aufsichts- und Sorgfaltspflichten verletzt, so der Vorwurf. Bereits Ende November 2014 erhob die GfK Schadenersatzklage gegen Wübbenhorst und Weller von Ahlefeld vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Von dem Verfahren drang jedoch lange nichts nach außen. Auch nicht nach einer ersten mündlichen Verhandlung im Oktober 2015, bei der keine Einigung erzielt wurde. Erste Medienanfragen veranlassten die GfK nach eigenem Bekunden am Dienstag dazu, mit dem Fall von sich aus an die Öffentlichkeit zu gehen.

Drei ehemalige Manager der türkischen Tochtergesellschaft GfK Arastirma Hizmetleri A.S. ion Istanbul hinterzogen offenkundig über Jahre hinweg Steuern und Sozialabgaben. Wübbenhorst, 60, war zur fraglichen Zeit nicht nur Vorstandschef des Mutterkonzerns, sondern auch Chef des Verwaltungsrates der türkischen Tochterfirma. Weller von Ahlefeld, Finanzvorstand von Juni 2005 bis zu seinem Ausscheiden Ende 2009, war für die Finanz- und Kontrollsysteme verantwortlich.

Der Betrug in der Türkei flog im Laufe des Jahres 2012 auf, wann genau ist strittig. Offenbar stießen interne GfK-Prüfer bei einer Routineuntersuchung auf die Unregelmäßigkeiten. Ende Januar 2013 informierte die GfK mit einer Ad-hoc-Meldung Anleger und Öffentlichkeit. Das 1934 von Ökonomieprofessoren wie dem späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard gegründete Unternehmen, das lange Zeit als Gesellschaft für Konsumforschung firmierte, ist seit 1999 eine börsennotierte Aktiengesellschaft. 56,5 Prozent der Aktien hält der GfK-Verein, der auf die Gründer zurückgeht. 2015 erwirtschafteten die etwa 13 000 Mitarbeiter der GfK SE einen Umsatz von gut 1,5 Milliarden Euro.

"Auf der Grundlage der umfangreichen externen und internen Untersuchungen" sei "der Aufsichtsrat gezwungen, Schadenersatz geltend zu machen", so der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Arno Mahlert. Die früheren Vorstände seien für den finanziellen Schaden verantwortlich.

Wübbenhorst wies die Vorwürfe zurück. "Ich bin mit meinen Anwälten der Überzeugung, dass ich keine Aufsichts- noch Sorgfaltspflichten vernachlässigt habe, auch nicht fahrlässig", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Der ganze Vorgang sei ihm naturgemäß "unangenehm". Die GfK selbst kommen die Manipulationen in der Türkei teuer zu stehen. Obwohl sich das Unternehmen unmittelbar nach dem Auffliegen der Betrügereien selbst bei den türkischen Finanzbehörden anzeigte, forderten diese Mitte 2014 in einem Bescheid nicht nur die Nachzahlung der kompletten Steuer, sondern zudem die höchstmögliche Strafe. Über die Gesamthöhe der Forderung wollte ein GfK-Sprecher keine Angaben machen. Er sagte, das Unternehmen habe gegen den entsprechenden Bescheid Rechtsmittel eingelegt, über die noch nicht abschließend entschieden sei.

Bereits 2012 bildete die GfK 21 Millionen Euro Rückstellungen, die seither weiter aufgestockt wurden; Ende 2014 wies die Bilanz Rückstellungen in einem Gesamtvolumen auf 36 Millionen Euro aus. Auf die laufenden Geschäfte oder die Kunden in der Türkei hätten die Vorgänge keinen Einfluss, so die GfK am Dienstag. Ein Strafverfahren gegen die früheren türkischen Manager sei noch nicht abgeschlossen, auch dazu machte die GfK auf Nachfrage keine näheren Angaben.

Parallel zum Nürnberger Schadenersatzprozess gegen die beiden Ex-Vorstände Wübbenhorst und Weller von Ahlefeld laufen außergerichtliche Vergleichsverhandlungen, hauptsächlich zwischen den GfK-Anwälten und der D & O-Versicherung, bei der die beiden Manager gegen etwaige Ansprüche dieser Art versichert sind. "Wir haben ein Interesse, dass es dabei zu einer Einigung kommt und würden eine solche sehr begrüßen", sagte ein GfK-Sprecher. Das ist kein Wunder, ist vor allem die Klage gegen Ex-Vorstandschef Wübbenhorst pikant. Schließlich verkörperte Klaus Wübbenhorst die GfK jahrzehntelang wie kein anderer. Er gehörte dem Vorstand von 1992 an an. Nach seinem Aufstieg zum Vorstandschef 1998, brachte der frühere Nürnberger IHK-Präsident (2005 bis 2010) das Unternehmen ein Jahr später an die Börse. Anschließend baute er die lange Zeit sehr auf Konsumforschung in Deutschland konzentrierte GfK mit zahlreichen Zukäufen zu einem internationalen Konzern aus. Heute ist die der Marktforscher, der hierzulande unter anderem die täglichen Fernseh-Einschaltquoten ermittelt, in etwa hundert Ländern vertreten.

"Aus persönlichen Gründen", wie es damals hieß, schied Wübbenhorst Ende 2011 als Vorstandschef aus, ein halbes Jahr früher als geplant. Einen Zusammenhang zur Türkei-Affäre gebe es aber nicht, sagen GfK-Kreise.

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