Gewerkschaften:DGB will enger zusammenarbeiten - ohne Verdi

  • Zwischen den acht Gewerkschaften des DGB-Dachverbandes gibt es immer wieder Streit um Zuständigkeiten. Oft stehen sich die Industrievertreter und Dienstleistungsgewerkschaften gegenüber.
  • Bei einem Treffen vereinbaren die vier Industrie-Gewerkschaften eine engere Kooperation - ohne die vier Vereinigungen für Beschäftigte im Dienstleistungsbereich.
  • Warum keine Dienstleistungsgewerkschaftler dabei sind? "Das müssen Sie die fragen", sagte Kirchner von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft.

Von Detlef Esslinger, Berlin

Seit Langem gibt es Konflikte innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), am Mittwoch wurden sie öffentlich demonstriert: Die Vorsitzenden von vier Gewerkschaften sowie der Vorsitzende des DGB stellten eine Vereinbarung vor, die eine Kooperation dieser vier Gewerkschaften ermöglichen soll. Es handelt sich dabei um die IG Metall, die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die IG BAU sowie um die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Dem DGB gehören aber insgesamt acht Gewerkschaften an.

Es war eine äußerst ungewöhnliche Veranstaltung, zu der da in ein Berliner Hotel eingeladen wurde. Vermutlich seit Jahrzehnten nicht mehr luden vier DGB-Gewerkschaften plus der Vorsitzende des Dachverbands gemeinsam ein, und normalerweise werden zu Presseterminen zahlreiche Medien gerufen, und dies schriftlich. Hier aber gab es die Einladung, unter vager Angabe des Themas, einen Tag vorher per Telefon, und sie ging auch nur an vier Zeitungen. "Ich begrüße Sie zu unserem . . . äh . . . Gespräch", sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann zu Beginn, nach einer Etikettierung des Termins suchend, bei dem es sich ja ganz gewiss nicht um eine Pressekonferenz handelte. Neben ihm die Vorsitzenden Detlef Wetzel (IG Metall), Michael Vassiliadis (IG BCE), Robert Feiger (IG BAU) und Alexander Kirchner (EVG). Sie repräsentieren 3,4 Millionen von 6,1 Gewerkschaftsmitgliedern.

Stone sculpture in shape of clenched fist is seen on table of delegate during congress of the Federation of German Unions (DGB) in Berlin

Auf eigene Faust: Die Industrie-Gewerkschaften im DGB gehen auf Distanz zu Verdi.

(Foto: Thomas Peter/Reuters)

Vordergründig macht eine solche Kooperationsvereinbarung Sinn. In der Wirtschaft verändern sich die Produktionsprozesse und die Organisation von Betrieben; es macht daher mittlerweile wenig Sinn, "die Welt noch mittels Branchen zu erklären", wie Wetzel sagte. Wenn ein Autohersteller, für den bisher die IG Metall zuständig war, nicht nur den Transport per Bahn, sondern auch die Montage dafür an einen Logistik-Dienstleister vergibt, stellt sich auch für Gewerkschaften wie EVG oder Verdi die Frage, ob die Beschäftigten der Dienstleister nicht im Grunde ihre Klientel sind. Weil die Gewinnung von Mitgliedern aber für tendenziell schrumpfende DGB-Gewerkschaften die wichtigste und die schwierigste Aufgabe ist, hat es immer wieder relativ hässlich ausgetragene Zuständigkeitskonflikte gegeben. Derlei wollen die vier Gewerkschaften nun beenden. Die Vereinbarung regelt, nach welchen Kriterien eine Gewerkschaft die Zuständigkeit für einen Betrieb reklamieren darf und wann es im Streitfall eine Mediation, Vorstandssitzungen oder gar die Anrufung eines Schiedsgerichts geben soll.

Wo ist Bsirske? "Nicht hier."

Das Problem dabei: Die erbittertsten Konflikte haben nicht so sehr IG Metall, IG BCE, IG BAU und EVG miteinander ausgetragen. Sondern sie alle wechselweise mit Verdi. Frage also an die fünf Vorsitzenden: Wo ist Verdi, wo ist deren Chef Frank Bsirske?

Antwort von Wetzel: "Nicht hier."

Gewerkschaften: SZ-Grafik: Eiden; Quelle: DGB

SZ-Grafik: Eiden; Quelle: DGB

Auch Lakonie ist eine Form, etwas auszusagen. Die Gewerkschaftschefs in dem Hotel bemühten sich mehrmals und manchmal auch wortreich, das Harmlose an ihrer Vereinbarung herauszustellen. "Ich sehe darin einen konstruktiven Beitrag zur Stärkung der Zusammenarbeit unter dem Dach des DGB", sagte Hoffmann, der DGB-Chef. "Diese Kooperation ist gegen niemanden gerichtet, sondern nur für uns", sagte Vassiliadis, der Kollege von der IG BCE. "Es gibt eine Offenheit für alle innerhalb des DGB, sich uns anzuschließen", sagte Feiger von der IG BAU. "Wir signalisieren, dass wir eine gemeinsame Philosophie haben", so begann schließlich Kirchner von der EVG. Und machte mit dem Hinweis weiter, dass noch nicht alle Gewerkschaften so weit seien, "auf unsere gemeinsame Basis einsteigen zu können".

Warum? Daraufhin wurde auch Kirchner sehr lakonisch: "Das müssen Sie die fragen."

Der DGB ist in den vergangenen Jahren immer wieder mal aus den Reihen seiner Mitgliedsgewerkschaften infrage gestellt worden; die Kulturen in den acht Organisationen sind recht unterschiedlich. Wie viel vor allem Industrie- und Dienstleistungsgewerkschaften voneinander trennt, wurde auch am Mittwoch immer wieder deutlich. Zum Beispiel in dem scheinbar so harmlosen Satz, mit dem Feiger von der IG BAU die Vereinbarung begründete: "Ein Vertrauensverhältnis ist natürlich elementar für eine solche Herangehensweise."

Anders gesagt: Die vier trauen einander. Den anderen im DGB nicht.

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