Süddeutsche Zeitung

Gewerkschaftschef:Lokführer wenden sich gegen GDL-Chef Weselsky

  • Zahlreiche Lokführer wenden sich gegen ihren Gewerkschaftschef Claus Weselsky.
  • Im Arbeitskampf mit der Deutschen Bahn stimmen sie mit Weselskys Forderungen grundsätzlich überein, sein Führungsstil missfällt ihnen jedoch.
  • Streikziele müssten zudem von der Basis kommen, und nicht vom Chef diktiert werden, sagen sie.

Von Daniela Kuhr

"Sehr geehrter Herr Weselsky", heißt es in dem Schreiben, mit dem ein Lokführer aus Bayern seinem Ärger Luft verschafft, "räumen Sie Ihren Platz für einen neuen Vorsitzenden, der die GDL wieder zu einer ehrlichen, glaubwürdigen Gewerkschaft formt, hinter der die Mitglieder wieder stehen können."

Die "Ratio" des Streiks sei "mit gesundem Menschenverstand" nicht mehr nachzuvollziehen, "völlig überzogen" seien die Forderungen der Gewerkschaft. Den Brief hat der Lokführer dann doch nicht abgeschickt. Aber schreiben musste er ihn. Die Verärgerung sei zu groß, sagt der 31-Jährige, der nicht möchte, dass sein Name in der Zeitung steht.

Fünf Mal hat Weselsky seit September zum Streik aufgerufen

Wenn er ihn abgeschickt hätte, wäre der Brief an Claus Weselsky gegangen, den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL). Weselsky hat sich zum Ziel gesetzt, nicht mehr nur für Lokführer Tarifverträge abzuschließen, sondern auch für Zugbegleiter und Bordkellner.

Schon fünf Mal hat er deshalb seit September zum Streik aufgerufen. Wer Weselsky in diesen Tagen reden hört, muss den Eindruck gewinnen, die Lokführer stünden geschlossen hinter ihm. Doch das täuscht: Nicht nur außerhalb, auch in der GDL mehren sich Stimmen, die sein Verhalten alles andere als gutheißen.

"Vor sieben Jahren, als wir GDL-Lokomotivführer erstmals für einen eigenen Tarifvertrag kämpften, war die Streikbeteiligung jedenfalls deutlich größer", sagt Volker Siewke, Sprecher der Initiative für mehr Demokratie und Rechtstaatlichkeit in der GDL. Die Initiative hatte sich im Sommer 2013 gegründet, weil einige langjährige Gewerkschaftsmitglieder Weselskys Führungsstil als diktatorisch empfanden.

Zu ihnen gehörte auch Weselskys Vorgänger Manfred Schell. "Zwar standen vergangenes Wochenende 85 Prozent der Züge still", sagt Siewke, "doch das gelingt auch, indem wenige Züge so bestreikt werden, dass keine anderen mehr daran vorbeikommen."

Aus Gesprächen mit Kollegen schließt Siewke, dass die Streikbeteiligung "weit unter 85 Prozent" gelegen habe, "das zeigen auch die Rückmeldungen, die unsere Initiative derzeit erhält". Die Stimmung sei "längst nicht so aufgebracht wie vor sieben Jahren". Ähnliches berichtet ein Lokführer, der in Oberbayern Regionalzüge fährt und seit Jahren GDL-Mitglied ist. "Ich habe am Wochenende kaum einen bestreikten Zug gesehen", sagt er. Sein Eindruck ist, dass das Verständnis für den Arbeitskampf "rapide sinkt". Zumal dessen Ziel ungewöhnlich ist.

"In Wahrheit geht es nicht um mehr Lohn für die Lokführer", sagt Siewke, "sondern vordringlich darum, dass Herr Weselsky auch das übrige Zugpersonal vertreten will, obwohl dort eindeutig eine andere Gewerkschaft die Mehrheit hat." Zwar will auch Siewke der GDL nicht die Kompetenz zur Vertretung des gesamten Zugpersonals absprechen. "Voraussetzung ist aber, dass sich die Zugbegleiter der GDL mehrheitlich und aus Überzeugung anschließen", sagt er.

Streikziele müssten immer von der Basis kommen: "Derzeit haben wir es aber mit Forderungen zu tun, die vom GDL-Vorsitzenden diktiert werden." Siewke ist überzeugt, dass die Streikbereitschaft weiter sinkt. Weselsky dürfte das anders sehen. Äußern wollte er sich zu der Kritik aus den eigenen Reihen nicht.

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SZ vom 24.10.2014/fued
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