Gesetzesnovelle:Bürger gegen Investoren

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Viele Windparks werden von Bürgern getragen. Doch für solche Energieprojekte soll bald eine Ausschreibung nötig sein - das könnten die Genossen kaum stemmen. (Foto: Jan Woitas/dpa )

Hunderte Genossenschaften haben die Energiewende zu einer Art Nachbarschaftsprojekt gemacht. Jetzt will die Bundesregierung verhindern, dass sie gegen stärkere Konkurrenten chancenlos sind.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was macht man, um den Lauf der Dinge doch noch zu verändern? Man sammelt Unterschriften. So wie das "Bündnis Bürgerenergie". Mehr als 3000 Unterschriften sind schon beisammen, der Appell richtet sich an die Kanzlerin und den Wirtschaftsminister. "Wir wollen die Energiewende weiter gestalten", heißt es darin. Nur sei die Bundesregierung drauf und dran, neue Windpark-Projekte von Bürgern "in einen unfairen Wettbewerb gegen große Marktplayer und Finanzinvestoren" zu schicken. Und da, so fürchten viele, haben die Nachbarschaftsprojekte der Energiewende kaum noch eine Chance.

Knapp ein Viertel der deutschen Windparks ist nach Branchenangaben mehrheitlich in der Hand von Bürgern, Milliarden legten sie so in ihrer Umgebung an. Mit Akzeptanz hatten diese Windparks selten Probleme: Sind die Bürger beteiligt, rebellieren sie nicht. Und weil die Förderung von Windstrom gesetzlich geregelt ist, ließ sich die Rendite bisher recht gut kalkulieren.

Auf Drängen der EU-Kommission will die Bundesregierung dieses System nun ändern. Seit dem vorigen November kursieren Eckpunkte dafür: weg von gesetzlich garantierten Vergütungen, hin zu Ausschreibungen. Wer ein Windrad bauen will, soll sich vom nächsten Jahr an einer Ausschreibung stellen. Nur die Projekte, die mit der geringsten Förderung auskommen, erhalten den Zuschlag. Alle anderen fallen weg.

"Die zusätzlichen Risiken von Ausschreibungen belasten vor allem kleinere Akteure."

Seit Monaten laufen Genossenschaften und Bürgerenergiegruppen Sturm gegen die Neuregelung. "Die zusätzlichen Risiken, die mit Ausschreibungen einhergehen, belasten vor allem kleinere Akteure", schrieb der Genossenschaftsverband DGRV, der die mittlerweile mehr als 800 Energiegenossenschaften vertritt. Schließlich kann an einer Ausschreibung nur teilnehmen, wer die Genehmigungen für den Windpark schon in der Tasche hat, so wollen es die Pläne des Ministeriums. "Die Kosten allein für die Entwicklung so eines Projektes liegen im sechsstelligen Bereich", warnt René Mono, Kopf des Bündnisses Bürgerenergie. "Wer dann bei der Ausschreibung nicht den Zuschlag bekommt, bleibt auf den Kosten sitzen." Wer dieses Risiko meiden will, bietet erst gar nicht.

Doch genau in diesem Punkt plant der Bund nun Abhilfe. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will das Wirtschaftsministerium eine bislang einmalige Sonderregel schaffen, um den Bürgerwindparks eine Chance zu lassen. Demnach soll es künftig so genannte "privilegierte Bürgerenergiegesellschaften" geben. Sie bestehen aus mindestens zehn Bürgern, von denen keiner mehr als zehn Prozent der Anteile haben darf. Diesen Bürgern muss mindestens die Hälfte der Gesellschaft gehören, und mindestens die Hälfte der Eigentümer muss aus dem Landkreis kommen, in dem die Windräder gebaut werden sollen. So werde "eine regionale Verankerung der Gesellschaft sichergestellt", heißt es in einem Eckpunktepapier zu dem Plan.

Unter diesen Voraussetzungen sollen die Bürger sich an der Ausschreibung beteiligen dürfen, ohne schon die Genehmigungen eingeholt zu haben. Sie müssen nur nachweisen, dass sie den Grund benutzen dürfen, auf dem sie ihren Bürger-Windpark errichten wollen, und brauchen ein Windgutachten. Das soll nachweisen, dass sich an dem Ort auch tatsächlich vernünftig Windstrom erzeugen lässt. Für die teuren Genehmigungen aber haben die Bürger nach Zuschlag weitere zwei Jahre Zeit. Erhalten sie den Zuschlag nicht, haben sie das Geld auch nicht in den Sand gesetzt.

"Aus unserer Sicht ist das ein vernünftiger Kompromiss", sagt Rainer Baake, für Energie zuständiger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. "Damit können auch die Bürgergesellschaften gut leben". Diesen Montag will Baake den Vorschlag beim SZ-Führungstreffen Energie in Essen vorstellen, ehe dort die Energiemesse E-world beginnt. Noch am Montag soll der Vorschlag auch an die Koalitionsfraktionen verschickt werden.

In den ursprünglichen Plänen für die Ökostrom-Reform war von derlei Ausnahmen noch keine Rede. Stattdessen sollten Beratungsangebote und ein möglichst einfaches Verfahren den Projekten von Nebenan helfen. Den Genossen Bürgern reichte das nicht. "Nein zu Ausschreibungen für Bürgerenergie", heißt es auch in dem Appell an Kanzlerin und Wirtschaftsminister.

Fielen die Kosten für die Genehmigungen erst einmal nicht ins Gewicht, "könnte dies das Risiko tatsächlich minimieren", sagt Bürgerenergie-Mann Mono. Wobei der Genossenschaftsverband DGRV gleich einwendet, so manches Risiko stelle sich erst bei der Genehmigung heraus - etwa, wenn die Behörden teure Auflagen machen. "Dann muss man in einer Phase bieten, in der einem viele Informationen noch fehlen", heißt es beim DGRV. Allerdings könnten sich die Bürger theoretisch auch immer noch entscheiden, auf den Bau ganz zu verzichten.

Die neue Variante muss nun noch in das neue Gesetz eingearbeitet werden, bis zum Sommer soll die Novelle nach bisheriger Planung stehen. Das alte Gesetz verliert mit dem nächsten Jahreswechsel den Segen der EU-Kommission - sie verlangt fortan die Ausschreibung. Für Bürgerwindparks allerdings hat auch Brüssel ein Herz: Bei kleinen Windparks mit gut sechs Anlagen würde die Kommission auch ein Auge zudrücken und auf Ausschreibungen verzichten. Doch diese Hintertür will das Wirtschaftsministerium nicht öffnen. Fange man damit erst an, sagt Baake, dann bauten bald auch Großinvestoren nur noch Bürgerwindparks - immer in kleinen Portionen zu je sechs Windrädern.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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