Süddeutsche Zeitung

Dialysespezialist FMC:Die Chefin ist nach zwei Monaten schon wieder weg

Carla Kriwet sollte den angeschlagenen Dialyse-Spezialisten Fresenius Medical Care wieder auf Kurs bringen. Nun verlässt sie das Unternehmen schon nach wenigen Wochen. Wohl auch, weil Michael Sen, Chef des Mutterkonzerns Fresenius, Druck machte.

Von Elisabeth Dostert

Das also meint Michael Sen, seit Anfang Oktober Vorstandschef des Dax-Konzerns Fresenius, wenn er von einem "Reset" des Unternehmens spricht. Obwohl sich so eine Firma natürlich nie wie ein defektes Elektrogerät in den Anfangszustand versetzen lässt, so als wäre nichts gewesen. Im Fresenius-Konzern ist wirklich viel passiert. Er wolle alles auf den Prüfstand stellen, hatte Sen angekündigt. Diese Prüfung hat nun auch Carla Kriwet nicht überstanden. Sie hatte erst Anfang Oktober, zeitgleich mit Sen, die Führung des Dialysekonzerns Fresenius Medical Care (FMC) übernommen. Größter Einzelaktionär von FMC ist Fresenius mit gut einem Drittel der Anteile. Die Chefin oder der Chef von FMC gehört auch dem Vorstand von Fresenius an. Es sollte ein Dream-Team werden. Der Traum ist nach nur zwei gemeinsamen Monaten ausgeträumt.

In der Nacht zum Dienstag teilte FMC mit, dass Carla Kriwet mit sofortiger Wirkung "auf eigenen Wunsch und im gegenseitigen Einvernehmen aufgrund von strategischen Differenzen" das Unternehmen verlassen werde. Es ist so eine Floskel aus dem Textbausteinbuch von Kommunikatoren. Worin genau die strategischen Differenzen bestanden, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Den Posten Kriwets übernehme ihre bisherige Stellvertreterin Helen Giza, die auch Finanzvorständin bleibe bis die Nachfolge geregelt sei. Es ist der zweite große Abgang innerhalb von wenigen Monaten. Im August hatte Fresenius die Trennung vom langjährigen Vorstandschef Stephan Sturm per Ende September angekündigt und Sen zum Nachfolger gekürt. Auch da ging es am Ende schnell und, wie es in der Mitteilung vom Sommer hieß, in gutem Einvernehmen. Sturms Vertrag lief eigentlich noch bis Mitte 2026.

Fresenius bezeichnet sich als Gesundheitskonzern, der eigene Zustand ist derzeit eher kränklich. So ähnlich eigentlich wie der des deutschen Gesundheitswesens insgesamt. Der Markt ist stark reguliert, der Kostendruck erheblich, viele Preise, etwa in den Krankenhäusern, können Unternehmen gar nicht selbst bestimmen, weil sie etwa in Form von Fallpauschalen oder Preisen von Medikamenten extern festgelegt werden.

In den ersten drei Quartalen 2022 konnte Fresenius den Umsatz zwar um vier Prozent auf knapp 30,2 Milliarden Euro steigern, das operative Ergebnis sank aber um 13 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Zum Konzern gehört neben FMC der Bereich Kabi, er stellt Biosimilars, also Nachahmerpräparate biotechnologisch erzeugter Medikamente, Infusionen und Sondennahrung her. Kabi war der Einstieg von Sen in die Fresenius-Welt. Er fing dort Mitte April 2021 an, und er führt den Bereich weiter, bis dort ein Nachfolger gefunden war - in Personalunion mit seinem Posten als Vorstandschef von Fresenius. Die Fresenius-Tochter Helios betreibt Kliniken, medizinische Versorgungszentren und Arztpraxen. Der Bereich Vamed plant und errichtet Kliniken und betreibt Pflege- und Reha-Einrichtungen. Kurzum: ein Konglomerat.

