Gescheiterte VW-Übernahme:Porsches übermütiger Plan
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"Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung", lautet einer der Vorwürfe gegen die Porsche-Holding. Heute startet die nächste Verhandlung wegen der gescheiterten VW-Übernahme. Dieses Mal geht es um 1,36 Milliarden Euro. Der Sportwagenbauer will kämpfen - und nicht einen Euro zahlen.
Von Max Hägler
So viele Verfahren sind es, um so viel Geld geht es, dass sie bei der Porsche Automobil Holding SE mittlerweile Skizzen zu Hilfe nehmen, um klaren Kopf zu behalten. Links die deutschen Verfahren: die Schadensersatzklagen in Braunschweig, Stuttgart und Hannover. Rechts die internationalen gegen das Unternehmen, das einst den VW-Konzern übernehmen wollte und dabei so viel Ärger auf sich zog: Forderungen aus New York und London. Gar nicht aufgeführt auf dem dicht beschriebenen Blatt: die Ermittlungen und Anklagen der Staatsanwaltschaft gegen die ehemaligen und aktuellen Entscheider, allesamt prominente Spitzenkräfte der Automobilindustrie: Wendelin Wiedeking, Holger Härter, Wolfgang Porsche, Ferdinand Piëch, um nur einige zu nennen.
Um 5,7 Milliarden Euro geht es insgesamt und möglicherweise um Haftstrafen. Und es ist nicht zu erwarten, dass sich die Aufregung um diesen Wirtschaftskrimi bald legen wird. Ab Montagmittag wird in Stuttgart die nächste Zivilklage verhandelt, die dritte in der linken Spalte gewissermaßen. Über ein Dutzend Hedgefonds, etwa Glenhill Capital oder Tiger Global, fordern hier 1,36 Milliarden Euro. Oder hoffen zumindest, wie oft bei Zivilverfahren, auf einen Vergleich: eine schöne Milliarde vielleicht.
Aber das ist nicht zu erwarten. "Auf einen Vergleich lassen wir uns nicht ein", erklärte das Unternehmen am Wochenende. Denn für das Unternehmen stehe fest: Man habe nichts Unrechtmäßiges getan, die Klagen seien unbegründet. Und man habe die Zeit und das Geld, mit dieser Haltung in allen Verfahren durch alle Instanzen zu gehen. Zudem sollten die Kläger - die wohl wussten, dass ihre Geschäfte riskant waren - erst einmal darlegen, wie sie genau geschädigt worden seien.
Im Kern dreht sich letztlich alles um ähnliche Vorwürfe: Porsche habe Investoren während des Übernahmeversuchs von VW völlig falsch informiert. Es ist eine Sache, die im Grunde auch einer Skizze bedarf, weil es sich um Befindlichkeiten großer Unternehmerfamilien handelt. Mitte der 2000er-Jahre erkannten der damalige Porsche-Vorstandschef Wiedeking und sein Finanzchef Härter, dass der Sportwagenhersteller trotz formidabler Imageverbesserung allein schwer bestehen könne.
Es geht um die Porsche Automobil Holding - und ihre Manager
Der naheliegende Partner: der VW-Konzern aus Wolfsburg, sind doch die beiden Unternehmen verwandtschaftlich verbandelt. Ingenieur Ferdinand Porsche entwickelte in der Nazizeit den VW Käfer. Dessen Schwiegersohn Anton Piëch war einer der leitenden Manager dort, dessen Sohn Ferdinand Piëch ist heute Aufsichtsratsvorsitzender der mittlerweile zum größten Autobauer Europas aufgestiegenen Volkswagen AG.
Im Jahr 2005 stieg Porsche mit etwa 20 Prozent bei Volkswagen ein, dazu gibt es gemeinsame Projekte wie beispielsweise den Geländewagen Cayenne, der bei VW Touareg heißt. Später wurden die Porsche AG und die VW-Aktien in der Porsche Automobil Holding SE gebündelt. Um diese Firma und deren Manager geht es bei allen Finanzstreitigkeiten. Denn darüber versuchten vor allem die erfolgsverwöhnten Porsche-Manager Wiedeking und Härter, an die Mehrheit der Anteile zu kommen. 75 Prozent wollen sie erreichen, verkündete Wiedeking am 26. Oktober 2008 - und dass man bereits 43 Prozent halte und zusätzliche Optionen. Ein übermütiger Plan, obwohl eine Zeit lang wohl auch der Piëch-Clan einverstanden war.
