Die Welt der Gewerkschaften ist voll von Wörtern, die für die allermeisten Menschen der Übersetzung bedürfen. Das gilt auch für die „Tariftreue“, über die in Berlin zurzeit erregt diskutiert wird. Als treu dürfen in dieser Hinsicht all jene Firmen und sonstigen Arbeitgeber gelten, die ihre Angestellten nach Tarif entlohnen; um deren Zahl ist es in der Bundesrepublik jedoch eher schlecht bestellt. Inzwischen gilt nur noch für etwa die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland ein Tarifvertrag; im Jahr 2000 lag ihr Anteil noch bei knapp 70 Prozent. Den Gewerkschaften ist das zuwider, sie fürchten nicht nur Dumpinglöhne für Millionen Beschäftigte, sondern auch den eigenen Bedeutungsverlust. Umso mehr freut sie es, dass Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kürzlich einen neuen Entwurf für das Tariftreuegesetz vorgelegt hat: Der Bund soll demnach öffentliche Aufträge ab 25 000 Euro nur noch an Firmen vergeben dürfen, die mindestens Tariflohn zahlen und weitere Standards einhalten. Das soll wieder mehr Arbeitgeber dazu bringen, Tarifverträge anzuwenden. Doch die Ampel wäre nicht die Ampel, wenn es nicht gleich wieder Streit gäbe: Medienberichten zufolge vermutet die FDP in dem Gesetz ein neues bürokratisches Monstrum und versucht, es zu verzögern.
Aktuelles Lexikon:Tariftreue
Wenn Arbeitgeber die Arbeitnehmer so entlohnen, wie es mit den jeweils zuständigen Gewerkschaften vereinbart ist. Nun Anlass für Streit in Berlin.
Von Benedikt Peters
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