Gescheiterte Fusionen des Daimler-Konzerns:Hochzeiten ohne Liebe

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Daimler-Benz startete selbst als Fusion und wurde eine Industrie-Legende. Seitdem scheint dem Konzern keine Fusion mehr geglückt zu sein - obwohl es kaum einen Bereich gibt, in den die Stuttgarter nicht investiert hätten.

Peter Martens

Wenn am Mittwoch die Aktionäre von DaimerChrysler auf der Hauptversammlung in Berlin zusammenkommen, muss sich Konzernchef Dieter Zetsche viele kritische Fragen gefallen lassen.

Auf der einen Seite werden die Aktionäre wissen wollen, warum die Fusion mit Chrysler so gründlich misslungen ist. Und Fonds wie Union Investment oder DWS, die am Konzern beteiligt sind, werden zum Verkauf der stark angeschlagenen US-Tochter drängen.

Auf der anderen Seite ist da der Würzburger BWL-Professor Ekkehard Wenger: Er plant schon einen Schritt weiter und hat bereits beantragt, dem Konzern nach der Trennung von Chrysler wieder seinen alten Namen zu geben: Daimler-Benz.

Gerüchte über neuen Namen

Ein Vertreter der Konzernführung hat sich dazu auch schon geäußert: "Wenn wir Chrysler verkaufen, ist völlig klar, dass wir einen neuen Namen brauchen", schrieb das Handelsblatt.

Mit dem Verkauf von Chrysler, und noch mehr mit der Rückkehr zum alten Konzernnamen, würde der Autobauer aus Stuttgart auch wieder ein Mal zu seinen Wurzeln zurückkehren, zum Ursprung seines Welterfolgs - einerseits.

Andererseits würde der Konzern einer langen Reihe von Pleiten, Pech und Pannen beim Zukauf von Firmen eine neue Niederlage hinzufügen. Allerdings die bisher mit Abstand größte.

Wie ein Pudel im Regen

Trotz seines glanzvollen Namens und seines Flaggschiffs Mercedes erinnert DaimlerChrysler damit an einen großen Pudel, der immer wieder hinaus in den Regen springt, um nach einiger Zeit durchnässt zurück ins Trockene zu hüpfen.

Vielleicht ist der Hang zu Zusammenlegungen und Übernahmen durch die eigene Firmengeschichte zu erklären: Daimler-Benz ist 1926 selbst als Ergebnis einer Fusion entstanden.

Unter der Ägide der Deutschen Bank gingen im Jahr 1926 die Firmen von zwei der kreativsten Autopioniere zusammen: Die Stuttgarter Daimler-Motoren-Gesellschaft von Gottfried Daimler und die Mannheimer Benz & Cie. von Carl Benz.

Der gute Stern

Dieser Zusammenschluss ist eine wahre Liebesheirat gewesen, wie man heute sagen kann - die Geschichte des Autoherstellers Daimler-Benz wurde eine Legende. Die Marke Mercedes stieg auf zur Ikone der heimischen Industrie und zum Synonym höchster deutscher Ingenieurskunst. "Ihr guter Stern auf allen Straßen" - so ein Mercedes-Claim aus diesen Tagen.

In der breiteren Öffentlichkeit etwas weniger bekannt ist der Entschluss von Daimler-Benz, ab den 1930er Jahren doppelgleisig zu fahren und massiv in Richtung Rüstungsindustrie zu expandieren.

Wie andere große Hersteller auch wollte das Unternehmen an dem Geschäft mit Militärtechnik teilhaben. Daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert - DaimlerChrysler gehört etwa über die Beteiligung beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS zu den größten Rüstungsherstellern Europas.

In jüngerer Vergangenheit hat der Autobauer zwei große Strategiewechsel vollzogen: Die Positionierung als breitgefächertes Technologieunternehmen und die Aufstellung als weltweit agierender Autokonzern.

Für die erste Richtung steht der Ex-Konzernchef Edzard Reuter. Mit seiner Vision vom "integrierten Technologiekonzern" trieb Reuter den Ausbau der Geschäftsbereiche aggressiv voran und ging dafür gegen Ende der 1980er auf ausgiebige Einkaufstouren.

