Gewerkschaftsbund:Luft nach oben

Lesezeit: 2 min

Der DGB hat zum Jahresauftakt viele Wünsche - und bald eine neue Frau im Vorstand. Ganz oben auf der Liste stehen massive öffentliche Investitionen - und die Rückkehr zum Instrument der Kurzarbeit. Der DGB wird sich aber auch um sich selbst kümmern müssen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reicht seinen Wunschzettel traditionell nach Weihnachten ein. Am Dienstag war es wieder so weit: Zum Jahresauftakt teilte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in Berlin mit, welche Schwerpunkte sie für 2020 setzen wollten. Was im Großen und Ganzen gleichbedeutend ist mit: welche politischen Forderungen die Gewerkschaften für 2020 haben.

Ganz oben auf der Liste: "massive öffentliche Investitionen". Angesichts von Technologiesprüngen, Klimawandel und Digitalisierung stehe die deutsche Industrie vor "tief greifenden Anpassungsprozessen", sagte Hoffmann. Die Kurzarbeit müsse deshalb wieder stärker zum Einsatz kommen, was die Union "bitteschön nicht länger blockieren" solle. Es ist das "Arbeit-von-morgen-Gesetz" von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), auf das Hoffmann damit anspielte. Darin ist vorgesehen, dass die Krisenregelungen zur Kurzarbeit aus der Zeit der Finanzkrise im Zweifel schnell reaktiviert werden können. Allerdings will Heil noch eine Reihe weiterer Neuerungen gleich mit durchsetzen, unter anderem neue Qualifizierungsprogramme. Das aber sieht die Union skeptisch.

Ebenfalls auf Wiedervorlage legen will der DGB einen höheren Mindestlohn. Vorstandsmitglied Stefan Körzell verlangte eine "außerordentliche Erhöhung" durch die Mindestlohnkommission auf zwölf Euro. Da es aber mehr als unwahrscheinlich ist, dass die Arbeitgeber einer solchen Erhöhung zustimmen würden, forderte Körzell die Bundesregierung auf, im Zuge der anstehenden Evaluierung des Mindestlohngesetzes die Lohnuntergrenze eigenhändig anzuheben. Danach solle dann wieder das bisherige Anpassungssystem gelten. Ebenfalls in der Pflicht sieht der DGB den Staat beim Thema Tariftreue: Um die Tarifbindung zu stärken, dürften öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Firmen vergeben werden. "Mit unseren Steuern wird Lohndumping finanziert", kritisierte Hoffmann den Status quo.

Für die Rente, aus Sicht des DGB eine politische Dauerbaustelle, wird im Bundesvorstand der Gewerkschaftsorganisation künftig ein neues Mitglied zuständig sein: Die Grünen-Politikerin Anja Piel aus Niedersachsen soll Annelie Buntenbach ablösen, die nach 14 Jahren in den Ruhestand geht. Nach Buntenbach, die Mitglied der Grünen ist, sei abermals eine Vertreterin der Grünen gesucht worden, machte Hoffmann am Dienstag deutlich. Piel, 54 Jahre alt und Fraktionschefin der Grünen im niedersächsischen Landtag, wird genau wie Buntenbach für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zuständig sein - und damit auch für die Rente.

Neben seiner politischen Agenda wird sich der DGB allerdings auch um sich selbst kümmern müssen - beziehungsweise um seine Mitgliedsgewerkschaften und deren Mitgliederentwicklung. Im vergangenen Jahr hätten sich die Zu- und Abgänge in etwa ausgeglichen, sagte Hoffmann; bis auf "leichte Verluste im Nachkommabereich" sei es bei knapp sechs Millionen Gewerkschaftsmitgliedern geblieben. Angesichts von 33 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigter aber, sagte Hoffmann, sei da noch "ganz viel Luft nach oben".

© SZ vom 22.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: