Geschichten aus Griechenland:Heimat ohne Zukunft

Sie ließ Kind und Mann in Griechenland zurück, um in Deutschland Arbeit zu finden. Marialena Kassiari arbeitet nun in München und möchte bleiben. Sie hofft, dass ihre Familie bald nachkommt, in ein Land, das ihrer Tochter etwas bietet: Zukunft.

Nakissa Salavati

Die SZ hat mir ihren Lesern über Facebook, Twitter und Google Plus Menschen gesucht, die in Griechenland leben. Wir haben mit ihnen telefoniert, gesprochen, ihnen zugehört. Und alles aufgeschrieben. Jetzt erzählen wir ihre Geschichten.

Geschichten aus Griechenland

Marialena Kassiari arbeitet in München und versorgt ihre Familie in Griechenland.

"Mit neunzehn Jahren war ich schon mal in Deutschland. Damals habe ich drei Jahre als Au-pair in einer Münchner Familie gearbeitet und die Zeit sehr genossen. Heute, zwanzig Jahre später, habe ich bei dieser Familie wieder ein Zimmer bezogen.

Aber nun ist alles anders. Ich habe eine eigene Familie, in Griechenland. Weil ich dort anderthalb Jahre arbeitslos war, habe ich meine zweiundhalb-jährige Tochter und meinen Mann Ende letzten Jahres zurückgelassen und in Deutschland Arbeit gesucht. Schließlich spreche ich deutsch. Nun arbeite ich in München in der Verwaltung von Infineon. Nebenher studiere ich BWL im Fernstudium.

Obwohl ich zwanzig Jahre Berufserfahrung habe, hieß es in meiner Heimat oft: 'Mit einem kleinen Kind und in Ihrem Alter sollten Sie sich keine Hoffnungen machen.' In Griechenland habe ich ein Jahr lang 500 Euro pro Monat Arbeitslosenhilfe bekommen, und 100 Euro Kindergeld im Jahr - wie soll ich davon leben, bei einer Miete von 450 Euro? Mein Mann ist ebenfalls ohne Arbeit, nachdem er sein Café schließen musste.

Mich überrascht es nicht, dass Griechenland so heruntergewirtschaftet ist. Es ist etwa nicht ungewöhnlich, dass man keinen Parkschein lösen muss, weil einem der Parkwächter einen Gefallen macht. 'Verschwinden lassen', nennen wir das in Griechenland.

Ich suche nun eine Wohnung, damit mein Mann und mein Kind nach Deutschland kommen können. So könnte meine Tochter in einem Land aufwachsen, das ihr Bildung und Entwicklungschancen ermöglicht. Ich wünsche mir ein zweites Kind. Das wäre in Griechenland für mich nicht denkbar, in Deutschland aber schon."

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