Gewerbesteuer:Kluft zwischen armen und reichen Kommunen wächst

Zahlreiche Kommunen in Deutschland haben auch 2013 ihre Steuern für Unternehmen erhöht. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Hebesätze in fast 700 Gemeinden, die der SZ vorliegt. Die Unterschiede zwischen armen und reichen Kommunen werden immer größer.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn es darum geht, Bürger oder Unternehmen zur Kasse zu bitten, können Kommunen durchaus erfinderisch sein. Die Stadt Köln wollte schon von Wirten für Warteschlangen vor Diskotheken eine Steuer einführen, die von der Länge der Schlange abhängen sollte (kein Aprilscherz). Essen beschloss 2010 eine Bräunungsteuer für Geräte in Solarien. Und die Bettensteuer für Hotelübernachtungen verlangen manche Städte sowieso schon. Was es überall gibt, ist die Gewerbesteuer, sozusagen die Brot- und Buttersteuer der Kommunen, ohne die gar nichts geht. Wie viel eine Firma zu zahlen hat, hängt dabei maßgeblich vom Standort ab, weil die Gemeinden die Hebesätze für die Gewerbesteuer selbst festlegen können. Von einem Mittelständler mit einem Gewinn von zwei Millionen Euro fließen zum Beispiel in Oberhausen fast 153.000 Euro mehr in die Stadtkasse als in Monheim.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wollte es nun genau wissen. Die Kammerorganisation hat 2013 erstmals von fast 700 Gemeinden ab 20.000 Einwohnern ermittelt, in welcher Höhe sie die wichtigsten Steuern verlangen. Maßgeblich ist dabei der Hebesatz, also der Multiplikator, den die Kommune selbst für die Erhebung der jeweiligen Steuer festlegen kann. Bei einem Hebesatz von zum Beispiel 300 Prozent wird der Steuermessbetrag mit drei multipliziert. Bislang erfasste der DIHK bei seiner jährlichen Analyse nur die 189 Gemeinden mit mindestens 50.000 Einwohnern.

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt: Die Steuern gehen tendenziell weiter nach oben. 127 Gemeinden haben ihren Hebesatz für die Gewerbesteuer 2013 erhöht. Bei den größeren Kommunen ab 50.000 Einwohnern greift sogar ein Drittel von ihnen in diesem Jahr stärker zu. Auch bei den Steuern für Grundstücke geht es weiter aufwärts: Den Hebesatz für die Grundsteuer A, die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft zahlen müssen, haben 107 Gemeinden angehoben. Bei der Grundsteuer B, die für andere Betriebe fällig ist, waren es 165 Kommunen. "Ein Sechstel der Unternehmen in den Gemeinden ab 20.000 Einwohnern haben in diesem Jahr sogar eine doppelte Mehrbelastung bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer B, die teilweise sehr hoch ausfällt", sagt Rainer Kambeck, Bereichsleiter Steuern beim DIHK. Die Unterschiede sind jedoch riesig.

Im Durchschnitt liegt der Hebesatz für die Gewerbesteuer jetzt bei 428 Prozent. Ein Jahr zuvor waren es noch 425. Unter den Flächenländern wird in Nordrhein-Westfalen am stärksten zugegriffen. Hier beläuft er sich auf 459 Prozent, in Brandenburg liegt der Wert nur bei 378. In der Analyse des DIHK heißt es: Vor allem die Kommunen mit 50.000 bis unter 75.000 Einwohnern erhöhten ihre Hebesätze. Deutlich zurückhaltender seien die Gemeinden mit mindestens 100.000 Einwohnern. In Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und den Stadtstaaten sei der durchschnittliche Hebesatz unverändert geblieben. Am stärksten fielen die Aufschläge in diesem Jahr in Thüringen aus.

"Kein taugliches Instrument zur Haushaltssanierung"

Große Unterschiede gibt es ebenfalls bei der Grundsteuer B. Im Durchschnitt aller untersuchten 684 Gemeinden liegt der Hebesatz bei 498 Prozent, verglichen mit 484 im Vorjahr. Am höchsten fällt die Steigerung in Hessen aus. Saarland ist mit einem Satz von 393 Prozent am günstigsten, Sachsen mit 558 Prozent am teuersten. Ein Mittelständler, dessen Grundstücke mit einem Einheitswert von 1,5 Millionen Euro festgesetzt wurden, müsste in Haltern am See in Nordrhein-Westfalen gut 39.000 Euro mehr an Grundsteuern zahlen als in Ingelheim am Rhein in Rheinland-Pfalz.

Als Grundproblem der Kommunalfinanzen gilt die Kluft zwischen Arm und Reich. Im Bundesdurchschnitt nahmen Gemeinden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal 2012 etwa 120 Euro pro Kopf ein. In Hessen waren es jedoch fast 260 Euro, in Brandenburg nur 43 Euro. Diese Zwei-Klassen-Gesellschaft wird noch verstärkt: Reiche Kommunen stehen weniger unter Druck, die Steuern heraufzuschrauben. Umgekehrt ist es bei Städten, die ohnehin schon wenig einnehmen und steigende Ausgaben etwa für Soziales oder Kinderbetreuung haben.

DIHK-Steuerexperte Kambeck hält die enorme Spreizung zwischen Hoch- und Niedrigsteuerkommunen für beunruhigend. In höheren Hebesätzen sieht er "kein taugliches Instrument zur Haushaltssanierung. Die jeweiligen Wirtschaftsstandorte werden dadurch unattraktiver und geraten im innerdeutschen Standortwettbewerb ins Hintertreffen", warnt er. Steuererhöhungen seien gerade in Gemeinden kontraproduktiv, die ohnehin mit schwierigen Strukturveränderungen zu kämpfen haben wie im Ruhrgebiet. Nötig sei vielmehr, die Ausgaben zu vermindern. Oder es müssten mehr Hilfen vom Land kommen.

Das wünscht sich auch Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: Die Länder müssten Kommunen mit schwieriger Haushaltslage stärker finanziell unterstützen, fordert er. Vielen finanzschwachen Gemeinden drohe eine Abwärtsspirale, "weil gerade in diesen Städten steigende Sozialausgaben dringend notwendige Investitionen verhindern".

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