Für manche Verleger ist das wie Weihnachten: Das Bundesjustizministerium hat den lange erwarteten und schon im Vorfeld hochumstrittenen Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorgelegt. Wenn dieser Referenten-Entwurf Gesetz wird, können Presseverlage künftig die gewerbliche Nutzung ihrer journalistischen Beiträge im Internet untersagen oder Geld dafür verlangen.
Den Verlagen wird, wie es in der Begründung heißt, "ein eigenes Schutzrecht gewährt", das sie in die Lage versetzen soll, "einfacher und umfassender gegen Rechtsverletzungen im Internet vorzugehen". Der Presseverleger erhält für ein Jahr das Exklusivrecht, sein Presseerzeugnis oder Teile davon zu gewerblichen Zwecken im Internet zu publizieren. Dieses Leistungsschutzrecht erfasst auch Texte, die nicht urheberrechtlich geschützt sind. Und gegen die Verletzer von Urheberrechten können die Verlage künftig vorgehen, ohne dass sie nachweisen müssen, dass die Urheber (also die Journalisten) einverstanden sind.
Die bloße Verlinkung eines Artikels ist und bleibt aber erlaubt; eine Verlinkung kann auch künftig nicht unter Hinweis auf das neue Leistungsschutzrecht verboten werden. Auch die Zitierfreiheit gilt weiterhin; bloße Zitate können nicht verboten oder mit Lizengebühren belegt werden. Die Urheber, also die Journalisten, sollen an den Vergütungen, die Presseverlage durch das neue Leistungsschutzrecht erhalten, "angemessen" beteiligt werden.
Schutz der gewerblichen Leistung
Das Recht der exklusiven Nutzung des eigenen Presseerzeugnisses soll von der ersten Veröffentlichung an gerechnet ein Jahr lang gelten und dann erlöschen. Die Einführung eines solchen Leistungsschutzrechts für Presseverlage war im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Koalition beschlossen worden. Das Projekt ist seitdem heftig umstritten. Vor allem im Internet laufen die Nutzer Sturm gegen das geplante Gesetz. Die Kritiker bangen um den freien Informationsfluss. Angeführt werden sie von IGEL, der "Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht", getragen unter anderem von Google und Perlentaucher, die mit den Zeitungstexten Geschäfte machen.
Kurz gesagt ist es so: Das Urheberrecht schützt die geistige, das Leistungsschutzrecht die gewerbliche Leistung. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird darauf hingewiesen, dass ein besonderer Schutz der verlegerischen Leistung schon seit dem 19. Jahrhundert - bisher vergeblich - gefordert wird. Die Lage habe sich aber mit der digitalen Revolution geändert. "Heute sehen sich", so heißt es, "Presseverlage zunehmend damit konfrontiert, das andere gewerbliche Nutzer für die eigene Wertschöpfung systematisch auf die verlegerische Leistung zugreifen und diese in einer Weise nutzen, die über das bloße Verlinken weit hinausgeht".
Das Gesetz will verhindern, dass gewerbliche Nutzer mit der Leistung der Verlage Geschäfte machen und Werbung akquirieren, ohne einen Cent zu zahlen. Der Gesetzentwurf wehrt sich gegen den Vorwurf, es handele sich um einen Schutz von alten Geschäftsmodellen: Das neue Leistungsschutzrecht könne und solle kein Korrektiv sein für Strukturveränderungen des Marktes, "auf die die Verleger mit neuen Angeboten reagieren müssen".
Das Leistungsschutzrecht, das auch die vom Urheberrecht nicht erfassten Texte erfasst, wird oft als "kleines Urheberrecht" bezeichnet. Man nennt es auch "kleine Münze" des Urheberrechts. Das kann man in diesem Fall wörtlich nehmen, weil der Anwendungsbereich des Gesetzes eher schmal sein wird. Die praktische Bedeutung wird vor allem darin liegen, dass Verlage künftig ohne Probleme und ohne Absprache mit Autoren Urheberrechtsverletzungen einklagen können.
Der Gesetzentwurf wurde soeben an die anderen Ministerien zur Stellungnahme verschickt, mit einer kurzen Frist zur Stellungnahme - "im Interesse einer beschleunigten Bearbeitung bis 18. Juni Dienstschluss". Ob aus dem Gesetzentwurf noch ein Gesetz wird ist angesichts der schon fortgeschrittenen Legislaturperiode und der Umstrittenheit der Materie fraglich.