Gesetz gegen Briefkastenfirmen:Auf zu neuen Paradiesen
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Der Bundestag verabschiedet ein neues Gesetz, das Steuervermeidung über Briefkastenfirmen verhindern soll. Tatsächlich macht es europäische Steueroasen noch attraktiver, klagen SPD und Grüne.
Von Cerstin Gammelin, Berlin
Die Einlassungen vor der Abstimmung im Bundestag waren deutlich. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte vor überzogenen Erwartungen. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider räumte ein, er hätte sich mehr gewünscht. Und die grüne Steuerexpertin Lisa Paus beklagte "zwei Riesenlöcher". Regierung und Opposition waren sich also überraschend einig, dass das "Panama-Gesetz", über das sie gleich abstimmen sollten, alles andere als der große Wurf geworden war. Dabei soll so künftig Steuerflucht über Briefkastenfirmen unterbunden werden. "Das Gesetz trocknet Steueroasen nicht aus, es verschiebt sie nur von einer Region in eine andere", sagte Paus.
Der Bundestag billigte am Donnerstagmittag zwei Gesetze, mit denen die Koalition auf die Veröffentlichungen der Panama Papers sowie die Berichte über exzessive Steuergestaltungen von Konzernen reagiert. Im April vergangenen Jahres hatte ein internationales Journalisten-Netzwerk, zu dem die Süddeutsche Zeitung gehört, offengelegt, wie anerkannte Politiker, Unternehmer und Funktionäre eine Kanzlei in Panama nutzten, um ihr Vermögen in Briefkastenfirmen zu verstecken.
Das "Panama-Gesetz" schreibt Banken ab 2018 vor, dass sie dem Fiskus melden müssen, wenn sie mithelfen, solche Steuersparmodelle zu entwickeln und zu nutzen. Zugleich werden sie verpflichtet, die wirtschaftlich Berechtigten von komplizierten Firmenkonstruktionen anzugeben. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geldstrafen zwischen 25 000 und 50 000 Euro.
SPD und Grünen gehen die Regeln nicht weit genug. SPD-Fraktionsvize Schneider warf dem Koalitionspartner von CDU/CSU vor, die tatsächlichen Erfinder der Steuerkonstruktionen weiter zu verschonen. Er habe sich gewünscht, "dass wir auch Berater und Rechtsanwälte verpflichten, anzuzeigen, wenn sie Steuergestaltungsmodelle entwickeln". Das sei nicht möglich gewesen, weil sich die Union schützend vor die freien Berufe gestellt habe. Das Gesetz sei "nur ein erster Schritt" zur Bekämpfung von Briefkastenfirmen.
Die Strafen seien angesichts der Millionengewinne "lächerlich"
Die Kritik der oppositionellen Grünen Paus fiel deutlich schärfer aus. Durch das Gesetz werde keine Steueroase wirklich ausgetrocknet, sagte sie. Im Gegenteil. Da sich die Meldepflicht der Banken nur auf Briefkastenfirmen außerhalb der Europäischen Union und des amerikanischen Wirtschaftsraumes beziehe und zugleich Kanzleien weiter ungehindert Gestaltungsmodelle entwickeln dürften, sei das Gesetz "ein Konjunkturprogramm für europäische Steueroasen". Die Strafen seien angesichts der Millionengewinne "lächerlich".
Ursprünglich hatte Schäuble, aus dessen Ministerium das Gesetz stammt, darauf verwiesen, dass es zusätzlich europäische Gesetze für das Austrocknen von Steueroasen in der EU geben sollte. Ein entsprechender Vorschlag der Europäischen Kommission steckt allerdings in den nationalen Hauptstädten fest. Malta, Luxemburg, die britischen Kanalinseln, die Niederlande und Irland gelten als Steuerparadiese. Dass sich an dem Status etwas ändert, ist nicht absehbar.
Das zweite Gesetz, das der Bundestag verabschiedete, soll die missbräuchliche Abschreibung angeblicher konzerninterner Aufwendungen für Rechteüberlassungen über eine "Lizenzschranke" verhindern. Aufwendungen wie beispielsweise Gebühren für Lizenzen werden ab 2018 nur noch steuerlich abziehbar sein, wenn die Zahlung beim Empfänger im Ausland besteuert wurde. Die "Lizenzschranke" soll verhindern, dass internationale Konzerne interne Lizenzeinnahmen für Forschungsleistungen beziehungsweise Patente in Niedrigsteuerländer verschieben, ohne dass dort Forschungsleistungen erbracht werden. Konzerne wie Ikea oder Starbucks waren darüber in die Kritik geraten.
Im Bundesrat verabschiedeten die Länderfinanzminister mit den Stimmen von SPD und Grünen am Donnerstag einen Arbeitsauftrag an die nächste Bundesregierung. Monika Heinold, grüne Ministerin aus Schleswig-Holstein, hatte Ende 2016 einen Antrag zur "Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen" eingebracht. Unternehmer sollen offenlegen, "wenn sie gesetzliche Steuerschlupflöcher über die zulässige Ausgestaltung hinaus dehnen". Die insbesondere von internationalen Konzernen genutzte Steuervermeidungspraxis müsse transparent werden, "damit der Staat Handlungsnotwendigkeiten frühzeitig erkennen kann". Der Pflicht sollen Anwälte, Berater und Kanzleien unterliegen. Die Minister beschlossen am Donnerstag, bis zum 31. Oktober einen Gesetzentwurf vorzulegen. Er könnte direkt in die Koalitionsverhandlung aufgenommen werden.