Gesetzentwurf:Wie Schäuble Steuersünder bekämpfen will

Briefkästen

Wer am Finanzamt vorbei wirtschaften will, tut dies oft im Geheimen, mit falschen Namen und Briefkastenfirmen. Die Bundesregierung will Steuerbetrug mit neuen Gesetzen verhindern.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Bundesfinanzminister macht ernst im Kampf gegen Briefkastenfirmen. Was genau in seinem neuen Gesetzesentwurf steht - und was das für die Zukunft bedeutet.

Von Bastian Brinkmann, Cerstin Gammelin, Meike Schreiber und Frederik Obermaier

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nimmt den Kampf gegen Steuersünder auf. Dazu will er die Deutschen zur Offenlegung ihrer Briefkastenfirmen in Steueroasen zwingen. Mit einem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf will er die Banken zudem zur Mitarbeit verpflichten und das steuerliche Bankgeheimnis abschaffen. Die wichtigsten Antworten:

Was steht im Gesetzentwurf?

Die Bundesregierung will es steuerpflichtigen Bundesbürgern erschweren, über diverse Firmenkonstrukte ihre Steuerschuld zu mindern und Zahlungen zu vermeiden. Zugleich will sie über Verpflichtungen zur Offenlegung von Briefkastengeschäften und Kontrollen das Risiko einer Entdeckung erhöhen. Hohe Bußgelder sollen zusätzlich abschreckend wirken. Die Mitwirkungspflichten werden erweitert. Bereits jetzt müssen Steuerzahler dem Finanzamt mitteilen, wenn sie an ausländischen Gesellschaften beteiligt sind. Künftig wird "die Anzeigepflicht über den Erwerb von qualifizierten Beteiligungen an ausländischen Körperschaften" vereinheitlicht; sie soll für mittelbare und unmittelbare Beteiligungen ab zehn Prozent gelten.

Steuerpflichtige müssen dem Finanzamt künftig zusätzlich melden, wenn sie geschäftliche Beziehungen zu von ihnen mittelbar oder unmittelbar kontrollierten Gesellschaften in Drittstaaten pflegen. Mit dieser Pflicht werden begünstigte Dritte von Briefkastenfirmen transparent gemacht.

Dazu kommen neue Aufbewahrungspflichten. Steuerpflichtige, die allein oder mit nahestehenden Personen geschäftliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindungen mit Gesellschaften in Drittstaaten unterhalten, müssen alle damit zusammenhängenden Unterlagen und Aufzeichnungen bewahren. Das soll Betriebsprüfungen vereinfachen.

Außerdem soll die Verjährungsfrist für Verletzungen der Mitteilungspflicht vom Tag der Offenlegung an zehn Jahre dauern. Im Fall einer Steuerhinterziehung kann die Frist auf zwanzig Jahre und länger ausgedehnt werden. Wer seine Geschäfte nicht meldet, kann mit bis zu 50 000 Euro Bußgeld bestraft werden.

Was bedeutet das für die Banken?

Banken bekommen neue Anzeigepflichten. Sie müssen es künftig den Finanzbehörden melden, wenn sie in Deutschland steuerpflichtigen Personen Geschäfte mit Briefkastenfirmen vermitteln. Diese Pflicht bezieht sich auf "beherrschende Geschäftsbeziehungen zu Drittstaaten-Gesellschaften". Oder auf vermittelte und hergestellte Beziehungen, bei denen sich der Steuerpflichtige zu mindestens 30 Prozent an der Gesellschaft beteiligt.

Außerdem müssen Banken bei jeder Kontoeröffnung die Steuernummer des Kontoinhabers, jedes Verfügungsberechtigten und jedes wirtschaftlich Berechtigten erheben und aufzeichnen. Die Informationen sollen den Finanzbehörden auf Nachfrage übermittelt werden. Kontostände und -bewegungen werden wie bisher nicht übermittelt. Banken, die ihrer Anzeigepflicht nicht nachkommen, sollen für die durch die vermittelten Geschäfte entstandenen Steuerausfälle haften. Zudem wird jede Verletzung ebenfalls mit bis zu 50 000 Euro Bußgeld bestraft.

Was sagen die Bankmanager dazu?

Der Banken-Dachverband kritisierte, es schieße über das Ziel hinaus, Finanzinstitute für Steuerausfälle ihrer Kunden haften zu lassen. Mit dem Gesetz würden quasi alle Unternehmen außerhalb von EU und der Europäischen Freihandelsassoziation unter Generalverdacht gestellt und anzeigepflichtig: "Hier steht der bürokratische Aufwand in keinem Verhältnis zum erzielten Nutzen." Das Bankgeheimnis stehe außerdem bereits jetzt Ermittlungen zu Steuerhinterziehung und Geldwäsche nicht im Weg.

Tatsächlich untersucht derzeit zum Beispiel die deutsche Finanzaufsicht Bafin die Geschäfte mehrerer deutscher Geldhäuser, die in den Panama Papers erwähnt worden waren. Es handelt sich um eine umfangreiche Untersuchung, die voraussichtlich erst in ein paar Monaten abgeschlossen ist. Erstmals hat sich die Bafin dazu die Daten von den Banken liefern lassen und wertet diese in der Behörde mit externer Hilfe aus. Bisher hatte sie Wirtschaftsprüfer zu den Banken geschickt, die verdächtige Unterlagen nur vor Ort geprüft haben.

Und deutsche Briefkastenfirmen?

