Süddeutsche Zeitung

Getränke:Es läuft - noch

Bierbrauer und Getränkemaschinenbauer sind mit ihren Geschäften zufrieden. Die Mineralwasserhersteller hingegen haben Probleme.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Er hat schon Würste geräuchert und Brot gebacken, überhaupt experimentiert er gerne mit Lebensmitteln. Warum also nicht auch mal ein Bier brauen, dachte sich Heiko Müller. Also fuhr er zur nächstgelegenen Brauerei, bat um ein Gespräch mit einem Fachmann - und tatsächlich nahm sich ein Braumeister spontan Zeit. Zwei Stunden später verließ Heiko Müller die Brauerei nicht nur mit enormem Wissen, sondern auch mit einem Säcklein Malz, einer Tüte Hopfen und einer Flasche untergäriger Brauereihefe. Einen 20-Liter-Kochtopf aus der Gastronomie hatte er sich vorher schon organisiert, also legte er los, mit dem Bierbrauen in der Küche seiner Mietwohnung.

Sieben Jahre später braut Heiko Müller, 40, aus dem hessischen Reichelsheim komfortabler in einer Mini-Brauerei im Keller seines Privathauses. Dort ist dem Familienvater, der von Beruf als Informatiker am Rechenzentrum der Universität Gießen arbeitet, ein Bier gelungen, das ihn zu einem der Stars bei der größten Fachmesse für Getränke und Getränketechnik macht, der Brau-Beviale in Nürnberg. "Kaminfeuer" heißt der Trunk, mit dem Müller den im Vorfeld der Messe ausgelobten Hobbybrauerwettbewerb gewonnen hat. "Ein klassisches Kellerbier, bei dem alles stimmt", sagt Jurymitglied und Bier-Sommelier Michael König. Das aber obendrein mit einer raffinierten Geschmacksvariante aufwartet: Ein dezenter Hauch von Rauchgeschmack macht sich beim Trinken im Gaumen breit.

Bier-Enthusiasten lieben solch besondere Gebräue wie Weinkenner außergewöhnliche Tropfen. "Die Konsumenten setzen immer mehr auf Klasse statt Masse, schauen auf Individualität und Regionalität, konsumieren zunehmend außer Haus, wollen dort etwas Neues ausprobieren und eine immer größere Sortenvielfalt verkosten", beruft sich Georg Rittmayer, Präsident des Vereins der Privaten Brauereien Bayern, auf Untersuchungen des Konsumforschers GfK. Daran ändert auch nichts, dass der Craft-Beer-Boom der vergangenen Jahre nach Einschätzung von Experten erst einmal vorbei ist.

In der langfristigen Tendenz trinken die Deutschen zwar weniger Bier als früher, 2018 allerdings stieg der Ausstoß hierzulande ganz leicht um ein halbes Prozent an. Mit 93 Millionen Hektolitern rangiert Deutschland im weltweiten Ranking auf Platz fünf. Etwa 17 Prozent dieser Menge fließen allerdings in den Export. Global betrachtet ging übrigens in keinem nennenswerten Land der Bierausstoß so stark zurück wie in China (minus 13,4 Prozent). Warum ausgerechnet dort, darauf fehlt selbst Experten eine schlüssige Erklärung.

Beim Pro-Kopf-Konsum von Nektar und Fruchtsäften sind die Bundesbürger Weltmeister

Statistisch trinkt jeder Weltbürger im Durchschnitt 26,1 Liter Bier pro Jahr und jeder Deutsche 108 Liter. Was allerdings im europäischen Vergleich nur zu Platz drei reicht hinter den Tschechen (153,7 Liter) und den Österreichern (110,9). Dafür trinkt weltweit niemand mehr Fruchtsäfte und Nektare wie die Bundesbürger. Um 7,8 Prozent gesunken ist trotz des vergangenen Hitzesommer der Mineralwasserkonsum; für Januar bis September 2019 meldet die Branchenvereinigung Alkoholfreie Getränke-Industrie einen Rückgang um fast acht Prozent. 2018 übrigens lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch hierzulande bei etwa 150 Liter Mineralwasser.

Das ist im internationalen Maßstab sehr ordentlich, trotzdem aber blickt die Branche mit gewissem Unbehagen in die Zukunft. Da sind zum einen aus ihrer Sicht geschäftsschädigende Empfehlungen wie jene aus dem Bundesumweltministerium, das explizit zum Genuss von Trinkwasser aus der Leitung rät. Zum anderen sind da langfristig aber auch die Folgen des Klimawandels. Deutschland gilt im weltweiten Maßstab nach wie vor als Land mit hohen Grundwasservorkommen, kein Wunder also, dass es 500 verschiedene Mineralwassermarken hierzulande gibt.

Doch es droht ein Verteilungskampf, sollten die Jahre längerfristig trockener werden. Im Sommer verweigerten die bayerischen Behörden erstmals der Firma Altmühltaler die Mehrentnahme von 300 000 Kubikmetern Tiefengrundwasser mit dem Hinweis auf drohende schädliche Auswirkungen auf den Grundwasserpegel. Im fraglichen Gebiet um Treuchtlingen an der Altmühl seien dieser seit 1996 bereits um 15 Meter abgesunken. Altmühltaler gehört zum Getränkekonzern der Familie Schäff, deren andere Firma Vitaqua sich im hessischen Wolfhagen gerade ähnlichen Befürchtungen von Bürgern ausgesetzt.

Private wie öffentliche Versorger müssen immer tiefer nach sauberem Trinkwasser bohren. Zum einen, weil oberflächennähere Grundwasserschichten häufig nitratbelastet sind, zum anderen weil der Wasserkonsum wächst, derweil von oben weniger nach sickert.

Entspannt präsentieren sich bei der Brau-Beviale derweil die Hersteller von Nahrungsmittel- und Getränketechnik. Ihre Geschäfte mit Brau-, Molkerei- oder Abfüllanlagen legten 2018 um acht Prozent zu. 2019 werde der Zuwachs mit zwei Prozent moderat sein, prophezeit Volker Kronseder vom Branchenverband VDMA. Eines aber wird sich nicht ändern: mit einem Anteil von 22 Prozent sind die 600 deutschen Hersteller Weltmarktführer.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2019
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