Gesundheitssystem:Scharfe Kritik an "gierigen Medizinern"

Bayerns oberster Ärztefunktionär schämt sich für eine Standesvertretung, "die immer nur nach mehr Geld schreit".

Guido Bohsem

Im Streit über die Honorarreform für die niedergelassenen Ärzte wird nun auch das System der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Frage gestellt. Vor einem Krisentreffen der KV-Vertreter an diesem Donnerstag in Berlin erhob der Vorsitzende der größten Vereinigung Deutschlands, Axel Munte, massive Vorwürfe gegen die eigene Standesvertretung. Der bayerische Ärztefunktionär forderte ihren radikalen Umbau, oder, falls dies nicht gelinge, die Auflösung der Vereinigung.

Gesundheitssystem: Axel Munte: "Unsere Organisation ist nur noch ein Sinnbild des gierigen Arztes"

Axel Munte: "Unsere Organisation ist nur noch ein Sinnbild des gierigen Arztes"

(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

"Unsere Organisation ist nur noch ein Sinnbild des gierigen Arztes", sagte Munte der Süddeutschen Zeitung. "Ich schäme mich für eine Standesvertretung, die immer nur nach mehr Geld schreit, damit sich der Patient dafür Qualität kaufen kann." Eine qualitativ hochwertige Versorgung müsse jedoch selbstverständlich sein. Sie liege in der großen sozialen Verantwortung, der alle Mediziner nachkommen müssten.

Wer als niedergelassener Arzt Kassenpatienten behandeln will, ist verpflichtet, in die KV einzutreten. Die Organisation übernimmt dafür die Abrechnung mit den Krankenkassen. Mit Munte hat erstmals ein aktiver KV-Funktionär das System derart scharf attackiert. Der langjährige Chef der einflussreichsten KV Deutschlands appellierte an die Vertreterversammlung, einen grundlegenden Reformprozess einzuleiten. In deren Mittelpunkt müsse die qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten stehen.

"Durch die neue Honorarreform gewinnen die mittelmäßigen Ärzte auf Kosten der Spezialisten. Das darf nicht sein", sagte Munte. Mittelmäßige medizinische Versorgung könne Leben kosten. "Es sind schon zu viele gestorben", betonte der Mediziner. "Wir müssen das System so umbauen, dass die besten Ärzte das meiste Geld bekommen."

Bayern sei diesen Weg in den vergangenen Jahren bereits gegangen. Seine KV habe etwa die Zahl der Mediziner drastisch reduziert, die eine Darm- oder Brustkrebsvorsorge vornehmen dürfen. "Das ist nur noch denen erlaubt, die am besten qualifiziert sind", sagte Munte. Werde am Donnerstag nicht deutlich, dass sich die KV in diese Richtung bewege, betrachte er dies als Kriegserklärung: "Wenn uns diese Reform der KV nicht gelingt, sollten wir sie abschaffen und in eine privatwirtschaftliche Organisation überführen, ohne Zwangsmitgliedschaft und ohne Körperschaftsstatus."

Veränderte Spielregeln

Durch die seit Anfang des Jahres gültige Honorarreform wurden die Spielregeln geändert, nach denen die 14.0000 niedergelassenen Ärzte ihr Geld bekommen. Statt nach Punkten wird nun nach Euro und Cent abgerechnet. Die Honorare der Ärzte in Ostdeutschland wurden denen im Westen angeglichen.

Gesundheitssystem: Chirurgen in Heidelberg operieren einen krebskranken Patienten.

Chirurgen in Heidelberg operieren einen krebskranken Patienten.

(Foto: Foto: ddp)

Dafür stehen den Medizinern im Vergleich zu 2007 bis zu 3,9 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Jedoch führte die Umstellung zu massiven Umsatz-Einbrüchen und Protesten bestimmter Facharztgruppen. Besonders betroffen davon sind Bayern und Baden-Württemberg.

Die Wut der Mediziner richtet sich dabei auch gegen die KV, die an der Ausarbeitung der Reform maßgeblich beteiligt war. Zusammen mit den Kassen setzte sie dabei Vorgaben um, die die große Koalition in der Gesundheitsreform Anfang 2007 beschlossen hatte. Die CSU hat sich bereits deutlich von dem Regelwerk distanziert und fordert die Abschaffung des KV-Systems.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: