Gesundheitspolitik:Mehr Ärzte, weniger Geld

FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler sucht nach Rezepten, wie er Milliarden sparen kann - müssen auch die Ärzte bluten?

Guido Bohsem

Ärztetage sind in Debatten und Abstimmungen gegossene Rituale der Selbstvergewisserung. Bedeutsam sind inzwischen nur noch die Zusammenkünfte an sich, weniger die Beschlüsse. Es ist zwar nicht so, dass die Ärzte in dieser Woche in Dresden nur unwichtige Kleinigkeiten berieten. Das sogenannte Parlament der Ärzte widmet sich zentralen Fragen der Gesundheitspolitik: der medizinischen Vorsorgung und den Rechten der Patienten. Und dennoch sind die Beschlüsse der stolzen Medizinerschaft nur noch ein Beitrag unter vielen. Meinungsführerschaft kann der Ärztetag nicht mehr beanspruchen.

Klinikum, Ärzte, Foto: ddp

Mit Philipp Rösler hat ein gelernter Arzt das Gesundheitsministerium übernommen - und damit jede Menge Probleme.

(Foto: Foto: ddp)

Ausgerechnet jetzt, da ein junger FDP-Politiker und gelernter Arzt das Gesundheitsministerium übernommen hat, steckt die organisierte Ärzteschaft in einer Krise. Der Einfluss schwindet, der Beruf verliert an Attraktivität und die Doktoren tun sich schwer, alte Strukturen zu überwinden und Platz für neues Denken zu lassen.

Warum hat das Ansehen der Ärzte so gelitten? Das hat viele Gründe, manche davon sind hausgemacht. Die Ärzteschaft hat im Kampf gegen das Spardiktat der Politik seit Jahren immer wieder lautstark geklagt - über schlechte Arbeitsbedingungen, unbezahlte Überstunden und überbordende Bürokratie. Das Jammern schallte so massiv durch das Land, dass selbst überspitzte Thesen inzwischen als Wahrheit gelten. Von der Erfüllung gerade durch den Beruf des Arztes, der wie kaum ein anderer anderen Menschen hilft, war nur selten die Rede. Kein Wunder also, dass der medizinische Nachwuchs lieber ins Ausland geht oder sein Glück in der Forschung sucht.

Noch mutet die These vom Ärztemangel wie eine neuzeitliche Legende an. Würde man auf einer Landkarte die Gegenden mit vielen Ärzten grün anpinseln und die mit zu wenigen rot, der Großteil der Republik wäre grün und schön. Und doch nehmen die roten Flecken zu. Es gibt ganze Regionen in Ostdeutschland, in Westfalen, in Niedersachsen aber auch in Bayern, wo es zu wenig Hausärzte gibt, von Fachärzten ganz zu schweigen. Weil viele der Doktoren bald in Ruhestand gehen, wird sich die Lage in den kommenden Jahren weiter verschlechtern - und der abgeschreckte Nachwuchs verspürt wenig Lust, in entlegenen Gegenden die Nachfolge anzutreten.

Es ist Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen, die medizinische Versorgung auch in Gebieten sicherzustellen, in denen sich nur wenige Ärzte niederlassen wollen. Doch fällt es ihnen schwer, weil die jungen Mediziner anspruchsvoller geworden sind. Es geht ihnen um flexible Arbeitszeiten und um bessere Möglichkeiten, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. All das spricht gegen die klassische Solo-Arzt-Praxis und für Ärztehäuser oder medizinische Versorgungszentren. Es spricht auch dafür, dass Krankenhäuser in schlecht versorgten Gebieten die Aufgaben der niedergelassenen Kollegen übernehmen können. Die Ärzteschaft hat konkrete Vorschläge in diese Richtung gemacht. Das ist gut und seit langem überfällig. Bemerkenswert ist vor allem, dass platte Forderungen nach besserer Vergütung weitgehend in den Hintergrund getreten sind. Sie sind im Jahr eins nach der Wirtschaftskrise eh nicht zeitgemäß.

Und hier muss die Sprache auf Philipp Rösler kommen. Schon in den vergangenen Wochen hat sich der neue Gesundheitsminister bemüht, auf Distanz zu den Mediziner-Kollegen zu gehen. Er versprach ihnen weniger Bürokratie, aber nicht mehr Geld. Die Mediziner können sich glücklich schätzen, wenn es dabei bleiben sollte. Denn der Minister braucht Geld. Der gesetzlichen Krankenversicherung droht im kommenden Jahr ein Defizit von elf Milliarden Euro, weitere Milliarden muss Rösler einsparen, um den Sozialausgleich für seine Kopfpauschale zumindest anteilig zu finanzieren. Es wäre erstaunlich, wenn Rösler auf der Suche nach den Milliarden die Ärzteschaft ungeschoren ließe.

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