Die Hindernisse für das Finanzamt sind offenkundig: Wer beispielsweise Schmiergeld aus dem Ausland direkt in einer Briefkastenfirma parkt, sperrt deutsche Fahnder aus. Sie erfahren nie von dem Geld, können es also nicht versteuern oder seine Herkunft überprüfen. Dazu kommen die Probleme mit Immobilien. In Deutschland gehören viele Häuser, Wohnungen und Grundstücke Briefkastenfirmen. Deutsche Immobilien eignen sich, um Schwarzgeld aus dem Ausland zu verstecken. Das haben die Panama Papers gezeigt. Die Unterlagen dokumentieren Fälle, in denen Briefkastenfirmen als Eigentümer im Grundbuchamt eingetragen werden. Die zuständigen Behörden gaben sich damit zufrieden, dass auf offiziellen Unterlagen Strohmänner auftauchen.

Fahnder schlagen schon lange Alarm. Banken melden jedes Jahr Tausende Verdachtsfälle an das Bundeskriminalamt. Aus der Immobilienbranche kamen zuletzt nur 18 Hinweise. Dabei gibt es allein in Berlin etwa 5000 Grundsteuerkonten, die Firmen in Steueroasen gehören. Wie groß das Problem in Deutschland genau ist, weiß niemand. Denn jede Kommune führt ihr eigenes Grundbuch. Für die Öffentlichkeit sind die Informationen gesperrt; nur wer ein berechtigtes Interesse hat, bekommt Informationen über einzelne Grundstücke. Deutschland sei diesbezüglich ein "Entwicklungsland", schimpfen Ermittler. An diesem Problem ändert der neue Vorstoß nichts.

Was ist eine Briefkastenfirma?

Wer im Internet sucht, findet Angebote für eine Briefkastenfirma in Panama für 990 Euro. Wer damit kriminelle Geschäfte machen will, trägt außerdem Strohmänner als Geschäftsführer und Eigentümer ein. Das kostet 700 Euro extra. Dafür erscheint dann nicht der eigene Name auf offiziellen Dokumenten, sondern Namen von völlig fremden Personen. Steuerfahnder erfahren dann also nicht, wer wirklich hinter der Firma steckt.

Briefkastenfirmen sind eine juristische Verpackung für Geschäfte aller Art. Der Gesetzentwurf enthält deswegen auch eine sehr breite Definition und spricht von "Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen". Menschen können mit Briefkastenfirmen legale und illegale Sachen machen, aber wegen der möglichen totalen Anonymität ist der Anreiz für kriminelle Aktivitäten groß. Deswegen sind Briefkastenfirmen weltweit im Visier.

In Steueroasen sind Briefkastenfirmen aber völlig legal, teilweise schützen die lokalen Gesetze solche Konstruktionen auch besonders, damit sie im Wettbewerb mit anderen Offshore-Staaten attraktiver werden. Der Kampf gegen Briefkastenfirmen erfordert also neben Gesetzesänderungen in Deutschland auch Fortschritte auf internationaler Ebene und entsprechende diplomatische Bemühungen. Wie alle Unternehmen müssen auch die Briefkastenfirmen eine Adresse haben, die dann im Unternehmensregister der Steueroase eingetragen werden. In Panama kann die Adresse beispielsweise in einem Büroturm liegen, der gar nicht fertig gebaut wurde und den praktisch nie ein Mensch betritt - es gibt ja auch nichts und niemanden zu sehen. Solche Geistergebäude sind typisch für Steueroasen.

Manchmal hängen tatsächlich auch Briefkästen davor. Viele Firmen teilen sich dann einen Schlitz, die Aufkleber mit den Unternehmensnamen bedecken den Briefkasten. Wer seine Geschäfte verschleiern möchte, bekommt aber natürlich selten Post an die Briefkastenfirma. Die eingeweihten Hintermänner wissen, wie sie den wahren Eigentümer tatsächlich erreichen. Und Fahnder wissen, dass es nichts bringt, bei der Scheinadresse zu klingeln. Das Unwichtigste an einer Briefkastenfirma ist also: der Briefkasten.

Wie geht es nun mit dem Gesetz weiter?

Es gibt praktisch niemanden in Bund und Ländern, der dieses Gesetz nicht will. Die deutsche Steuer-Community ist sich so einig wie sonst kaum, die Regeln gegen Briefkastenfirmen so schnell wie möglich und umfänglich zu erlassen. Die Vorabstimmungen dazu hatten bereits unmittelbar nach den Enthüllungen der Panama Papers im April diesen Jahres begonnen, es gab Initiativen aus dem Finanzministerium in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen), von der SPD, aus dem Bundesfinanzministerium und auch Zustimmung aus Bayern. Der Gesetzentwurf ist jetzt in der Abstimmung, das Bundesfinanzministerium geht davon aus, dass er im Dezember im Kabinett und noch in dieser Legislaturperiode im Parlament beschlossen wird und im Jahr 2018 in Kraft tritt.

Wie laufen die Ermittlungen hierzulande?

Schleppend. Zwar hat eine Sondereinheit der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung die im Internet veröffentlichten Daten zu den Panama Papers zentral ausgewertet und anderen Bundesländern zur Verfügung gestellt. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums handelte es sich dabei um Informationen zu knapp 400 Offshore-Firmen, die von Mossack Fonseca gegründet oder verwaltet wurden. Nun liegt es an den Steuerbehörden der Länder, was sie mit den Informationen machen. In mehreren Bundesländern wurden bereits Ermittlungen aufgenommen. Jedoch sind Deutschlands Steuerfahnder chronisch überlastet. Bis es im Einzelfall zu einer Anklage oder gar zu einer Verurteilung kommt, vergehen meist Jahre.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: