Gewinner des Ausstands:Wer vom Streik profitiert

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Die Bahn streikt, Carsharing boomt: Elektroautos einer Vermietungsfirma in Berlin. (Foto: dpa)

Bei der Bahn geht nichts mehr - bei den Konkurrenten umso mehr. Das Geschäft von Autovermietern, Airlines, Fernbussen und Tankstellen boomt plötzlich.

Von Jens Flottau und Lea Hampel, München

Kurz sah es nach einem Hackerangriff aus, so schnell stiegen die Nutzerzahlen. Kurz nach 15 Uhr hatte die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) die Streikzeiten bekannt gegeben. In den Minuten danach gingen so viele Menschen auf blablacar.de wie noch nie, seit das französische Unternehmen eine deutsche Mitfahr-Plattform betreibt. "Das hat erst einmal Alarm ausgelöst", sagt Sprecher Christian Schiller. Dabei war das Szenario bekannt: Das Portal hatte beim Streik vor zwei Wochen seine Serverkapazitäten ausgedehnt. "Dieses Mal ist die Dimension noch größer", sagt Schiller.

Der Streik dieses Mal ist länger als der letzte - dementsprechend steigt die Anzahl derer, denen er nutzt. Das sind zunächst vor allem klassische Autovermieter. "Seit Dienstagabend haben die Menschen über alle Kanäle versucht zu buchen", sagt eine Avis-Sprecherin. Natürlich habe man sich vorbereitet. "Doch die begehrten Einwegstrecken sind problematisch. Wir haben für den Montag danach lange feststehende Buchungen, denen wir nachkommen müssen", so die Sprecherin. "Da können wir nicht unbegrenzt Autos auf den Weg schicken."

Neben traditionellen Vermietern profitieren andere Verleiher, Car2go etwa. Und bisher unbekannteren Anbietern beschert der Streik Werbung. "Schon vor zwei Wochen haben wir viele neue Nutzer bekommen", sagt Sebastian Ballweg von autonetzer.de, einer Plattform, auf der jeder seinen privaten Wagen vermieten kann. Seit der Streikankündigung haben sich die Buchungen vervierfacht. "Wochenendfahrten sind bei uns ohnehin gefragt", sagt Ballweg. Weil die Autos von privaten Anbietern kommen, sei die Auswahl in ländlichen Regionen besser als bei kommerziellen Anbietern, die sich auf Städte konzentrieren.

Tankstellenbesitzer rechnen mit nervenaufreibenden Szenen

Zusätzlich zu Alternativen auf der Straße profitieren die deutschen Fluggesellschaften und stellen auf innerdeutschen Verbindungen eine deutlich höhere Nachfrage fest. Laut einem Sprecher von Air Berlin liegt die Anzahl der Online-Buchungen im innerdeutschen Verkehr derzeit rund zwölf bis 15 Prozent höher als prognostiziert. Auch die Lufthansa verzeichnete eine höhere Nachfrage. Allerdings sind die innerdeutschen Flüge kurz vor Abflug in der Regel gut ausgelastet, Kontingente gibt es vor allem außerhalb der Stoßzeiten - zu entsprechenden Preisen.

Ein Flug von Frankfurt nach Berlin und zurück kostet bei Air Berlin am Freitag in der günstigsten Kombination 490,16 Euro, normalerweise ist er auch bei später Buchung günstiger zu haben. Bei Lufthansa waren auf nur noch zwei Verbindungen von Frankfurt nach Berlin am Freitagmorgen Sitze zu bekommen, die nächsten gibt es erst am Samstag. Das Unternehmen erwog allerdings am Mittwoch, in den nächsten Tagen größere Maschinen einzusetzen.

Eine beliebte Alternative sind auch Fernbusse - zusätzliche Fahrer, Doppeldecker und mehr Personal an den Schaltern sind einige der Maßnahmen, die die Anbieter "Mein Fernbus" und "Flixbus" getroffen haben. Wie auch bei den Autoverleihern sind die Strecken zwischen Großstädten besonders begehrt. "Schon jetzt verzeichnen wir Rekordumsätze", sagt "Flixbus"-Sprecherin Bettina Engert.

Mit denen können auch Tankstellenbesitzer rechnen, aber ebenso mit nervenaufreibenden Szenen. Schon beim Streik vor zwei Wochen war es zu Engpässen gekommen. Diesmal fällt die Arbeitsniederlegung in eine heikle Phase: Im Oktober und November wird auf Winterdiesel, eine frostbeständigere Variante, umgestellt. Weil üblicherweise von Anfang Oktober bis Mitte November der "Winterdiesel I" ausgegeben wird und ab Mitte November "Winterdiesel II", sind die Vorräte an Tankstellen geringer als sonst. Zudem kommt ein Großteil des Nachschubs üblicherweise über die Schiene. Doch der Güterverkehr wird ebenfalls bestreikt und die Ausweichmöglichkeiten, zusätzliche Tanklaster und Binnenschifffahrt, sind laut Mineralölwirtschaftsverband langsamer.

Dennoch muss niemand Angst haben, gar nicht von der Stelle zu kommen: "Irgendein Auto gibt es immer", sagt Frieder Bechtel vom Portal billiger-mietwagen.de. Er rät, im Notfall das größere Auto zu nehmen und Fahrgemeinschaften zu bilden. Das ist ganz im Sinne von Blablacar. Nutzer des Portals wurden am Mittwoch per Mail zu einem "Mobilitäts-Marathon" und Solidarität mit versetzten Bahn-Kunden aufgerufen - mit Erfolg: Nicht nur die Anzahl der Anfragen stieg. Sondern es gab zwischen Mittwoch und Donnerstag zusätzliche Angebote im fünfstelligen Bereich. "Beim letzten Streik haben wir Aufmerksamkeit bekommen", sagt Blabla-Sprecher Christian Schiller. "Diesmal geht es in die Praxis."

© SZ vom 06.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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