Der kleine Sportwagenbauer wollte mit geschickten, kreditfinanzierten Finanztransaktionen den viel größeren VW-Konzern übernehmen. Härter wurde in dem Zusammenhang bereits wegen Kreditbetrugs verurteilt, hat allerdings Berufung eingelegt. Ein Debakel vor allem für Investoren, die nicht einfach auf steigende Kurse gesetzt hatten: Manche sogenannten Leerverkäufer hatten sich VW-Aktien geliehen und dann verkauft, mit dem Ziel sie später, nach gefallenem Kurs, billiger zurückzukaufen und dadurch zu verdienen. Doch nach der Ankündigung vom 26. Oktober stiegen die Kurse. Und weil alle Leerverkäufer, die sich verspekuliert hatten, plötzlich Aktien zurückerwerben mussten, um nicht gigantische Summen zu verlieren, kostete ein Anteil bald über 1000 Euro. Die Gewinnspekulation wurde für viele zum Riesenverlust.
Daraus erwächst der Hauptvorwurf der meisten Kläger und der Staatsanwaltschaft. Hatte die Porsche SE doch vor dem 26. Oktober stets Übernahmeabsichten bestritten. Die Stuttgarter Kläger führen dem Gericht zufolge aus, dass Porsche Entsprechendes telefonisch erklärt habe, dazu kommt eine Pressemitteilung vom März 2008: "Die Porsche SE, Stuttgart, weist Medienberichte zurück, wonach das Unternehmen beabsichtige, seinen VW-Anteil auf 75 Prozent aufzustocken."
Hätte es diese Informationen von Porsche nicht gegeben, dann hätten sie gar keine Leergeschäfts-Verkäufe der eigentlich damals bereits überbewerteten VW-Aktie gestartet, beklagen die Spekulanten. Dabei hätten Wiedeking und all die anderen offenbar schon länger genau den entgegengesetzten Plan gehabt. Das sei "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung".
Anklage gegen die Aufsichtsräte Piëch und Porsche möglich
Im Übrigen habe es eine illegale Kartellbildung mit der damals für Porsche hauptsächlich arbeitenden Maple-Bank gegeben. Und schließlich verweisen die Kläger auf Paragraf 20a des Wertpapierhandelsgesetzes, das Verbot der Marktmanipulation - wobei das Stuttgarter Gericht nun zu prüfen hat, ob ein Verstoß dagegen überhaupt zivilrechtliche Konsequenzen haben kann.
Die Staatsanwaltschaft hat jedenfalls wegen eines möglichen Verstoßes gegen dieses Verbot bereits Anklage gegen Härter und Wiedeking erhoben. Sollte das Landgericht Stuttgart dies zulassen - mit einer Entscheidung wird bald gerechnet -, ist eine Anklage gegen die Aufsichtsräte Piëch und Porsche wegen Beihilfe wahrscheinlich.
Die geplante Übernahme, um deren Folgen jetzt gekämpft wird, scheiterte einige Monate nach dem Bekanntwerden der großen Pläne: Das Geld wurde knapp, und offenbar wollte dann auch Piëch nicht mehr mitmachen. VW rettete die Holding und damit auch den Sportwagenbauer. Mittlerweile hat die Finanzholding Porsche den Autobauer Porsche in den VW-Konzern gegeben, hält gut 50 Prozent der VW-Stimmrechte - und verdient gut an den Ausschüttungen. Die wolle man, zuletzt waren es 2,6 Milliarden Euro, bald in Industriebeteiligungen investieren. Zurückgelegt für irgendwelche Prozessrisiken werde jedenfalls nichts, heißt es selbstbewusst.