Gesetzesänderungen:"Steuerirrsinn"

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Börse in Frankfurt. Aktionäre sollen künftig Transaktionssteuer zahlen - und nur sie. Das finden Anlegerschützer unfair. (Foto: Daniel Roland/AFP)

Anlegerschützer starten eine Unterschriftenaktion gegen Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

Von Harald Freiberger, München

Anlegerschützer üben massive Kritik an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Sein Ministerium plane derzeit gleich mehrere Gesetze, die gerade Kleinanleger schwer benachteiligten. Sowohl die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) als auch die Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK) schlagen deshalb Alarm.

"Herr Scholz hat einen ganzen Strauß von Maßnahmen vorgelegt, mit dem Privatanlegern so viele Knüppel zwischen die Beine geworfen werden wie lange nicht mehr", sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). "Das ist so nicht hinnehmbar." Die DSW hat deshalb eine Unterschriftenaktion gestartet, mit der Anleger sich persönlich bei Scholz beschweren können (www.dsw-info.de/steuerirrsinn).

Würden die Pläne des Bundesfinanzministeriums umgesetzt, werde die politisch gewünschte private Altersvorsorge konterkariert, besonders das Sparen mit Aktien und Aktienfonds. "Es ist erschütternd, Finanzpolitikern dabei zusehen zu müssen, wie sie eine der wenigen Anlageformen massiv behindern, die nicht nur langfristig eine überdurchschnittliche Rendite bietet, sondern zusätzlich noch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, da sie Unternehmen mit Kapital versorgt", sagt Tüngler. Vor allem drei Gesetzesvorhaben sind es, die die Anlegerschützer scharf kritisieren:

Die Finanztransaktionssteuer

Forderungen nach einer Transaktionssteuer wurden schon nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 laut. Besonders hochspekulative Finanzgeschäfte sollten damit eingedämmt werden. Die DSW hält dies auch für sinnvoll. Finanzminister Scholz wolle diese Steuer nun jedoch ausschließlich von Aktionären verlangen - "und damit von Anlegern, die der Industrie wichtiges Eigenkapital zur Verfügung stellen", sagt Tüngler. Eine Transaktionssteuer wäre nur dann sinnvoll, wenn sie sich in ein neues, ausgewogenes System einbette, das langfristige Investitionen entlaste. Dazu gehöre auch, dass die steuerliche Benachteiligung von Aktien aufhöre: Für sie gebe es keine Spekulationsfrist, Gold könne dagegen nach einem Jahr steuerfrei verkauft werden, Immobilien nach zehn Jahren. SdK-Anwalt Markus Kienle moniert, dass die geplante Transaktionssteuer nur Kleinanleger betreffen würde, die wahren Verursacher der Finanzkrise aber außen vor lasse.

Der Solidaritätszuschlag

Finanzminister Scholz will den Solidaritätszuschlag - 5,5 Prozent der Einkommensteuer - bekanntlich abschaffen. Bürger mit hohen Einkommen sollen ihn jedoch weiter bezahlen. Was weniger bekannt ist: Auch auf Kapitaleinkommen soll der Solidaritätszuschlag erhalten bleiben, und zwar unabhängig vom Gesamteinkommen des Steuerzahlers. Auf Kapitaleinkommen ist eine Abschlagsteuer von pauschal 25 Prozent fällig, der Soli in Höhe von 5,5 Prozent davon kommt noch obendrauf. Die DSW hält das für "eine Diskriminierung von Anlegern", der wegen des Gleichheitsgrundsatzes im Grundgesetz rechtlich bedenklich sei. SdK-Mann Kienle sagt: "Ich kann es kaum fassen, mit welcher Niedertracht der Gesetzgeber es immer wieder schafft, den Wähler durch bewusste Auslassung relevanter Umstände in die Irre zu führen."

Die Verlustanrechnung

Nach den Plänen des Finanzministeriums soll ein Totalausfall einer Aktie oder einer Anleihe ab 1. Januar 2020 nicht mehr steuerlich als Verlust anerkannt werden. Er ließe sich dann nicht mehr mit Gewinnen aus anderen Anlagen verrechnen. Betroffen wären vor allem Anleger von Mittelstandsanleihen, von denen in den vergangenen Jahren in Deutschland viele wegen Insolvenz ausgefallen sind. Beispiele sind KTG Agrar, German Pellets oder Alno. Anders als einen Kursverlust bewertet das Finanzministerium einen Totalausfall als "Veränderung des Vermögensstamms", die steuerlich nicht geltend gemacht werden könne - und das, obwohl der Bundesfinanzhof in mehreren Fällen anders urteilte. Die SdK sieht das Vorhaben "allein durch fiskalische Gründe" motiviert. Heißt übersetzt: Der Fiskus will auf das Geld nicht verzichten. Die DSW findet bedenklich, dass damit gerade langfristig orientierte Anleger gezwungen würden, Verluste zu realisieren, damit diese noch steuerlich anerkannt würden.

Alle drei Maßnahmen träfen normale Anleger isoliert und in ihrer Kombination, kritisiert die DSW. Deshalb solle Scholz seine Pläne dringend überdenken und prüfen, ob die "auch rechtlich höchst umstrittene Belastungen nicht Signale setzen würden, die eine Eigeninitiative zur Altersvorsorge bereits im Keim ersticken".

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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