Bis Anfang der 1990er Jahre verleibte sich Daimler-Benz ein: den Flugzeugbauer Dornier mitsamt dessen Konkurrenten Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), den niederländischen Flugzeugbauer Fokker, den deutschen Elektroriesen AEG mitsamt seiner Tochter Telefunken sowie den Turbinenhersteller MTU.

Bescheidene Bilanz

Aus dieser Masse an Standorten, Menschen, Maschinen und Know-How formte das Management in Stuttgart vier Geschäftsbereiche: Fahrzeugbau (Mercedes-Benz AG), Rüstung und Raumfahrt (DASA), Verkehrs-, Elektro- und Bürokommunikation (AEG AG) und einen elektronischen Dienstleistungssektor (debis).

Die historische Bilanz dieses Konglomerats ist aus heutiger Sicht bescheiden. Als Reuter 1995 geht, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, den größten deutschen Industriekonzern an den Rand der Manövrierunfähigkeit gebracht zu haben.

Nicht nur die gesamte Strategie erweist sich dabei als höchst problematisch. Auch stellte sich heraus, dass die zugekauften Unternehmen meist schon in Schwierigkeiten steckten, bevor Daimler-Benz überhaupt als Käufer in Erscheinung tritt.

Beispiel AEG

Die Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft war mit ihrer Tochter Telefunken vor dem Krieg der größte nationale Industriekonzern, auch nach dem Krieg stieg das Unternehmen schnell zum stolzen Vorzeigeunternehmen auf. AEG baute Bügeleisen, Turbinen, Staubsauger und Kraftwerken, über seine Tochter Telefunken Sendeanlagen, Rundfunk- und Tonbandgeräte. Und vor allem Waschmaschinen.

"Was will Daimler mit Waschmaschinen?"

Als der Konzern der 1980er Jahre schwächelte, warf die AEG die Tochter Telefunken über Bord und bekam dennoch massive Liquiditätsprobleme. Da übernahm Mitte der 1980er der Daimler-Benz-Konzern 75 Prozent der AEG-Anteile. Betriebsrat Manfred Lehmeier sagte damals der Süddeutschen Zeitung, das habe die AEG kurzfristig gerettet. Aber er und die anderen Betriebsräte hätten sich stundenlang den Kopf darüber zerbrochen, "was Daimler eigentlich mit Waschmaschinen will?"

Der Stuttgarter Autobauer ist mit der AEG in der Folge dann auch nicht alt geworden: Der unübersichtliche Elektro-Konzern blieb defizitär, auch nachdem ihn das schwedische Unternehmen Elektrolux übernommen hatte. 2006 gab Elektrolux die Schließung der deutschen Standorte bekannt, im März 2007 lief in Nürnberg der letzte Geschirrspüler vom Band.

Beispiel MTU

1985 erwarb Daimler-Benz die noch fehlenden 50 Prozent der Anteile am Münchner Triebwerkhersteller MTU und integrierte das Unternehmen zusammen mit Teilen von Telefunken, Dornier oder Fokker in seiner Raumfahrt-Tochter DASA. Die DASA ging ihrerseits im 2002 gegründeten europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS auf.

Weil sich EADS aus reinen Flugzeugherstellern zusammensezte, gab es für einen Triebwerkshersteller wie MTU keinen Platz. Ergebnis: Jürgen Schrempp als Nachfolger von Reuter auf dem Chefposten stieß das Münchner Unternehmen ab und verkaufte an den Private-Equity-Investor Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR). Die New Yorker brachten MTU schließlich 2005 an die Börse und machten dort nach einem ordentlichen Kursanstieg Kasse.

Beispiel Fokker

Der bisher einzige niederländische Flugzeughersteller Fokker war bis Mitte der 1970er Jahre erfolgreich, geriet Anfang der 1980-er gehörig ins Trudeln und stand 1987 bereits kurz vor der Insolvenz.