Vorstandschef Sen muss für Klarheit bei FMC sorgen

Fresenius und FMC haben mehrfach Prognosen verfehlt. Die mangelnde Qualität der Vorhersagen galt in den Reihen der Investoren als einer der Gründe, weshalb Stephan Sturm gehen musste. Maßgeblich für die Korrekturen "war die schwache Performance von FMC", sagt Florian Oberhofer, Experte der Fondsgesellschaft Union Investment. Die Dialysetochter leide besonders. "Die Corona-Pandemie führte zu einer Übersterblichkeit unter den Dialyse-Patienten, worunter auch die Umsatzentwicklung litt." Und das sei nicht das einzige Problem, sagt Oberhofer. FMC besonders, aber auch Fresenius als Ganzes, spürten den Kostendruck im Gesundheitswesen und den Mangel an Pflegekräften.

"Die Investoren wünschen sich schnell Klarheit darüber, wie es mit FMC weitergeht, die muss Sen liefern", sagt Oberhofer. Aus seiner Sicht gibt es mehrere Optionen. Fresenius könnte den noch verbliebenen Anteil an FMC reduzieren. Die Rahmenbedingungen dafür seien aber gerade nicht so günstig, weil der Aktienkurs von FMC in den vergangenen Monaten eingebrochen sei. In der derzeitigen Konstellation muss Fresenius FMC voll konsolidieren, die schlechten Zahlen belasten auch die Geschäftsabschlüsse des Mutterkonzerns. Möglicherweise, erläutert Experte Oberhofer, könnte Fresenius die Verbindung zumindest so weit lösen, dass FMC nicht mehr voll konsolidiert werden müsse. "Das würde dem Aktienkurs von Fresenius helfen", erwartet Oberhofer.

Der braucht dringend Hilfe. Am Dienstagnachmittag kosteten die Papiere von Fresenius gut 26 Euro, innerhalb eines Jahres haben sie ein Viertel ihres Wertes verloren. Noch schlechter liefen die Papiere von FMC. Am Dienstagnachmittag kosteten sie knapp 30 Euro, vor einem Jahr waren es noch um die 56 Euro.

Sen weiß, wie man Unternehmensteile hübsch macht und an die Börse bringt

Dass Sen gern Tempo macht, zeigt sich in seiner bisherigen Karriere. Beim Energieversorger Eon und beim Technologiekonzern Siemens hat er gezeigt, wie man Unternehmensteile hübsch macht und an die Börse bringt. Er wurde sogar als Nachfolger von Siemens-Chef Joe Kaeser gehandelt, das wurde allerdings ein anderer.

In Mitteilungen von Firmen steht bisweilen mehr zwischen als in den Zeilen. So ist das auch bei der, die in der Nacht zum Dienstag verschickt wurde und in der auch Sen als Aufsichtsrat von FMC zitiert wird. "In einer fundamental gesunden Branche muss sich Fresenius Medical Care noch stärker auf den operativen Turnaround fokussieren, die Unternehmensperformance weiter verbessern und sich auf seinen Kern konzentrieren", heißt es da. Der Schluss liegt nicht fern, dass sich Carla Kriwet aus Sens Sicht zu wenig auf den Turnaround fokussierte.

Sen macht Druck und steht auch selbst unter Druck. Insidern zufolge ist der aktivistische Investors Elliott bei Fresenius eingestiegen. "Sen ist nicht als großer Visionär und Sanierungs-Spezialist bekannt, macht aber ordentlich Dampf und Tempo", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Insider aus dem Umfeld von Elliott. Mit einem Abbau der Beteiligung auf weniger als 25 Prozent könnte Fresenius FMC aus der Bilanz nehmen.

Kriwet war noch von Sens Vorgänger Sturm zu FMC geholt worden. Bei ihrem Antritt hatte sie schon tiefgreifende Maßnahmen angekündigt. Dazu gehörten "auch eine Kultur der Leistung und klaren Verantwortlichkeiten", sagte sie. FMC ist der bislang kürzeste Schritt in ihrer Karriere.

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