Süddeutsche Zeitung

Gewinnspiele:Per Kuhfladen zum Jackpot

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Wer als Unternehmer in Zeiten von "Wer wird Millionär'' mit Gewinnspielen locken will, muss oft mit hohen Geldsummen locken. Das Risiko decken Versicherungen.

Reinhold Rühl

Kühen beim Abfladen zuzusehen, kann eine wahre Freude sein - zumindest für denjenigen, der richtig voraussagt, wo der Haufen landet. Dieser Glückspilz konnte beim "Kuhbingo'' im Kleinwalsertal 100.000 Euro gewinnen.

Das anrüchige Spektakel ist angelehnt an ein traditionelles Spiel, mit dem sich früher die Bauernburschen der österreichischen Enklave vergnügten. Drei Kühe und eine in neun Felder aufgeteilte Wiese - mehr braucht es dazu nicht. Dann heißt es nur noch abwarten, auf welche Felder die Wiederkäuer ihre Fladen abladen. Gewinner ist derjenige, der die Felder richtig tippt.

Gewinnsummen in sechsstelliger Höhe - die schütteln auch Manager des Allgäuer Anlegerparadieses nicht so einfach aus dem Ärmel. Dennoch konnte Sandra Janser vom Kleinwalsertal Tourismus ganz entspannt zusehen, wo die drei Milchkühe mit den wohlklingenden Namen Amore, Anita und Barbarella ihren Dung hinsetzten.

Das Gewinnspiel war abgesichert durch eine Werbeagentur, die sich auf solche Ereignisse spezialisiert hat. Nur wenige tausend Euro musste der Tourismusverband, darunter das örtliche Casino und die Raiffeisenbank, als Prämie auf den Tisch legen - ein Klacks für das angepeilte Werbeziel:

Die Kleinwalsertaler erhielten dafür Aufmerksamkeit im "Medienwert von fünf Millionen Euro'', errechnet Ingo Philipps, Generalmanager bei der Agentur Sales Promotions & Solutions (SPS) in Oberhaching bei München. Schließlich haben über das Ereignis zahlreiche Fernsehkanäle und Zeitungen berichtet.

Das Verlustrisiko bei solchen Spielen hat die Agentur sorgfältig kalkuliert. Um teilnehmen zu können, müssen sich zunächst 100 Mitspieler durch Rubbellose qualifizieren. Die nächste Hürde bestimmt der Verdauungstrakt der Wiederkäuer. Es geht darum, jene drei Felder zu benennen, auf denen die Kühe ihren Dung fallen lassen.

Kein Risiko für den Veranstalter

Stimmt die Feldauswahl und dann auch noch die Reihenfolge der Mistablage, dann heißt es "Bingo''. Bei der Premiere vor drei Jahren ließen die Vierbeiner die auf den Hauptgewinn Hoffenden bereits in der Vorrunde im Stich. Schon nach den beiden ersten abgesetzten Kuhfladen war klar, dass keiner der Finalteilnehmer die richtige Kombination erraten hatte.

Die Veranstalter gewinnen immer. Hauptsache, die Spielregeln oder der Gewinn sind spektakulär. Dann tritt über das Medienecho der gewünschte Werbeeffekt fast von alleine ein. Deshalb werden Zocker in Deutschland inzwischen massiv mit Wetten und Gewinnspielen umworben.

Die Oberhachinger Gewinnspielprofis können dabei auf internationale Erfahrungen zurückgreifen. Als Tochter des Versicherungsmaklers Caninenberg & Schouten und des Weltmarktführers SCA Promotions mit Sitz in Dallas (USA) versichert die Gruppe weltweit rund 500 Gewinnspiele pro Monat. Sie hat nach eigenen Angaben bereits über 100 Millionen Dollar als Gewinne ausgezahlt.

Deutschland spielt allerdings noch keine große Rolle. "Die Firmen ziehen nicht so recht mit'', bedauert Agentur-Mann Philipps. Noch immer setzten die Firmen vor allem auf klassische Verlosungen. Diese sind allerdings nicht versicherbar, da - zumindest seriöse -Veranstalter den Gewinn in jedem Fall auszahlen müssen.