Doch der Retter nahte: Anfang der 1990-er Jahre begann Daimler mit Einstiegsgesprächen und unterzeichnet 1992 einen Vertrag. Dennoch bekam Fokker seine Probleme in den Folgejahren nicht in den Griff.

Der Hersteller kleiner Passagiermaschinen entwickelte zwar viele Modelle, doch der Absatz blieb enttäuschend gering. Daimler-Benz zog wieder die Notbremse: Ausgerechnet der frischgebackene Konzernchef Jürgen Schrempp veranlasste Anfang 1996 den Ausstieg. Als Dasa-Chef hatte Schrempp zuvor die Übernahme Fokkers an entscheidender Stelle mit verantwortet und den niederländischen Flugzeughersteller einmal als sein "geliebtes Baby" bezeichnet. Im März 1996 meldet Fokker Insolvenz an.

Als Edzard Reuter den Konzernvorsitz 1995 an Jürgen Schrempp übergab, musste er sich von den Aktionären vorwerfen lassen, dass die Firma vor dem "High-Tech-Trümmerhaufen des Traumtänzers Reuter" stehe. 1995 fährt Daimler-Benz ein Rekord-Defizit von 5,7 Milliarden Mark ein.

Bis zuletzt kommen auch Töchter wie DASA nicht aus den roten Zahlen heraus. Allein mit den Gewinnen der Autosparte konnte der Konzern seine Manöver mit AEG oder Fokker finanzieren.

Die "Welt-AG"

Dann ruft Schrempp eine neue Strategie aus: Unter dem Schlagwort der "Welt AG" soll aus Daimler-Benz ein Global Player werden. Allerdings einer, der mit der Diversifizierung Reuters Schluss macht und sich auf die Autobranche konzentriert.

Was gut klingt, bewerten Branchenkenner heute als eine der größten Wertvernichtungen, die sich ein Manager je geleistet hat. Seit der Fusion mit Chrysler 1998 hat die Aktie des Unternehmens 40 Milliarden Euro an Wert verloren und ist heute noch rund 50 Milliarden Euro wert. Doch alles der Reihe nach.

Schrempp griff zunächst hart durch, entließ und baute um und bekam viel Lob für die Umstrukturierung. Dann realisierte er die Riesenfusion mit dem damals profitablen US-Autobauer Chrysler als "Hochzeit im Himmel".

Veraltete Produktpalette

Einige Zeit später war die Freude wieder dahin: Die Deutschen hätten mit einem Konzern fusioniert, der sich wirtschaftlich in seinem Zenith befinde und eine veraltete Produktpalette habe, so der Kommentar von Beobachtern.

Wenig Glück hatte Schrempp auch mit den asiatischen Standbeinen seiner "Welt AG": 2000 zahlt DaimlerChrysler rund vier Milliarden Mark für eine 37-prozentige Beteiligung am japanischen Autohersteller Mitsubishi Motors.

Über diese Beteiligung steigt der Stuttgarter Konzern auch mit 10,5 Prozent bei Hyundai ein, beim letzten noch unabhängigen Autohersteller Südkoreas. Auch hier weiss das Management, worauf es sich einlässt: Mitsubishi gilt 2000 als angeschlagen, was in den folgenden Jahren nicht besser wird.

2004 sprechen die Aktionäre gegenüber der Konzernführung von einem Scheitern der "Welt AG". Chrysler versinkt weiterhin in Dauerproblemen und auch Mitsubishi ist schwer angeschlagen.

Auch Mitsubishi wird fallen gelassen

Im Frühjahr 2004 lässt Konzernchef Schrempp seinen hoch verschuldeten Partner Mitsubishi fallen, wie zuvor bereits Fokker. Kurz vor diesem Schritt fordert DaimlerChrysler noch die Mehrheit am japanischen Nutzfahrtzeughersteller Fuso. Die bis dahin hundertprozentige Mitsubishi-Tochter arbeitet profitabel. Fuso wird nach China verlagert.

Auch bei Hyundai steigt DaimlerChrysler 2004 aus.

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