Süddeutsche Zeitung

Getreide:Jagd auf Korn

Getreide wird immer teurer, Brot hingegen nicht. Warum ist das so?

Von Francesca Polistina

Auf einem bekannten Relief aus Pompeji sieht man einen großen Phallus mit der Inschrift "Hic habitat felicitas", das Glück wohnt hier. Anders als man denken könnte, hing das Relief nicht vor einem Bordell, sondern vor der Bäckerei eines gewissen Popidius Priscus. Die Römer waren abergläubisch, und der Phallus war nicht zufällig da: Er sollte Glück bringen und gleichzeitig die Zeugungskraft der Natur auf die Backkunst übertragen. Letztere war im alten Rom hoch geschätzt: nicht nur, weil das Brot ein zentrales Element der Esskultur war, sondern auch, weil es das hungrige Volk sättigen konnte. Und ein sattes Volk, das hatten die Regierenden schon damals verstanden, ist die Voraussetzung jedes politischen Handelns.

Seitdem haben sich zwar die Ernährungsgewohnheiten geändert, das Getreide gehört aber immer noch zu den wichtigsten Handelsgütern der Welt. Die Preise auf dem internationalen Markt werden aufmerksam überwacht: Steigen sie zu stark, wird auch die Nervosität langsam größer. Wie eben jetzt.

Der Getreide-Preisindex der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, hat im Januar erneut zugelegt, zum siebten Mal in Folge. Dafür verantwortlich ist vor allem der Mais, der jetzt sogar 42 Prozent teurer ist als im Vorjahresmonat und damit den höchsten Preis seit fast acht Jahren erreicht hat. Die Hauptgründe dafür sind aus Sicht der FAO die großen Maisankäufe durch China, die schlechteren Ernten in den USA und ein vorübergehender Exportstopp in Argentinien.

Auch die Weizenpreise sind gestiegen, hauptsächlich wegen der höheren Nachfrage und einer geplanten Exportsteuer in Russland, das als größter Weizenexporteur gilt. Der Preisanstieg betrifft auch Zucker und Pflanzenöl. Er hat nicht ausschließlich, aber auch damit zu tun, dass viele Länder in der Pandemie sich wie Ameisen (oder auch: wie Toilettenpapierjäger) verhalten und ihre Vorräte aufstocken.

Das Brot ist vorerst gerettet

Die gute Nachricht ist, dass die deutschen Konsumentinnen und Konsumenten keine böse Überraschung beim Bäcker erwartet. Die Getreidekosten fallen beim Endpreis des Brotes nur marginal ins Gewicht: Laut dem Deutschen Bauernverband entfallen bei einem Brötchen weniger als sieben Prozent des Preises auf den Getreideanteil, deutlich mehr bezahlt man etwa für die Lohnkosten. Armin Juncker, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Großbäckereien, sieht deshalb keinen Grund zur Unruhe: "Rechnerisch hat ein Anstieg des Getreidepreises natürlich Einfluss auf die Produktionskosten", sagt er. Das bedeute aber nicht, dass die Bäckereien sich sofort für Preiserhöhungen entscheiden - schließlich sei der Getreidemarkt sehr volatil.

Auch der Bäckerverband, der die Handwerksbäcker vertritt, hat in den vergangenen Monaten keine Preiserhöhungen aufgrund der Getreidekosten bemerkt. "Die steigenden Energiekosten sind für Kleinbäcker deutlich problematischer", sagt eine Sprecherin. Das Brot ist also gerettet, die Deutschen können ruhig schlafen - während auf der Welt gleichzeitig immer mehr Menschen auf Ernährungsprogramme angewiesen sind.

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