Thomas Kale lächelt ungern. Denn dann entblößt der Mann aus Detroit ein großes Loch in seinem Vorderzahn. "Konnte ich nicht behandeln lassen", sagt er leise, "zahlt meine Versicherung nicht." Thomas Kale sitzt in einer Praxis für Urgent Care im Detroiter Stadtteil Mexican Town. Seine Krankengeschichte möchte der Dachdecker lieber nicht unter seinem richtigen Namen erzählen. Er schämt sich. Etwa dafür, dass er seit einer Woche starke Rückenschmerzen hat, aber nicht zum Arzt gehen kann. "Du weißt nie, was es kosten wird", sagt er. Der 36-Jährige geht lieber kein Risiko ein. Doch mit jedem Tag, den er nicht arbeitet, verliert er 100 Dollar. "Das kann sich ein Vater von vier Kindern nicht leisten", findet seine Frau. Ihretwegen ist Kale hier - und weil eine Behandlung hier erschwinglich ist.
"Das Gesundheitssystem in den USA ist so kompliziert, dass es viele Amerikaner selbst nicht verstehen", sagt Megan Foster-Friedman vom Center for Healthcare Research and Transformation. Es gibt Programme für Senioren (Medicare), Menschen unterhalb der Armutsgrenze (Medicaid), für Kinder, deren Eltern zu viel verdienen um Medicaid zu erhalten (CHIP), Veteranen und Ureinwohner. Die Preise für eine private Versicherung, wie Thomas Kale sie zahlt, weil er nicht über seinen Arbeitgeber versichert ist, unterscheiden sich von Bundesstaat zu Bundesstaat, von County zu County - und das zum Teil deutlich. So zahlt ein 40-jähriger Nichtraucher nach Berechnungen der Kaiser Family Foundation im kommenden Jahr für den zweitgünstigsten Versicherungsplan der Kategorie Silber in Detroit, Michigan, etwa 244 Dollar und liegt damit ungefähr im US-Durchschnitt. In Wilmington, Delaware, dagegen 631 Dollar. Je nach Versicherungsplan variieren Selbstbeteiligungsraten und werden unterschiedliche Kosten abgedeckt. Der Plan der Kategorie Silber deckt etwa 70 Prozent der Arztkosten. Auch Thomas Kale ist so versichert. Augen und Zähne sind dabei aber nicht abgedeckt.
An den unterschiedlichen Versicherungsprämien hat auch die Gesundheitsreform des damaligen US-Präsidenten Barack Obama nichts ändern können. Insgesamt zahlen Amerikaner, die sich selbst versichern müssen, nach Schätzungen der Brookings Institution dank der staatlichen Subventionen nun zwar weniger für ihre Versicherung als vor Obamas Affordable Care Act. Doch zuletzt sind die Versicherungsprämien kontinuierlich gestiegen - im vergangenen Jahr sogar um 20 Prozent.
Nur drei Wochen bevor in den USA die Anmeldephase für die Versicherungspläne im nächsten Jahr beginnt, hat US-Präsident Donald Trump sein Versprechen wahr gemacht, Obamacare "implodieren" zu lassen. Er kündigte an, die staatlichen Subventionen nicht weiter zu zahlen. Die Versicherungsunternehmen hatten bereits in Erwartung dieser Entscheidung ihre Prämien für 2018 angehoben, viele hatten sich ganz vom Markt für Geringverdiener zurückgezogen. Für das kommende Jahr beziffert die Kaiser Family Foundation die Prämienerhöhungen auf bis zu 49 Prozent. Experten befürchten, dass eine Versicherung für gesunde Amerikaner so nicht mehr interessant ist.
Die Wahl des Arztes ist eine Kostenfrage
Demokraten und Republikaner des Repräsentantenhauses haben noch bis November Zeit, Trumps Entscheidung rückgängig zu machen.
Aber auch die Preise für Behandlungen unterscheiden sich - oft innerhalb einer Stadt. Tragen die Versicherer die Kosten, handeln sie mit Krankenhäusern verschiedene Preise aus. In der Urgent Care in Mexican Town kostet eine Röntgenaufnahme den Patienten etwa 50 Dollar, in einem anderen Teil der Stadt 300 Dollar. Ein MRT, weiß Jeanne Pinder von Clearhealthcosts, einer Internetseite, die versucht, Behandlungskosten transparent zu machen, kann zwischen 300 und 6000 Dollar kosten. Zu welchem Arzt man geht, ist für viele Amerikaner also vor allem eine Kostenfrage.