Gesundheitsministerium:Ein Gesetz für Apotheker

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Die Branche ist begeistert, Krankenkassen schimpfen: Gesundheitsminister Gröhe will den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneien untersagen.

Von Thomas Öchsner

Einen genauen Zeitplan, wann das Gesetz in Kraft treten solle, gibt es noch nicht. Man kann jedoch davon ausgehen, dass der Minister versuchen wird, das Verbot noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 durchzusetzen. Zunächst wolle er für ein Verbot bei den Unions-Abgeordneten und beim Koalitionspartner werben, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Der Europäische Gerichtshof hatte in der vergangenen Woche die in Deutschland geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien für Versandapotheken mit Sitz im Ausland gekippt. Die Richter argumentierten, die Regelung beschränke ungerechtfertigt den freien Warenverkehr. Versandapotheken wie die niederländische Kette DocMorris können nun Bonuszahlungen an deutsche Patienten leisten und so deren Zuzahlung zu bestimmten Medikamenten verringern.

Gröhe hatte nach dem Urteil angekündigt, alles tun zu wollen, um "ortsnahe Apotheken" zu erhalten. "Der Versandhandel kann die wohnortnahe Versorgung durch Präsenzapotheken nicht ersetzen", sagte er. Die bayerische Landesregierung will voraussichtlich in der ersten Novemberhälfte eine Bundesratsinitiative für ein bundesweites Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneien einbringen, um die "Rosinenpickerei zulasten der Apotheken" zu verhindern.

Verpackungsabteilung der niederländischen Versandapotheke DocMorris in Heerlen. Gesundheitsminister Gröhe will den Versandhandel mit Medikamenten beschränken. (Foto: Ulrich Baumgarten/picture alliance)

Die Apotheker, die gegen das Urteil Sturm laufen, unterstützen die Initiative Gröhes. "Europas höchste Richter haben ausländischen Versandanbietern einen nicht nachvollziehbaren und völlig ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil trotz beschränkter Leistung verschafft, der nun hoffentlich wieder ausgeglichen werden kann", sagte Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).

Die ABDA weist darauf hin, dass ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht die ohne Rezept frei erhältlichen Medikamente beträfe. Die Apothekerverbände halten ein Verbot des Versandhandels europarechtlich für möglich. In Italien, Frankreich und Österreich etwa gibt es solche Verbote bereits. Man kann aber davon ausgehen, dass ausländische Händler gegen ein Verbot in Deutschland juristisch vorgehen werden. Europas größte Versandapotheke DocMorris bezeichnete die Pläne des Ministers als verfassungswidrig.

Ungewiss ist auch, ob Gröhe sein Vorhaben mit dem Koalitionspartner durchsetzen kann. Die SPD hält seine Pläne für falsch. "Gerade für chronisch kranke Menschen in strukturschwachen Gebieten mit wenigen Apotheken wäre es unzumutbar, ihnen diesen einfachen Weg der Arzneimittelversorgung abzuschneiden", sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er erwägt stattdessen, die Beratungsleistungen in der stationären Apotheke besser zu vergüten. "Aber auch hier verbieten sich Schnellschüsse." Skeptisch äußerten sich auch die Krankenkassen: "Im 21. Jahrhundert eine ganze Branche per Gesetz vom Online-Versandhandel ausschließen zu wollen, erscheint nicht zeitgemäß", heißt es beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Die Kassen hoffen, dass sie mit dem gekippten Rabattverbot im Versandhandel ihre Ausgaben senken können. Nach Angaben von DocMorris gibt es bereits sehr viele Anfragen. Martin Litsch, Vorstandschef des AOK-Bundesverbands, sagte: Wenn es im Versandhandel Rabatt gebe, "muss dieser der Solidargemeinschaft und nicht dem Einzelnen zugutekommen. Denn bezahlt werden die Arzneimittel von den Beiträgen aller Versicherten, sodass ihnen auch der Preisnachlass zusteht".

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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