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Gewinner sollen Steuern zahlen:Deutschland schröpft den Superstar

Schleimdusche im Dschungelcamp oder Zickenkrieg auf dem Weg zum Topmodel: Wer bei Fernsehshows gewann, wurde bislang reich entlohnt. Künftig könnte jedoch das Finanzamt mitverdienen. Das höchste deutsche Finanzgericht will Steuern auf die Prämien erheben.

Andreas Jalsovec

Silvia Amarus größter Wunsch ist es, gesund zu bleiben - und natürlich "Deutschlands nächster Superstar zu werden". So schreibt es die 21-Jährige in ihrem Steckbrief, der auf der Homepage des Fernsehsenders RTL steht. Eine gute Chance auf den Titel hat die Hamburgerin jedenfalls. Denn sie gehört zu den zehn letzten Kandidaten, die ab Samstag um den Sieg in der Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) kämpfen.

Sollten die Zuschauer am Ende tatsächlich die brünette Hobby-Sängerin mit italienischen Wurzeln zum Superstar küren, dann winken ihr neben einem Plattenvertrag auch noch 500.000 Euro Siegprämie. Von dem Geld allerdings kann sie möglicherweise gerade einmal die Hälfte behalten. Den Rest kassiert unter Umständen das Finanzamt.

Grund ist ein sogenannter Gerichtsbescheid, den jetzt der Bundesfinanzhof (BFH) erlassen hat. Wer demnach bei Fernsehshows wie "Big Brother", DSDS, "Germany's Next Topmodel" oder dem "Dschungelcamp" als Teilnehmer eine Prämie einheimst, muss nach Auffassung des höchsten deutschen Finanzgerichts dafür auch Steuern zahlen.

Klar gemacht haben die Richter das am Fall des 34-jährigen Sascha Sirtl. Im Jahr 2005 gewann der Kölner eine Million Euro bei der Container-Show Big Brother. Drei Jahre später klopfte das Finanzamt bei dem gelernten Maurer an und forderte Steuern auf die Gewinnsumme ein. Sirtl zog mit seinem Anwalt Burkhard Binnewies bis vor den Bundesfinanzhof.

Der BFH machte jetzt mit seinem Bescheid klar, dass das Geld zu versteuern sei. Eine endgültige Entscheidung ist das noch nicht. Das Urteil fällt erst nach der abschließenden mündlichen Verhandlung. "Allerdings sind die Erfolgsaussichten, das noch mal umzudrehen, sehr begrenzt", weiß Binnewies.

Der Anwalt hält die Auffassung, die die obersten Steuerrichter in ihrem Bescheid vertreten, für "revolutionär". Denn das Geld, das man aus einer Show wie Big Brother mitnimmt, gilt demnach nicht mehr als Gewinn aus einem Spiel oder einer Wette. Die Richter sehen es als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

Begründung: Die Kandidaten verbringen mehrere Wochen oder gar Monate bei der Show und sind eingebunden in deren Betriebsablauf. Nach dieser Auffassung seien auch DSDS- oder Dschungelcamp-Sieger als Arbeitnehmer zu sehen, meint Anwalt Binnewies. Ein Gewinner bei Günter Jauchs Quiz-Show "Wer wird Millionär" könnte hingegen das Geld ohne Abzug einstreichen - ähnlich wie jeder Lottogewinner.

Sollten die BFH-Richter daher am Ende tatsächlich so urteilen, würde das nicht nur die Siegprämien aller künftigen Gewinner von Shows wie Big Brother oder DSDS erheblich schmälern. Auch für ehemalige Container-Größen und Superstars hätte ein solcher Richterspruch unangenehme Folgen - vor allem dann, wenn sie ihren Gewinn bereits auf den Putz gehauen haben und der Fiskus die Steuer nachfordert. "Die sind dann pleite für den Rest ihres Lebens", meint Burkhard Binnewies. Seiner Erkenntnis nach sind noch etliche Verfahren anhängig, deren Richter nur auf das BFH-Urteil warten.

Sein Mandant Sascha Sirtl freilich hat vorgesorgt: Mit der Hälfte des Millionengewinns habe er Schulden bezahlt, seinen Eltern ein Haus gekauft und sich selbst einen BMW X5 geleistet, verriet er dem Kölner Express. Die andere Hälfte habe er zurückgelegt für den Fall, dass das Urteil tatsächlich gegen ihn ausfällt.

Künftige Show-Sieger könnten sich das zumindest sparen. Denn Sender und Produktionsfirmen wären als Arbeitgeber verpflichtet, gleich die Lohnsteuer auf den Gewinn abzuführen. Möglicherweise sind sogar Sozialabgaben fällig. Das aber sei immer noch besser, als die in Geschäftsdingen oft unerfahrenen Show-Sieger blindlings in die Steuerfalle laufen zu lassen, meint Anwalt Binnewies: "Die kriegen ihr Geld netto und sind vor künftigen Nachforderungen geschützt." Wer denkt auch auf der großen Show-Bühne gerne ans Finanzamt? Silvia Amaru sicher nicht. Wie heißt es doch unter "Lebensmotto" in ihrem Steckbrief: "Lebe und denke nicht an morgen."

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SZ vom 03.03.2012/infu
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