Das Repertoire der Werbeprofis ist viel größer: Mehr als 50 Gewinnspiele stehen zur Auswahl. Darunter Entenrennen, Schätzspiele, Rubbelkarten oder spektakuläre Aktionen wie ein "Millionensprung''. Den konnten vor wenigen Monaten die Hörer des Lokalsenders "Hitradio 100,5'' live mitverfolgen.

Unter einem Bungee-Kran in Eschweiler hatte die Agentur einen Airbag aufgestellt, darauf ein Raster mit Feldern. Der Teilnehmer hielt während seines Sprungs aus 50 Meter Höhe einen Ball in der Hand, den er am tiefsten Punkt auf das Raster des Airbags werfen musste.

In einem der Felder war ein Umschlag mit dem Preisgeld versteckt - eine Million Euro. Den hat der Teilnehmer verfehlt, sehr zur Freude eines SPS-Gesellschafters, der als Beobachter extra aus den USA eingeflogen war.

Immer höher muss die Gewinnsumme sein, immer spektakulärer die Aktion, damit in Zeiten von "Wer wird Millionär?'' das Spiel noch auffällt. Das aber wird für Firmen mit schmalem Werbebudget zum Problem. "Ein Mofa als Hauptgewinn lockt keinen mehr hinter dem Ofen hervor'', weiß Philipps.

"Da spielen selten mehr als 300 Teilnehmer mit.'' Sechs- oder siebenstellige Teilnehmerzahlen lassen sich dagegen nur mit spektakulären Preisen erzielen. Hier wirkt der Hebeleffekt durch die Versicherung.

Drei bis fünf Prozent der Gewinnsumme zahlen die Veranstalter an die Agentur und sind bei einem Volltreffer aus dem Schneider. Damit alles mit rechten Dingen zugeht, überwacht ein Vertreter der Agentur mit Argusaugen den korrekten Ablauf.

Preisausschreiben zum Kundenfang

Das freilich ist bei den über 10.000 Gewinnspielen, die pro Jahr in Deutschland laufen, nicht immer gewährleistet. Vor allem im Internet nutzen verstärkt dubiose Firmen Preisausschreiben zum Kundenfang. Ob die Anbieter die ausgelobten Gewinne tatsächlich auszahlen, können Teilnehmer kaum überprüfen.

Transparent sind dagegen Geschicklichkeitsspiele, zum Beispiel das aus dem ZDF-Sportstudio bekannte Torwandschießen. Jeder Kandidat stellt sich im Abstand von sieben Meter vor der Torwand auf. Das Ziel: Mit sechs Schüssen sechs Treffer zu landen - drei in das untere und drei in das obere Loch. Die Regeln sind klar, aber wie ist die Trefferwahrscheinlichkeit?

Testen konnten das Ballamateure Mitte September am verkaufsoffenen Sonntag im nordrheinischen Meerbusch. Dort hatte ein Autohaus eine Torwand aufgebaut, daneben stand der Gewinn: ein neuer Suzuki Swift im Wert von etwa 12.500 Euro. Mitgenommen hat den Wagen keiner - der beste Schütze traf dreimal ins Loch.

Selbstverständlich hat die Versicherung die Trefferwahrscheinlichkeit überprüfen lassen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Auch Profis tun sich schwer. Zuschauer des ZDF-Sportstudios können das jeden Samstag beobachten: Sechs Treffer hat bisher noch kein einziger Studiogast erzielt.

Selbst fünf sind ausgesprochen selten. Günter Netzer hatte das 1974 erstmals geschafft. "Wenn ich das gewusst hätte'', sagt Autohändler Willi Krüger, "hätte ich mir die Versicherung sparen können.''

Manchmal lässt Fortuna auch die Versicherung im Stich. Und das kann richtig teuer werden. Der Lokalsender Hitradio RT 1 in Augsburg hatte kurz vor Einführung des Euro die Fuggerstadt acht Wochen lang mit einer Geldscheinsuche in Aufregung versetzt. Bei "100.000 Mark für Ihren Zehner'' ging es um die Seriennummern von Zehnmarkscheinen, die die Agentur im Sendegebiet verteilte.

Sechs Hörer präsentierten den Moderatoren dann doch die richtigen Ziffern und kassierten jeweils 100.000 Mark. Noch teurer wurde es für SPS in Berlin. 2003 machte das Gewinnspiel von Radio Energy zum ersten Mal in der Radiogeschichte einen Hörer zum Euro-Millionär.

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Quelle:
SZ vom 6.10.2007
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